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Wirtschaftlichkeit für Carsharing-Nutzer

Erstellt am: 22.03.2004 | Stand des Wissens: 12.01.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Carsharing ist für seine Akzeptanz beim Nutzer auf mehrere Komponenten angewiesen. Neben der Reflektion des eigenen Verkehrsverhaltens ist vorrangig der individuelle sowie finanzielle Nutzen ausschlaggebend. Aufgrund der hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten eines eigenen Pkws entscheiden sich viele Kunden mittlerweile für den Verzicht auf einen eigenen Pkw.
Break-Even-Werte sagen aus, bis zu welcher Jahresfahrleistung die Carsharing-Nutzung günstiger ist als ein privater Pkw. Zur Bestimmung des individuellen Break-Even Punktes ist es wichtig:
  • ob als Privat-Pkw ein Neu- oder Gebrauchtwagen angesetzt wird,
  • mit welchen Carsharing-Tarifen gerechnet wird und
  • ob eine Veränderung des Verkehrsverhaltens berücksichtigt wird.

Eine große Unsicherheit zur Bestimmung des individuellen Break-Even-Punktes ist die große Spannweite der Kosten eines privaten Pkw, vor allem hinsichtlich Kaufpreis/Abschreibung, Alter/Haltedauer und Verbrauch. Häufig werden die Kosten für einen Kleinwagen der "ADAC-Autokosten-Liste" angesetzt. Dabei wird von einem Neuwagen mit fünfjähriger Nutzungsdauer und einer jährlichen Laufleistung von 15.000 Kilometern ausgegangen [ADAC21, S. 1]. Die durchschnittliche Pkw-Nutzungsdauer lag in Deutschland zwischen 2001 und 2006 bei etwa zwölf Jahren [BMVI17q, S. 140]. Der Ansatz für den Wertverlust in der ADAC-Liste liegt daher über den durchschnittlichen Werten [Pesc96, S. 89f.].

Der Ansatz, basierend auf einem Vergleich von Neuwagen, ist aus "wertbezogener" beziehungsweise fahrzeugtechnischer Sicht berechtigt, da im Carsharing das Fahrzeugalter sehr gering ist. Er ist aus Sicht der Neukunden jedoch zu hinterfragen.
Der Kostenvergleich zwischen einem privaten und einem Carsharing-Neuwagen ist nur für den Teil der Carsharing-Nutzer zutreffend, die sich zwischen dem Kauf eines Neuwagens und einem Beitritt zu Carsharing entscheiden. Es ist bekannt, dass Carsharing-Nutzer ein "Sparinteresse" haben, eher geringe Prestigebedürfnisse mit dem Automobil verbinden und das Auto vielfach aus praktischen Gründen nutzen, statt auch unbedingt eines besitzen zu wollen. Es ist daher zu vermuten, dass der Neuwagenanteil von Carsharing-Interessenten eher unterdurchschnittlich ist [Flie02].
Für Personen, die sich zwischen dem Kauf eines Gebrauchtwagens und der Carsharing-Nutzung entscheiden, sollte daher eher ein durchschnittliches "Fahrzeugalter beim Verkauf von Privat-Pkw" angesetzt werden. Da der Wertverlust einen erheblichen Teil der Kosten eines Pkw ausmacht, ist ein realistischer Ansatz für den Wertverlust von erheblicher Bedeutung.

Da Carsharing neben den Kilometer-Kosten auch Zeitkosten verursacht, ist für die Kostenermittlung die Nutzungsintensität im gewählten Carsharing-Tarif relevant.

Eine weitere Einflussgröße auf die Kosten-Vergleichbarkeit ist die mit Carsharing einhergehende Änderung des Verkehrsverhaltens beziehungsweise der Verkehrsmittelwahl.
In der Praxis zeigt sich, dass eine Carsharing-Nutzung mit einer Umstellung der Verkehrsmittelwahl von vorher autobesitzenden Haushalten einhergeht. Es kommt zu einer Zunahme der Nutzung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes und zu einer Reduzierung der Pkw-Fahrten [ISOE14]. Daher ist es sinnvoll bei der Berechnung eines Break-Even-Wertes auch das geänderte Verkehrsverhalten zu berücksichtigen.

