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Wirbelschleppen im Flugbetrieb

Erstellt am: 19.12.2003 | Stand des Wissens: 20.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Bei der Auftriebserzeugung an der Tragfläche findet an deren Spitze ein Druckausgleich zwischen Unter- und Oberseite statt. Dieser Druckausgleich erzeugt ein unsichtbares Wirbelfeld, dass hinter dem Flugzeug hergezogen wird (siehe Abbildung 1). Die rotierenden Luftströmungen erzeugen an einem nachfolgenden Flugzeug abhängig von seiner Masse bestimmte Kräfte. Angefangen von unvorhergesehenen Bewegungen bei schweren Flugzeugen, kann es bei leichten Flugzeugen zu Beschädigungen an der Primärstruktur kommen oder diese in abnormale Flugsituationen bringen. Besonders in bodennahen Flugphasen, wie Start und Landung, können Wirbelschleppen gefährlich sein. Daher müssen Flugzeuge mit einem ausreichend großen räumlichen Abstand voneinander getrennt werden. Diese in der Fachsprache als Staffelung bezeichnete Größe hat wiederum einen Einfluss auf die Kapazität eines Luftraums. Daher gilt es aus wirtschaftlichen beziehungsweise sicherheitstechnischen Erwägungen die Wirbelschleppengefahr zu reduzieren.

Grundsätzlich gilt, dass schwere Flugzeuge größere Wirbelschleppen erzeugen als leichte Flugzeuge. Daher hatte die europäische Luftfahrtindustrie im Hinblick auf das Großflugzeugprojekt Airbus A380 Forschungsbedarf erkannt [Hue00]. Aufgrund des Umfangs und der Komplexität der Thematik, wurden von der Europäischen Kommission Forschungsprogramme initiiert. Zur Steuerung der europäischen Aktivitäten in diesem Bereich, wurde das WakeNet aufgebaut. Mehrere Programme befassen sich mit unterschiedlichen Themen und Fragestellungen der Wirbelschleppenproblematik. Die Programme C-/S/I-WAKE dienen zur Charakterisierung und Einschätzung der Gefahren [NLR03b]. Als Maßnahmen zur Verringerung der Wirbelschleppenstaffelung werden Mess- und Vorhersagesystemen untersucht. Messsysteme können am Boden oder an Bord eines Flugzeugs vorgesehen werden. Ein Standardmesserverfahren am Boden ist das sogenannte LIDAR (Light Detection and Ranging) Verfahren. Ein ergänzendes Verfahren ist der Einsatz eines Mikrofon-Arrays, welches auf der Tatsache basiert, dass die Wirbelschleppen landender Flugzeuge ein schwaches Geräusch eines gewissen Frequenzspektrums (varisiert mit Flugzeugtyp) emittieren. Die Funktionsfähigkeit dieses zusätzlichen Verfahrens konnte in mehreren Messkampagnen erfolgreich demonstriert werden (siehe auch Synthesebericht "Kapazitätserweiterung durch Kenntnis über Verhalten und Einfluss von Wirbelschleppen" in der Wissenslandkarte "Kapazitätsengpässe im Luftverkehr"). Schwierigkeiten bereitet bei einer Vorhersage der Einfluss des Wetters auf die unterschiedliche Verweildauer und Ausbreitung einer Wirbelschleppe [Jack01].

Ein weiterer Ansatz ist die Verringerung der Wirbelschleppe an ihrem Entstehungsort, hinter der Flugzeugtragfläche. Ein positiver Effekt gepaart mit einer Widerstandsverringerung konnte durch die Einführung der abgeknickten Flügelspitzen oder Flügelendscheiben erzielt werden. In der englischen Fachsprache werden diese Bauteile als Winglet bezeichnet. Ein weiterer Ansatz, ist die Auslöschung der Wirbelschleppe durch einen Gegenwirbel. Dies könnte durch eine intelligente Ansteuerung der Steuerflächen an der Flügelhinterkante erreicht werden. Innerhalb eines sogenannten AWIATOR-Projektes wurde über fünf Jahre an der Integration neuer Technologien zur Tragflächenoptimierung eines modernen Verkehrsflugzeuges geforscht [TUB12]. Dazu zählen auch Maßnahmen zur Reduktion der Wirbelschleppen. Eine englische Studie untersuchte den möglichen Zusammenhang zwischen einer verringerten vertikalen Staffelung (Reduced vertical separation minima - RVSM) im oberen europäischen Luftraum und dem Auftreten von Wirbelschleppenereignissen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass keine bedenkliche Häufung der Ereignisse zu erkennen ist [Wood03].

Grafik_0-Wirbelschleppen_680x450.jpgAbbildung 1: Wirbelschleppe [DLR15]
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Sicherheitsaspekte im Flugbetrieb (Stand des Wissens: 20.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?87967
Literatur
[DLR15] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (Hrsg.) Achtung Wirbelschleppen - bitte Abstand halten!, 2015
[Hue00] Huenecke, K. European Wake Vortex Research Activities - The Role of the EC for the Aircraft Industry, EADS Airbus, 2000/01
[Jack01] Jackson, W. Wake Vortex Prediction-An Overview, Transport Canada, 2001/03
[NLR03b] de Bruin, A.C. , Speijker, L.J.P. , Moet, H. , Krag, B. , Luckner, R. , Mason, S. S-Wake-Assessment of Wake Vortex Safety, National Aerospace Laboratory NLR, Amsterdam, The Netherlands, 2003/05
[TUB12] Institut für Luft und Raumfahrt - TU Berlin (Hrsg.) AWIATOR - Aircraft Wing with Advanced Technology Operation, 2012/03/08
[Wood03] Woodfield, A. Review of Pilot Reports of Wake Vortex Encounters following implementation of RVSM in European airspace., Woodfield Aviation Research, 2003/02
Weiterführende Literatur
[DLR01] Gerz, T. , Holzäpfel, F. , Darracq, Denis Aircraft Wake Vortices - A position paper, 2001/04/06
Glossar
Lidar Lidar (Light Detection And Ranging) oder auch Laserentfernungsmessung funktioniert im Prinzip ähnlich wie Radar, nur dass anstatt der elektromagnetischen Wellen Laserstrahlen verwendet werden. Im Gegensatz zu Radar wird die Objektgeschwindigkeit gewöhnlich über mehrere Entfernungsmessungen bestimmt und nicht direkt durch Auswertung des Dopplereffektes. Ein Nachteil der Lidar-Systeme ist die Empfindlichkeit gegenüber Witterung (Nebel, Schnee und Regen, aber auch Gischtfahnen von vorausfahrenden Fahrzeugen) und die mögliche Verschmutzung der Empfangsoptik.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?69491

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 06:20:09