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Start-/Landebahn-Kreuzungsverkehr (Runway Incursions) auf Flughäfen

Erstellt am: 16.04.2004 | Stand des Wissens: 25.02.2019
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Ein Luftfahrzeug verlässt die Start- und Landebahn über einen Abrollweg (Exit) und gelangt über ein System von weiteren Rollwegen zur endgültigen Standposition (Parkposition) auf dem Flugplatzvorfeld. Die Start- und Landebahn steht für einen Start oder eine Landung erst wieder zur Verfügung, wenn das die Bahn blockierende Flugzeug diese verlassen hat und keine weiteren Luftfahrzeuge, Fahrzeuge oder Lebewesen die Bahn kreuzen oder sich im Sicherheitsbereich der Start-/Landebahn aufhalten. Das schnelle Verlassen der Landebahn wird durch eine hohe Anzahl an zur Verfügung stehenden Abrollmöglichkeiten (Exits) begünstigt. Das Vorhalten alternativer Rollwege gestattet zudem eine flexible Führung der Rollverkehre. Ein komplexes Netz von Rollwegen sowie das Vorhandensein von mehreren Start- und Landebahnen am Flughafen können jedoch insbesondere bei schlechten Sichtverhältnissen zur Desorientierung bei Piloten und Missverständnissen bei Rollanweisungen führen. Die größte Gefahr ist durch Rollwege gegeben, die eine Start- und Landebahn kreuzen bzw. in diese einmünden. Es kann zu einem Zusammenstoß von Roll- und Flugverkehr kommen. Das Eindringen eines nicht berechtigten Luftfahrzeuges, eines Bodenfahrzeuges oder auch von Personen in den Gefahrenbereich einer gerade zum Start oder zur Landung genutzten Bahn wird in der englischen Fachsprache als Runway Incursion bezeichnet und stellt ein erhebliches Unfallrisiko dar. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) weist für das Jahr 2016 115 Runway Incursions an deutschen Verkehrsflughäfen aus. Hierbei sind rund 80 Prozent durch Fehler der Piloten verursacht, 20 Prozent durch Fehler der Flugsicherung sowie durch Fußgänger oder Fahrzeuge innerhalb der Sicherheitsflächen. [DFS17, S. 22 f.]

Rollwege werden durch Kennbuchstaben identifiziert. Sie sind auf Hinweisschildern an den Rollwegen sowie in den Flugunterlagen der Piloten gekennzeichnet. Insbesondere in Kreuzungsbereichen zu Start- und Landebahnen sowie zu anderen Rollwegen sind Rollhalte markiert und zumeist lichtsignaltechnisch ausgerüstet (die sogenannte Befeuerung). Der Rollhalt ist dabei rot markiert. Handelt es sich um Rollhalte in Verbindung mit dem Aufrollen auf eine Start- und Landebahn sind zusätzlich zur rot befeuerten Rollhaltelinie sogenannte Runway Guard Lights zu installieren. Diese beidseitig der Rollhalte aufgestellten gelb blitzenden Feuer sollen Piloten und Fahrzeugführer auf die vor ihnen liegende aktive Start- und Landebahn aufmerksam machen. Der Pilot ist generell aufgefordert an derartigen Rollhalten zu stoppen und eine Freigabe (Clearance) zum Überrollen von der Flugsicherung einzuholen. Das Flugsicherungspersonal kann mittels Sicht- und Überwachungsradar die Situation kontrollieren und durch Funkanweisungen sowie das Schalten von Lichtsignalzeichen die Rollführung beeinflussen. Der Verbreitungsgrad dieser Ausrüstungsmittel auf den Flughäfen ist jedoch sehr unterschiedlich. Das führt dazu, dass per Funk eine Rollanweisung erteilt wird, die Befolgung auf den meisten Flughäfen bei fehlendem Sichtkontakt vom Tower aber nicht überwacht werden kann. Zusätzlich müssen die Flugzeugrollbewegungen mit dem Fahrzeugverkehr im Vorfeldbereich abgestimmt werden. Die Verantwortlichkeit liegt hier beim Flughafenbetreiber, es sei denn er hat diese auf die Flugsicherung übertragen. Eine Überwachung aller Rollverkehre ist mit heutigen Radarhilfsmitteln noch nicht optimal möglich. [ECTR11]

