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Kooperationen im Carsharing

Erstellt am: 03.11.2003 | Stand des Wissens: 12.01.2022
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Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Carsharing war in seiner "Gründerzeit" sehr stark von lokalen Carsharing-Organisationen (CSO) geprägt. Anschließend einsetzende stadtübergreifende Kooperationen beziehungsweise Fusionen von Carsharing-Anbietern veränderten den Carsharing-Markt grundlegend.

Der erste Schritt war im Jahr 1998 die Zusammenführung zweier Vorgängerverbände (boa und ecs) zum Bundesverband CarSharing e.V. (bcs). Der Verband will den Pkw-Bestand im Verkehr reduzieren und dadurch die Umweltverschmutzung verringern. Außerdem soll Carsharing mit dem öffentlichen Nahverkehr verknüpft werden [bcs12c; bcs16e].

Ein weiterer Schritt war die Gründung städteübergreifender, betrieblicher Kooperationen, unter anderem durch die Betreiber stadtmobil und cambio. Stadtmobil etablierte sich im Jahr 1992 und kooperiert heute mit fast allen Anbietern, die im Bundesverband CarSharing e.V. vertreten sind [StCs18]. Cambio wurde im Jahr 2000 von den Carsharing-Unternehmen "StadtteilAuto Aachen", "StadtAuto Bremen" und "StattAutoKöln" [camb18] gegründet.

Mit dem Eintreten der DB Connect (Flinkster), welche im Dezember 2001 als DB Rent in den Carsharing-Markt eingetreten war, begann ein neuer Zeitabschnitt stadtübergreifender Angebote. Mit der Deutschen Bahn AG betrat erstmals ein Großkonzern den deutschen Carsharing-Markt. Seit Januar 2004 steht das Angebot der Nutzung von DB-CarSharing nicht mehr nur BahnCard-Kunden offen, sondern allen Interessenten. Heutzutage bietet Flinkster deutschlandweit in über 400 Städten mehr als 4500 Fahrzeuge an. Das Unternehmen bietet auch Carsharing in Österreich und in Italien an [DBAG21]. Das operative Fahrzeuggeschäft verbleibt in den Händen der örtlichen Anbieter.
Fahrzeug- und Mietwagenanbieter wie beispielsweise BMW Group und Daimler haben sich zu Share Now zusammengeschlossen. Share Now ist Europas führender free-floating Carsharing-Anbieter und mittlerweile in acht Ländern in 16 Städten europaweit vertreten [ShNo21].
Weitere größere Carsharing-Anbieter sind book-n-drive, teilAuto und Greenwheels. Seit Mai 2000 besteht das Carsharing-Unternehmen book-n-drive und verteilt sich über das Rhein-Main-Gebiet mit einer Flotte von 1109 Fahrzeugen. Seit 2012 beteiligen sich Mainova AG (ein Energieversorger) und ABG Frankfurt Holding (eine Wohnungsbaugesellschaft) mit je 33 Prozent an book-n-drive. Durch die Frankfurter Unternehmen sollen Energie, Wohnraum und Mobilität künftig mehr miteinander agieren [book18; book15a]. Auch ist book-n-drive Partner im deutschlandweiten Netz von Flinkster TeilAuto entstand ebenfalls im Jahr 2000 und kümmert sich vorrangig um das Carsharing in Mitteldeutschland. Heutzutage nutzen 54.000 Mitglieder rund 1350 Fahrzeuge in 21 Standorten [teil18]. Greenwheels ist eine Marke des größten niederländischen Carsharing-Anbieters Collect Car B.V., die in Deutschland 2004 mit der Übernahme von Stattauto Hamburg und Berlin startete [Wilk04]. Im Jahr 2015 übernahmen Volkswagen Financial Services und Pon Holdings die Beteiligung an Greenwheels, um das Konzept weiter auszubreiten [Gree21]. Deutschlandweit stellt Greenwheels mehr als 400 Fahrzeuge an über 400 Stationen bereit.
Neben diesen Kooperationen gibt es verstärkt Kooperationen von CSO und Verkehrsunternehmen, welche sich zu einer intermodalen "End-to-End-Mobilität" ergänzen [Rid18]. Diese beziehen sich unter anderem auf vergünstigte Tarife, gemeinsame Kundenansprache und Kombinationsangebote. So soll ein gegenseitiges Mobilitätsangebot erschaffen werden - Carsharing als Ergänzung zum ÖPNV. Durch die Kooperation mit Carsharing-Unternehmen verstärkt der ÖPNV seine Bindung zu den Kunden [Loos12]. Außerdem wird die Wahrscheinlichkeit auf Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs verringert. Die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) und teilAuto bieten beispielsweise das MOBIcar mit über 300 Fahrzeugen über 200 Carsharing-Stationen im Stadtgebiet an. Die DVB-Abonnenten profitieren als Stammkunden und sind dabei von der Kaution, dem Startpreis und der monatlichen Grundgebühr befreit. Dies gilt für alle teilAutos in Mitteldeutschland [DrVe21]. 

Es gibt unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit zwischen CSO und Kommunen. Zum einen haben die Kommunen politische Beschlüsse umgesetzt (zum Beispiel Ausweisung von gesonderten Stellplätzen, Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für Elektroautos), zum anderen können die Kommunen durch Nutzung von Carsharing ihren Fuhrpark verkleinern und dadurch Kosten einsparen [Rid18].
Ein großes Potenzial an neuen Kooperationen wird bei der Anwerbung von gewerblichen Kunden (zum Beispiel Unternehmen, Organisationen und Vereine) gesehen, die ihre Dienstwagenflotte durch Nutzung von Carsharing verringern können. Für gewerbliche Kunden eignet sich das stationsbasierte Carsharing mehr, da im Voraus das Fahrzeug reserviert werden kann und das Konzept in mehr Städten verfügbar ist. Einige Carsharing-Unternehmen bieten auch Corporate Carsharing an. Die Fahrzeuge gehören fest zur Flotte des jeweiligen Betriebs und werden durch das Betriebssystem des Carsharing-Anbieters gemanagt. Dabei kann der Betrieb als Eigentümer der Fahrzeuge selbst entscheiden, welche Funktionen vom Carsharing-Anbieter übernommen werden  [Rid18; Bvcs17].

Ein erfolgversprechender Ansatz könnte die Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft sein. Dabei ist die Stellplatzbereitstellung, die Schaffung von Carsharing-Sonderangeboten für Bewohner einer Wohnanlage und die Entlastung des Wohnungsumfeldes Gegenstand der Kooperation [VCD18; bcs15a; Rid18].  Durch Einbezug von Carsharing in der Genehmigungsphase von Wohnungsbauprojekten kann auf einige Stellplätze womöglich verzichtet werden, was den Bau der Wohnanlage vergünstigt und/oder eine Alternativnutzung des gewonnenen Raumes ermöglicht.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Carsharing (Stand des Wissens: 20.02.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?56435
Literatur
[bcs12c] bcs - Bundesverband CarSharing e.V. (Hrsg.) Der Bundesverband CarSharing stellt sich vor, 2012
[bcs15a] bcs - Bundesverband CarSharing e.V. (Hrsg.) Carsharing und Wohnen eine echte Win-win-Situation, 2015/01/29
[bcs16e] bcs - Bundesverband CarSharing e.V. (Hrsg.) Geschichte [des Carsharings], 2016
[book15a] Book-n-Drive (Hrsg.) 15 Jahre book-n-drive, 2015/07/14
[book18] book-n-drive (Hrsg.) Unternehmen [book-n-drive], 2018/05
[Bvcs17] bcs - Bundesverband CarSharing e.V. (Hrsg.) CarSharing für gewerbliche Kunden, 2017/03
[camb18] Cambio (Hrsg.) Unternehmensentwicklung [cambio], 2018
[cars18b] carsharing-news.de (Hrsg.) Carsharing Anbieter, 2018/07/1
[Daim18] Daimler AG - RESEARCH AND TECHNOLOGY (Hrsg.) Einsteigen und losfahren. Free-floating Carsharing mit car2go, 2018
[DBCO21] Deutsche Bahn AG Konzern, Deutsche Bahn Connect (Hrsg.) Flinkster, 2021
[DBFl17] Flinkster Carsharing (Hrsg.) Flinkster - Einfach losfahren., 2017/03/17
[drive18] DriveNow (Hrsg.) Das Unternehmen DriveNow, 2018
[DrVe21] Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB AG) (Hrsg.) Ergänzt den ÖPNV optimal:
Carsharing mit MOBIcar, 2021
[Gree21] Greenwheels GmbH (Hrsg.) Das ideale Auto, 2021
[Loos12] Loose, W., Glotz-Richter, M. Carsharing und ÖPNV. Entlastungspotenziale durch
vernetzte Angebote
, ksv / Köln, 2012, ISBN/ISSN 9783940685186; 3940685186
[Plat16] Plate, D. Greenwheels übernimmt Quicar, veröffentlicht in Autohaus, Ausgabe/Auflage Heft 03/16, 2016
[Rid18] Herdtle, Carolin, Parzinger, Gerhard , Grausam, Michael , Müller, Ulrich, Rid, Wolfgang Carsharing in Deutschland. Potenziale und Herausforderungen, Geschäftsmodelle und Elektromobilität., Ausgabe/Auflage 1. Auflage, Wiesbaden: Springer Vieweg , 2018, ISBN/ISSN 978-3-658-15905-4
[ShNo21] Share Now (Hrsg.) SHARE NOW trotzt der Pandemie mit gutem Geschäftsjahr 2020, 2021/01/14
[StCs18] Stadtmobil Carsharing (Hrsg.) Carsharing mit stadtmobil. Eine richtig gute Geschichte!, 2018
[teil18] teilAuto (Hrsg.) teilAuto, Carsharing in Mitteldeutschland, 2018
[VCD18] Verkehrsclub Deutschland (VCD) e. V. (Hrsg.) Vergünstigte ÖPNV-Tickets, Carsharing und Mobilitätsstationen: Wie die Wohnungswirtschaft umweltfreundliche Mobilität fördern kann, 2018/04/12
[Wilk04] Wilke, Georg Konkurrenz belebt das Geschäft - Car-Sharing in Deutschland, veröffentlicht in Politische Ökologie, Ausgabe/Auflage Nr. 91-92, 2004
[wiwo18] WirtschaftsWoche (Hrsg.) