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Die Deutsche Bahn AG als Akteur im Feld der Schienenverkehrssicherheit

Erstellt am: 28.11.2003 | Stand des Wissens: 01.03.2024
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Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Grundsätzlich ist die Deutsche Bahn AG, (DB AG) wie alle Eisenbahnen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG), dazu verpflichtet, "ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten" [§ 4 Abs. 1 Satz 1 AEG]. Insofern kommt dem Unternehmen als Betreiber eines ca. 34.000 Streckenkilometer umfassenden Schienennetzes und Besitzer von mehr als 100.000 spurgebundenen Fahrzeugen eine bedeutende Rolle im Bereich der Eisenbahnsicherheit zu.

Während vor der Bahnreform allerdings die Deutsche Bundesbahn beziehungsweise die Deutsche Reichsbahn für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zuständig waren, ist die diesbezügliche Verantwortung im Jahr 1994 auf die Bundesländer übergegangen und wird dort von den kommunalen Brandschutzdienststellen wahrgenommen. Jedoch sind weiterhin alle Eisenbahnunternehmen gemäß § 4 Absatz 1 des AEG verpflichtet, "an Maßnahmen des Brandschutzes und der Technischen Hilfeleistung mitzuwirken" [AEG].

Für den Bereich der Deutsche Bahn AG wurde dieser gesetzliche Anspruch im Juli 1998 in einer Vereinbarung zwischen den Innenministern der Bundesländer und der DB AG konkretisiert. Diese beinhaltet genaue Regelungen hinsichtlich der entsprechenden Verantwortlichkeitsverteilung (detailliert in [Bieg02, S. 361 ff.]) [Krus00, S. 546]. Das bedeutet, dass dem Schienenverkehr die Gefahrenabwehr nicht in gleicher Weise wie dem Verkehrsträger Straße als kostenfreie Dienstleistung der zuständigen Landesbehörden angeboten wird. Daher musste beispielsweise die DB AG ein eigenes Notfallmanagement aufbauen [Vogt04].

Im Rahmen der auf das System Bahn ausgerichteten EU-seitigen Harmonisierungsbemühungen haben die Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen des DB-Konzerns zusätzliche Sicherheitsauflagen erhalten. So schreibt eine Richtlinie [2004/49/EG] die Implementierung eines sogenannten Sicherheitsmanagementsystems vor, welches die betreffenden Unternehmen unter anderem dazu verpflichtet, die Organisation ihrer Betriebsabläufe in Bezug auf Defizite zu analysieren, identifizierte Defizite abzustellen, die Qualität und Sicherheit der Betriebsabläufe kontinuierlich zu überwachen sowie daraus resultierende Feststellungen im Zuge von Auditberichten zu dokumentieren [Figo09, S. 21]. (Vgl. hierzu ebenfalls [MüKü08] bzw. [Schr09].) Die DB AG führte im Jahre 2008 ein Sicherheitsmanagement ein, nachdem die EU-Richtlinie 2007 in deutsches Recht überführt wurde [KüMü08].
Im Bereich der Tunnelsicherheit hat die DB AG in Zusammenarbeit mit den Bundesländern im Jahr 1999 ein Nachrüstprogramm aufgelegt, welches als Zielsetzung die Angleichung der Sicherheitsbedingungen von langen Tunneln des Altnetzes an die Tunnelrichtlinie des EBA aufweist [EBA08; Krus02a, S. 41]. Darüber hinaus ergibt sich aus der oben erwähnten Vereinbarung mit den Bundesländern für die Deutsche Bahn AG die Notwendigkeit, spezielle Tunnelrettungssysteme vorzuhalten, welche sie, wie im Falle von Rettungszügen, entweder selbst betreibt oder örtlichen Feuerwehrkräften zur Verfügung stellt [DBAG09b, S. 21 ff.; DBAG03p, S. 60 ff. und S. 66 ff.].

