Brandschutzanforderungen an Schienenfahrzeuge und Fahrwege
Erstellt am: 28.11.2003 | Stand des Wissens: 11.04.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Ausgelöst durch schwere Unglücke wie den Brand der Standseilbahn in Kaprun, den Schlafwagenbrand bei Nancy sowie die Brandkatastrophen in den Alpenstraßentunneln (Tauern-, Mont Blanc Tunnel) rückte in den letzten Jahren der Brandschutz im Schienenverkehr wieder stärker in das öffentliche Bewusstsein. Auch durch den steigenden Umfang an unterirdisch verlaufenden Streckenkilometern des Eisenbahnnetzes ist das mit Bränden verbundene Katastrophenpotenzial gewachsen [Grup03, S.152]. Dies hat dazu geführt, dass sowohl Betreiber und Hersteller von Schienenfahrzeugen als auch Bauaufsichtsbehörden sich verstärkt mit Brandschutzkonzepten auseinandersetzen [EBA23; Möhl13].
Prinzipiell ist festzustellen, dass aufgrund der stetigen Weiterentwicklung der anerkannten Regeln der Technik ein hoher brandschutztechnischer Standard bei neuen und in den letzten 20 Jahren modernisierten Schienenfahrzeugen sowie im zunehmenden Maße auch bei der Infrastruktur, wie beispielsweise Tunneln, besteht.
So verzeichnet die European Railway Ageny (ERA) seit dem Jahr 2008 insgesamt einen Rückgang der Eisenbahnunfälle mit Fahrzeugbränden auf nahezu null Schadensereignisse pro Jahr. Somit haben Brandereignisse, mit einem Anteil von rund einem Prozent, auch den kleinsten Anteil an den schweren Unfällen im europäischen Eisenbahnverkehr [ERA14, S. 9, 16 u. 48]. In der Bundesrepublik Deutschland ereigneten sich in den letzten Jahren durchschnittlich rund 60 gefährliche Ereignisse (Unfälle und Störungen) in Verbindung mit einem Fahrzeugbrand. Darunter war im Schnitt aber lediglich ein schwerer Unfall der Kategorie A, bei der die Durchführung einer Unfalluntersuchung durch die Eisenbahnunfalluntersuchungsstelle notwendig war (Triebfahrzeugbrand, BR 114, Ostbahnhof Berlin). [EUB11, S. 7; EUB12, S. 11 u. 21; EUB13, S. 10; EUB14, S. 10]
Gesetzliche Regelungen
Die DIN 5510 "Vorbeugender Brandschutz in Schienenfahrzeugen" wurde im August 2013 von der [DIN EN 45545] abgelöst. Zusätzlich sind derzeit in Deutschland die Bestimmungen der [DIN EN 50553] "Bahnanwendungen Anforderungen an die Fahrfähigkeit im Brandfall an Bord von Fahrzeugen" sicherheits- und zulassungsrelevant. Es wurde eine europäische TSI-Norm entwickelt, die die nationalen Normen harmonisieren soll. Auf die beiden vorgenannten DIN-Normen wird darin Bezug genommen. [Klin12, S. 297;].
Sie soll einheitliche Bedingungen hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen schaffen und auf diese Weise eine Fahrzeugzulassung in Europa vereinfachen [Germ13].
Von der Harmonisierung sämtlicher nationaler Regelungen durch eine europäische Brandschutznorm wird sich erhofft, die Durchführung grenzüberschreitender Verkehrsangebote wesentlich erleichtern zu können. Bereits seit Juli 2008 sind die Zulassungsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, auch ausländische Brandschutznachweise anzuerkennen [Wald08, S. 24; Klin12].
In den technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) der Europäischen Kommission sind bereits einige Anforderungen an den Brandschutz bei international verkehrenden Hochgeschwindigkeitsschienenfahrzeugen festgesetzt worden. Danach muss unter anderem das Rollmaterial der Brandschutzkategorie B, welche zum Befahren von mehr als 5 km langen Tunneln erforderlich ist, bei einem Brand an Bord noch 15 Minuten betriebstüchtig bleiben, um in der Lage zu sein, auch längere unterirdische Streckenabschnitte vor einer Evakuation des Zuges sicher verlassen zu können. Darüber hinaus sind entsprechende Fahrzeuge mit Trenn- und Brandschutzwänden auszustatten, die eine Feuerbeständigkeit von mindestens 15 Minuten besitzen. [2008/232/EG]
Im April 2011 fanden betreffende Brandschutzanforderungen zudem Eingang in die Technische Spezifikation für die Interoperabilität des Fahrzeug-Teilsystems "Lokomotiven und Personenwagen" des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems [2011/291/EU]. Entsprechend Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 1302/2014 wurde diese zum 15. Januar 2015 aufgehoben, gilt in bestimmten Fällen aber weiterhin. In der VO (EU) 1302/2014 findet die [DIN EN 45545] sowie die [DIN EN 50553] nach Abschnitt 7.1.1.5. respektive 4.2.10.4.4. weiterhin Anwendung [VO (EU) 1302/2014].