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Überlebbarkeit und Notfunksysteme in Luftfahrzeugen

Erstellt am: 11.12.2003 | Stand des Wissens: 15.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Die Zahl der Unfalltoten im zivilen Luftverkehr schwankt jährlich (siehe Synthesebericht "Einfluss des Qualitätsindikators Sicherheit auf den Luftverkehr" in gleichnamiger Wissenslandkarte). Etwas weniger als die Hälfte kommt nicht durch die Aufschlagkraft bei einem Absturz zu Tode, sondern stirbt bei anschließender Rauch- oder Flammenentwicklung [DGAC01, S.56f]. Die Überlebbarkeit eines Flugunfalls mit einem Verkehrsflugzeug ist stark abhängig von der Professionalität des Handelns aller Besatzungsmitglieder. Die korrekte Kommunikation zwischen der Cockpit- und Kabinenbesatzung und den Passagieren, sowie eine sichere Handhabung aller Notausrüstungselemente und Evakuierungsverfahren sind von entscheidender Bedeutung. Hier sehen Experten ein Optimierungspotential in der verbesserten Ausbildung des Kabinenpersonals. Französische Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass Kabinenevakuierungen häufiger trainiert werden sollten und der Realitätsgrad durch neue, verbesserte Übungsinhalte in realitätsnahen Simulatoren zu erhöhen ist. Zusammen mit der Sitz- und Bodenverstärkung wird dies als wichtige Verbesserung der Sicherheit an Bord von Verkehrsflugzeugen gesehen. Weitergehende Untersuchungen werden für Kabinenfeuerlösch-, Gurt- und Airbag-Systeme für sinnvoll erachtet. Geringeres Verbesserungspotential wurde im Bereich von Kindersitzen, der Notwasserungsausrüstung, der Brennbarkeit der Kabinenmaterialien oder Anzahl der Notausstiege gesehen [Koen97].

Verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten zwischen der Cockpit- und Kabinenbesatzung sind als wichtig einzustufen, wenn die Evakuierungsmaßnahmen optimal geführt werden sollen. Tragbare Handfunkgeräte erhöhen gegenüber festinstallierten Kommunikationssystemen die Flexibilität und verbessern die Koordinationsmöglichkeit in Unfallsituationen. Um die Lage der Unfallsituation in den verschiedenen Abschnitten innerhalb und außerhalb des Flugzeugs korrekt einschätzen zu können, wird auch die Installation von Überwachungskameras in Betracht gezogen [DGAC98].
Notfunksystem in Luftfahrzeugen
Es besteht die Möglichkeit, dass die Insassen (Crew und Passagiere) eines Flugzeuges nach einem Unfall nicht in der Lage sind Hilfe anzufordern. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit 10 Prozent beträgt, wenn die Suche nach Überlebenden länger als zwei Tage dauert. Kann die Rettung hingegen innerhalb von acht Stunden gestartet werden, steigen die Überlebenschancen auf mehr als 60 Prozent [Cosp09]. Deswegen gibt es Notsender (Notfunkbarken) an Bord von Flugzeugen. Das abgestrahlte Funksignal des Gerätes, in der englischen Fachsprache als ELT (Emergency Locater Transmitter) bezeichnet, vereinfacht die Suche und beschleunigt das Auffinden des Unfallortes. Aktiviert wird das Rettungsfunkgerät durch manuelles Einschalten oder automatisch durch die Aufschlagkraft bei einem Absturz mit einem eingebauten Beschleunigungsmesser (sogenannte G-Messer). In entlegenen oder schwer zugänglichen Gebieten vereinfacht es die Auffindung der Unfallstelle für Rettungsmannschaften. Außerdem verringert eine zielgerichtete Suche die Kosten und setzt Rettungsmannschaften keinem unnötigen, zusätzlichen Risiko aus. Um die Durchführung des Such- und Rettungsdienstes weltweit gewährleisten zu können, wurde von den USA, der ehemaligen UdSSR, Frankreich und Kanada ein Satellitensystem aufgebaut. COSPAS-SARSAT (Kosmicheskaja Sistema Poiska Awarijnich Sudow - Search and Rescue, Satellite Aided Tracking) ist das Satellitensystem der internationalen Betreiberorganisation. Die Notsignale werden auf speziellen Funkfrequenzen empfangen und an nationale Rettungsleitstellen übermittelt. Drei Arten von Notsendern werden verwendet.

  1. ELT (Emergency Locator Transmitter) für Flugzeuge
  2. EPIRB (Emergency Position Indicating Radio Beacon) auf Schiffen
  3. PLB (Personal Locator Beacon) für Personen
Weiterhin existieren noch Systeme für die Bergrettung, die auf Basis von Mobiltelefonen mit GPS Empfang arbeiten oder als Sonderlösung am Körper getragen werden.

Gemäß den Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrt Organisation ICAO ist jeder ELT-Notsender durch einen 15-stelligen Code eindeutig zu identifizieren. Angaben zum Flugzeugtyp, dessen Ausrüstung und Farbe, sowie zum Halter der Maschine sind für deutsche Flugzeuge beim Luftfahrt-Bundesamt in einer Datenbank erfasst und werden im Notfall an die Suchdienste übermittelt. Damit wird ein Auffinden des Luftfahrzeuges erleichtert. Der Verkauf eines Notsenders oder die Installation in einem neuen Flugzeugmuster muss dem LBA angezeigt werden ([LuftVZO] §19). Eine Umstellung der Funkfrequenzsender von 121.5/243 MHz auf 406 MHz wurde bis zum Jahr 2009 durchgeführt. Die neueren 406 MHz-Notfunksender sind zuverlässiger und genauer, da sie GPS-Daten übermitteln können. Neue Lufttüchtigkeitszulassungen, für Flugzeuge die in Luftfahrtunternehmen betrieben werden, erfolgen in Deutschland nur noch mit einem festinstallierten Zweifrequenzsender (121.5 MHz und 406 MHz). Flugzeuge konnten mit älteren Geräten nur noch in einer Übergangszeit bis zum Jahr 2004 betrieben werden [LBA01]. Seit dem 01.01.2010 ist ein 406 MHz-ELT für alle Flugzeuge in Deutschland Pflicht, ausgenommen von dieser Regelung sind Motorsegler, Luftsportgeräte und Segelflugzeuge [LuftBO].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Sicherheitsaspekte im Flugbetrieb (Stand des Wissens: 20.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?87967
Literatur
[Cosp09] COSPAS-SARSAT Introduction to the COSPAS-SARSAT System, Ausgabe/Auflage C/S G.003 Issue 6, 2009/10
[DGAC01] Estegassy, R., Koning, Y., Regulatory Study on Emergency Evacuations. Final Synthesis and Recommendations, 1999/09
[DGAC98] Arona Aw Communication Tools in the Context of Survivable Accidents, Cabin Crew Awareness of External and Internal Threats, 1998
[Koen97] Koenig, R. L. Exit-locating devices, Aircraft structural Strengthening and Improved Crew Drills Called "Most Practicable" Accident-survivability Factors, veröffentlicht in Cabin Crew Safety, Ausgabe/Auflage Vol. 32 No.1, Jan-Feb 1997, Flight Safety Foundation, Alexandria, VA, USA, 1997/01, ISBN/ISSN ISSN 1057-5553
Weiterführende Literatur
[BMVBW97c] Bancken, M., Dipl.-Ing., Pusch, Detlef, Sperber, Martin, Dr. Anforderungen an Kinderrückhaltesysteme in Luftfahrzeugen, TÜV Rheinland / Köln, 1997
[JAA01a] Quigley, Claire; , Southall, Dean; , Freer, Martin, Moody, Alan, Professor, Porter, Mark, Professor Anthropometric Study to Update Minimum Aircraft Seating Standards, ICE Ergonomics / Loughborough, 2001/07
[DGAC02] Direction Générale de l'Aviation Civile (DGAC) (Hrsg.) Identification of usable exits in the event of a survivable crash, SOFREAVIA / Issy-Les Moulineaux Cedex , 2002/02/25
[SpRR00] Rabl, Walter, Dr., Ratsch, Wolfgang, Sperber, Martin, Dr. Injury Criteria for Enhanced Passive Safety in Aircraft (ICEPS), 2000/08
[BMVBW96a] Ohnimus, T., Conradi, Manfred, Dipl.-Ing., Röger, Wolf, Prof. Dr.-Ing. Insassensicherheit bei Luftfahrtgerät, FH Aachen / Aachen, 1996/12
[LBA01] NfL II-69/01, ELT 406 MHz Notsender
[LuftBO] Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO)
[LuftVZO] Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO)
Glossar
ICAO
Die International Civil Aviation Organization (ICAO) ist die Internationale Zivilluftfahrtorganisation zur Vereinheitlichung und Regelung der Zivilluftfahrt durch Veröffentlichungen von Richtlinien und Empfehlungen.
Global Positioning System Global Positioning System (GPS), offiziell NAVSTAR GPS, ist ein globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung und Zeitmessung. GPS basiert auf Satelliten, die mit kodierten Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus den Signallaufzeiten können GPS-Empfänger dann ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?68609

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 13:22:06