Finanziell lohnt sich Carsharing für Nutzer, die weniger als 10.000 Kilometer im Jahr (rund 800 Kilometer im Monat) fahren [UBA17c, bcs17b]. Je größer das Auto, desto sinnvoller wäre aus ökonomischer Sicht ein Umstieg auf Carsharing-Fahrzeuge und desto größer sind auch die Einsparungen [ifmo16b, S. 45; bcs17b]. Insgesamt können pro Jahr mehr als 700 Euro eingespart werden [bcs17b].
Jedoch ist zu beachten, dass die verschiedenen Carsharing-Varianten deutliche Preisunterschiede aufweisen. Free-Floating-Carsharing ist kostenintensiver als das stationsbasierte und kombinierte Carsharing
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Carsharing (Stand des Wissens: 20.02.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?56435
Literatur
[ADAC18] Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V. (ADAC) (Hrsg.) ADAC Autokosten Frühjahr/Sommer 2018, 2018/04
[ADAC21] Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V. (ADAC) (Hrsg.) ADAC Autokosten Frühjahr/Sommer 2021, 2021/04
[bcs17b] bcs - Bundesverband CarSharing e.V. (Hrsg.) Bis zu einer Fahrleistung von 10.000 Kilometern ist CarSharing auf jeden Fall günstiger, 2017/01
[BMVI17q] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Verkehr in Zahlen 2017/2018, Ausgabe/Auflage 46. Jahrgang, 2017, ISBN/ISSN ISBN 978-3-87154-617-4
[Flie02] Fliegner, Steffen Car Sharing als Alternative? - Mobilitätsstilbasierte Potenziale zur Autoabschaffung, veröffentlicht in Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung, MetaGIS Infosysteme, Mannheim, 2002, ISBN/ISSN 3-936438-02-1
[ifmo16b] Institut für Mobilitätsforschung (Hrsg.) Carsharing 2025 Nische oder Mainstream?, 2016
[ISOE14] Öko-Institut e.V. Institut für angewandte Ökologie, ISOE - Institut für sozialökologische Forschung FORSCHUNG ZUM NEUEN CARSHARING - Wissenschaftliche Begleitforschung zu car2go. Zwischenergebnisse: Stand Juni 2014, Berlin, 2014/07/03
[Pesc96] Pesch, Stephan Car-Sharing als Element einer Lean Mobility im Pkw-Verkehr - Entlastungspotentiale, gesamtwirtschaftliche Bewertung und Durchsetzungsstrategien, veröffentlicht in Buchreihe des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Universität Köln, Verkehrs-Verlag J.Fischer, Düsseldorf, 1996, ISBN/ISSN 3-87841-086-7
[UBA17c] Umweltbundesamt (Hrsg.) Carsharing nutzen, 2017/09/20
Weiterführende Literatur
[Koss02] Koss, Reinhard Car-Sharing als Beitrag zur Lösung der verkehrs- und umweltpolitischen Krise?, Verlag für Wissenschaft und Forschung GmbH, Berlin, 2002
[Shah12] Shaheen, Susan, Cohen, Adam Carsharing and Personal Vehicle Services: Worldwide Market Developments and Emerging Trends
, veröffentlicht in International Journal of Sustainable Transportation, Ausgabe/Auflage Vol. 7, 2012/09/27
[Muhei98] & Partner, Muheim, Peter CarSharing - der Schlüssel zur kombinierten Mobilität, Bern, 1998
[Kell00] Keller, Thomas Entwicklung und Potential von organisiertem Car-Sharing in Deutschland, Österrreich und der Schweiz, veröffentlicht in IVS-Schriften, Ausgabe/Auflage 9, Österreichischer Kunst- und Kulturverlag, 2000, ISBN/ISSN 3-85437-198-5
[Pete95] Markus Petersen Ökonomische Analyse des Car-Sharing, Wiesbaden, 1995
Glossar
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
ADAC = Allgemeine Deutsche Automobil Club e. V.. Der ADAC nimmt für sich in Anspruch, die Interessen deutscher Auto-, Motorrad- und Bootfahrer zu vertreten. Er bietet - direkt oder über Tochterfirmen - Dienstleistungen an und produziert Stadtpläne sowie Straßenkarten. Außerdem betreibt er mehrere Fahrsicherheitszentren. Die ursprüngliche und bekannteste Dienstleistung des Clubs ist die Pannenhilfe.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?78816

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 21:47:01