Die wichtigsten Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit mit dem Fokus auf Runway Incursions werden generell in der Anwendung von ergänzenden Lichtsignalanlagen/Befeuerungssystemen, der Veröffentlichung von Hot Spot Maps (vorhandene Unfallschwerpunkte), verbesserten Rollwegmarkierungen und der Einführung neuer Rollführungssyteme gesehen. Die Verwendung von Lichtsignalanlagen an Rollweg- und Start-/Landebahnkreuzungspunkten dient zur Darstellung von Freigabezeichen für Start-/Landebahnen und Rollwege, zusammengefasst unter dem Überbegriff Runway Status Lights. Runway Entrance Lights geben dabei an, ob die vor dem Luftfahrzeug befindliche Start-/Landebahn zum Aufrollen oder Kreuzen der Bahn freigegeben ist. Take off Hold Lights signalisieren dem am Startbahnkopf wartenden Luftfahrzeug, ob die Bahn durch andere Luftfahrzeuge/Fahrzeuge belegt ist und ein Start somit noch nicht möglich ist. Runway Intersection Lights sind auf kreuzenden Start-/Landebahnsystemen installiert, um eine Sperrung der Bahn anzuzeigen, wenn die kreuzende Start-/Landebahn sich in Benutzung befindet. Die Informationsdarstellung durch Lichtsignalanlagen ist nicht nur für den Bodenrollverkehr denkbar, sondern auch für anfliegende Maschinen. Unter der Bezeichnung Final Approach Runway Occupancy Signal (FAROS) kann unter Verwendung vorhandener Gleitwinkelanzeigen (PAPI) eine Statusanzeige für die Landebahnbelegung erfolgen, die durch eine rot-blinkende Anzeige eine Gefahrensituation kenntlich macht. [ECTR11; FAA04b; FAA04c]

Eine verbesserte Darstellung der Markierungen auf den Rollwegen kann zu einer Erhöhung der Sicherheit beitragen. Durch die optische Illusion einer räumlichen Markierung kann beispielsweise das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für die Gefahrenbereiche an den Start- und Landebahnen verbessert werden. Die NASA vertritt die Meinung, dass vorhandene Sensoren genutzt werden können und durch eine Weiterentwicklung mit vertretbarem Aufwand eine gesteigerte Sicherheit zu erreichen ist. [NASA03e]

Eine weitere Verbesserung versprechen Technologien fortgeschrittener Überwachungs- und Rollverkehrsführung (A-SMGCS) [IFAC03]. Zur Untersuchung verwendbarer Technologien (Multilateration, Radar, Mode-S, ADS-B, GNSS oder optischer Sensoren) und zur Einbindung dieser in die derzeitige und zukünftige Flughafen- beziehungsweise Flugsicherungsinfrastruktur wurden auf europäischer Ebene durch die EUROCONTROL und die Europäische Kommission verschiedene Programme initiiert.
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Literatur
[DFS17] Deutsche Flugsicherung Luftverkehr in Deutschland - Mobilitätsbericht 2016, 2017/04/18
[ECTR11] EUROCONTROL - European Organisation for the Safety of Air Navigation European Action Plan for the Prevention of Runway Incursions 2.0, Eurocontrol, Runway Safety Office, Brüssel, Belgien, 2003/04
[FAA04b] o.A. Runway Safety Report, 2004/08
[FAA04c] Schmidt, N. FAROS-Final Approach Runway Occupancy Signal, 2004/07
[IFAC03] Kuntner, E. A-SMGCS Implementation in Europe, IFATCA, Montreal, Canada, 2003/12
[NASA03e] o.A. Sytem Testing Runway Incursion - A Technology Solution, 2003/03
Weiterführende Literatur
[ANSV04] o.A. Aircraft Investigation Report-Final Report-Accident involved Aircraft Boeing MD-87 and Cessna 525-A, Milano Linate Airport, October 8, 2001, 2004/02
[BETA02] Wall, V., Wolfe, A. Analysis of Results from BETA (Operational Benefit Evaluation by Testing an A-SMGCS) Trials (Phase 1), 2002/08/13
[FAA02d] o.A. Evaluation of the FAA Runway Safety Program, 2002/09/30
[DFSMo12] DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Luftverkehr in Deutschland - Mobilitätsbericht 2011, 2013
[DFS14a] DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Luftverkehr in Deutschland Mobilitätsbericht 2013, veröffentlicht in Mobilitätsbericht, 2014
[NTSB00d] o.A. NTSB Safety Recommendation, 2000/07/06
[NASA01] Young, S. D. , Jones, D. R. Runway Incursion Prevention: A Technology Solution, 2001/11/05
[NASA00a] Young, D.S. , Jones, R. D. Runway Incursion Prevention using Advanced Surface Movement Guidance and Control Systems (A-SMGCS), NASA Langley Research Center, 2000/10/07
[ATSB03] o. A. Runway Incursions: 1997 - 2001, Australian Transportation Safety Board, 2003/06, ISBN/ISSN ISBN 1 877071 34 X
[NavC01] o. A. Runway Incursion Study at NAV CANADA ATS facilities, 2001/01
[DoT01d] Cardosi, K. M. Ph. D. Runway Safety: It s Everybody s Business, 2001/07
[FAA02c] o.A. Runway Safety Blueprint 2002-2004, 2002/07
[CAA01a] Cargill, N. Visual Aids Handbook - CAP637, Civil Aviation Authority, Aviation House, Gatwick, England , 2001/04, ISBN/ISSN ISBN 0 86039 599 5
Glossar
GNSS Globale Navigationssatellitensysteme (englisch Global Navigation Satellite System) oder GNSS dienen der weltweiten Positionsbestimmung, sowie der Koordinaten- und Zeitübermittlung.
Radar Radio Detecting and Ranging Dieses elektromagnetische Ortungsverfahren beruht auf dem Prinzip des Echos. Man unterscheidet zwischen Primär- und Sekundärradar.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?81858

Gedruckt am Donnerstag, 7. Dezember 2023 00:36:17