Im Hinblick auf die allgemeine Unfallprävention fokussiert sich die Deutsche Bahn AG neben der Information ihrer Kunden und Mitarbeiter zu speziellen Gefahrenquellen insbesondere auf die Unfallvermeidung an Bahnübergängen und Bahnhöfen [Schä09; BMDV19a]. Gemeinsam mit dem ADAC, dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) u. a. wurde bspw. im Rahmen der Aktion "sicher drüber" zwischen 2002 und 2004 die Sicherheit an diesen Unfallschwerpunkten verstärkt thematisiert. Weiterhin beteiligt sich die DB AG an der Überarbeitung von Fahrschulunterlagen und kooperiert in diesem Zusammenhang mit dem DVR und dem Fahrschullehrerverband [Schw05, S. 13].
Des weiteren steigert die DB AG die Präsenz eigener Sicherheitskräfte auf Bahnhöfen und in Zügen. Mittels Sicherheitstechnik, insbesondere in Form von Videoüberwachung, soll die Sicherheit an Bahnhöfen erhöht werden. Das BMDV stellt der DB AG dafür bis Ende 2024 Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro zur Verfügung, während die DB AG in diesem Zeitraum selbst 12,5 Millionen Euro investieren möchte. Durch diese Investitionen sollen bis Ende 2024 nahezu alle größeren Bahnhöfe mit moderner Videotechnik ausgestattet werden. Zusätzlich wurde im Jahr 2019 die Einrichtung einer Arbeitsgruppe "Technische Sicherheit" beschlossen, an der sich, neben dem BMDV und dem BMI unter anderem auch die DB AG beteiligt. Die Arbeitsgruppe testet im Rahmen von Pilotprojekten an einzelnen Bahnhöfen die Wirksamkeit neuer Sicherheitsmaßnahmen wie die Schraffur der Fläche zwischen Sicherheitslinie und Bahnsteigkante. [BMDV19a]
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Betriebssicherheit im Schienenverkehr (Stand des Wissens: 04.04.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?60738
Literatur
[Bieg02] Bieger, Klaus-Jürgen Gefahrenabwehr bei der Deutschen Bahn AG, veröffentlicht in Deine Bahn, Eisenbahn-Fachverlag GmbH Redaktion "Deine Bahn" Postfach 2330 55013 Mainz, 2002/06
[BMDV19a] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit auf Bahnhöfen, 2019/09/18
[DBAG03p] Kruse, Klaus Brand- und Katastrophenschutz in Eisenbahntunneln, Frankfurt, 2003/08
[DBAG09b] Bieger, Klaus-Jürgen Sicherheitskonzepte für Eisenbahntunnel, 2009/06/09
[Figo09] Figoluschka, Martin Formalismus oder wirksame Verbesserung der Betriebsabläufe?, veröffentlicht in Eisenbahningenieur, DVV Media Group GmbH / Hamburg , 2009/10, ISBN/ISSN 0013-2810
[FrNe06] o.A. Sicherheit groß geschrieben, veröffentlicht in FreightNews, Ausgabe/Auflage 03, 2006
[Krus00] Kruse, Klaus Brand- und Katastrophenschutz in Eisenbahntunneln, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 9, 10, 11, Eisenbahn-Fachverlag GmbH Postfach 2330 55013 Mainz, 2000
[Krus02a] Kruse, Klaus Brand- und Katastrophenschutz in Eisenbahntunneln, Ausgabe/Auflage Version 2.1, Frankfurt, 2002/02
[KüMü08] Küpper, Johannes , Mühleck, Karl-Heinz Betriebssicherheit heute und morgen: Das Sicherheitsprogramm der DB Fernverkehr AG, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 02/2008, Bahn Fachverlag GmbH, Berlin, 2008/02, ISBN/ISSN 0948-7263
[MüKü08] Mühleck, Karl-Heinz, Küpper, Johannes Die Europäische Sicherheitsrichtlinie - Umsetzung in nationales Recht und Bedeutung für die DB Fernverkehr AG, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 05/2008, Eisenbahn-Fachverlag GmbH / Mainz , 2008/05, ISBN/ISSN 0948-7263
[Schä09] Schäfer, Werner Das Sicherheitsprogramm 2008 der DB AG, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 05/2009, Bahn Fachverlag GmbH, Berlin, 2009/05, ISBN/ISSN 0948-7263
[Schr09] Schröder, Fritz Die EU-Sicherheitsrichtlinie und ihre nationale Umsetzung, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 05/2009, Eisenbahn-Fachverlag GmbH / Mainz, 2009, ISBN/ISSN 0948-7263
[Schw05] Schwarz, Detlev Sicher drüber, veröffentlicht in Bus & Bahn, Ausgabe/Auflage 03, Alba Fachverlag, 2005, ISBN/ISSN 0341-5228
[Vogt04] Vogt, Konrad Das Notfallmanagement der Bahn, veröffentlicht in Deutsche Verkehrs-Zeitung, Ausgabe/Auflage 21, Deutscher Verkehrs-Verlag , 2004/02/21
Rechtsvorschriften
[2004/49/EG] Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit
[AEG] Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)
[EBA08] Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an den Bau und den Betrieb von Eisenbahntunneln
Glossar
ADAC = Allgemeine Deutsche Automobil Club e. V.. Der ADAC nimmt für sich in Anspruch, die Interessen deutscher Auto-, Motorrad- und Bootfahrer zu vertreten. Er bietet - direkt oder über Tochterfirmen - Dienstleistungen an und produziert Stadtpläne sowie Straßenkarten. Außerdem betreibt er mehrere Fahrsicherheitszentren. Die ursprüngliche und bekannteste Dienstleistung des Clubs ist die Pannenhilfe.
Eisenbahn-Bundesamt Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) ist Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für die Eisenbahnen des Bundes und Eisenbahnunternehmen mit Sitz im Ausland für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es nimmt darüber hinaus die Landeseisenbahnaufsicht über die nichtbundeseigenen Eisenbahnen auf Weisung und Rechnung von 13 Bundesländern für diese wahr.
Allgemeines Eisenbahngesetz
Das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) regelt eine Vielzahl von Einzelheiten des öffentlichen Eisenbahnverkehrs und gilt für Eisenbahnen, nicht jedoch für Magnetschwebebahnen, Straßenbahnen und die nach ihrer Bau- oder Betriebsweise ähnlichen Bahnen (zum Beispiel Bergbahnen).
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?67246

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 10:25:34