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Technologie des Fähr- und Ro/Ro-Verkehrs

Erstellt am: 11.09.2002 | Stand des Wissens: 26.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Der horizontale Ladungsumschlag wird bei Fährschiffen in der Regel über ortsfeste Rampen bewerkstelligt, die zum Teil durch Zugangsmöglichkeiten für Fußgänger ergänzt werden. Diese Rampen können auch als Doppelstockrampen ausgelegt sein. Schiff und Umschlaganlage bilden ein gemeinsames technologisches System mit eingeschränkter Einsatzflexibilität [MP18].

Ro/Ro-Schiffe führen im Interesse einer höheren Flexibilität eigene klappbare Umschlagrampen mit. Im europäischen Kurzstreckenverkehr werden sie in der Regel in der Schiffslängsachse auf feste Rampen oder Pontons aufgelegt. Große Ro/Ro-Schiffe im Überseeverkehr werden mit langen Winkelrampen ausgestattet, die für den Umschlag direkt auf dem Kai aufliegen und so hafenseitig keiner besonderen Umschlageinrichtungen bedürfen [MP18].

Für einen schnellen Umschlag und eine gute Auslastung der Ladekapazität sind schiffsseitig durchgängige, nicht unterteilte Decks mit rechteckigen Abmessungen wesentlich. Die Anzahl der Fahrzeugdecks ist abhängig von der Schiffsgröße und bei Fährschiffen vom Verhältnis zwischen Güter- und Passagierbeförderung. Die Verbindung zwischen den Decks wird heute durch bewegliche, hochfahrbare Rampen hergestellt [MP18].

Die großen Öffnungen am Heck und oft auch am Bug der Schiffe sowie die insbesondere bei Autotransportern im Überseeverkehr vorhandenen Rampen an den Seiten des Schiffes in Verbindung mit den fehlenden Querschotten haben sich als besonderes Sicherheitsrisiko der Fähr- und Ro/Ro-Schiffe herausgestellt und zu schweren Havarien bei Nichtbeachtung der Sicherheitsvorschriften ("Estonia", "Herald of Free Enterprise") geführt. Bei beiden Unglücken verursachte eintretendes Wasser auf den Ladedecks durch den sogenannten "Free Surface Effect" eine schnelle Kenterung der Schiffe [IMO97]. Die Risiken dieses Effekts kann durch den Einbau von Längsschotts auf den Ladedecks reduziert werden [BC21].
1.jpgAbbildung 1: Free Surface Effect: Freibewegliche Wassermassen verringern bei Krängung das aufrichtende Moment (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)

Ein ähnlicher Effekt wird auch durch transversal verrutschende Ladung ausgelöst, was dazu führt, dass nicht ordnungsgemäß gesicherte Ladung nicht nur zu einer Gefahr für die Ladung an sich, sondern auch für die Sicherheit des  Schiffes wird [PTS09].
Landseitig sind die Anzahl der verfügbaren Fahrspuren auf den Rampen und deren Abmessungen die entscheidenden technologischen Faktoren für die Umschlaggeschwindigkeit. Im Fährverkehr werden daher vermehrt Doppelstockrampen genutzt, um die parallele Bearbeitung von zwei Decks zu ermöglichen. Daneben haben vollautomatische Schiffsverzurrungen (Automooring-System) und knickwinkeloptimierte Fährbrücken einen Einfluss auf die Ab- bzw. Anlegegeschwindigkeit und damit auf die Gesamtumschlagsdauer [Guen11].

Ein effizienter rollender Ladungsumschlag erfordert in den Häfen große Vorstauflächen. Für den zunehmenden Umschlag unbegleiteter Ladungseinheiten im kombinierten Verkehr sind KLV-Terminals erforderlich, die möglichst dicht beim Schiff liegen sollten [Lüsch05]. Technische Neuerungen im Multimodaltransport wie nicht-kranbare Sattelauflieger stellen dabei Anforderungen an die Flexibilität dieser Terminals.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Fähr- und Ro/Ro-Verkehre (Stand des Wissens: 26.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?284783
Technologie des Fähr- und Ro/Ro-Verkehr (Stand des Wissens: 26.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?8515
Literatur
[BC21] Bijoy Chandrasekhar What is Free Surface Effect? How to Reduce Free Surface Effect?, 2021
[Guen11] Günzl, Tobias Neuer Fähranleger für den Seehafen Rostock, veröffentlicht in Bautechnik, Ausgabe/Auflage Nr. 8, Jahrgang 88, Berlin, 2011
[IMO97] International Maritime Organization IMO and ro-ro safety, London, 1997/01
[Lüsch05] Lüsch, J. Stand und Entwicklungstendenzen der Planung von Fähr- und Ro/Ro-Terminals im Ostseeraum, veröffentlicht in Märkte im Wandel - mehr Mut zu Wettbewerb : Festschrift zum 65. Geburtstag von Rolf W. Stuchtey , Ausgabe/Auflage 1, Peter Lang / Frankfurt a.M., 2005, ISBN/ISSN 3-631-52943-0
[MP18] Manfred Pfaff Schiffsbetriebstechnik, veröffentlicht in Schiffsbetriebsanlagen/Hilfssysteme, Springer Fachmedien Wiesbaden , 2018, ISBN/ISSN 978-3-658-19527-4
[PTS09] Poulios, P. , Themelis, N., Spyrou, K. Dynamics of lashed trailers on a ship under roll and pitch excitations, veröffentlicht in Journal of Engineering for the Maritime Environment, Ausgabe/Auflage Band 223 , 2009/03
Weiterführende Literatur
[Hans06] o.A. Baltic Sea Ro-Pax Ferries, veröffentlicht in Hansa, Ausgabe/Auflage 143.Jg. Nr.4, Schiffahrts-Verlag Hansa C. Schroedter & Co. / Hamburg, 2006
[DVWG04b] o.A. Der Ostseetransportmarkt im Wandel - Trends und Entwicklungen im Fähr- und RoRo-Verkehr, 2. Baltisches Verkehrsforum, Rostock 1.10.2004, veröffentlicht in Schriftenreihe der DVWG, Band B278, Berlin, 2005, ISBN/ISSN 3-937877-08-8
Glossar
Sattelauflieger Ein motorloses Fahrzeug für den Güterverkehr, das dazu bestimmt ist, so an eine Zugmaschine angekuppelt zu werden, dass ein wesentlicher Teil seines Gewichts und seiner Ladung von diesem Kraftfahrzeug getragen wird. Eine Anpassung der Sattelanhäger für die Verwendung im Kombinierten Verkehr kann erforderlich sein. Der Begriff Sattelanhänger wird im FIS synonym verwendet.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.
Ro/Ro Abkürzung für "Roll on/Roll off" - beschreibt im Seeverkehr den rollenden Ladungsumschlag über schiffseigene und/oder landseitige Rampen; im Kombinierten Verkehr die horizontale Verladung rollender oder rollbar gemachter Ladeeinheiten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?8285

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 08:51:21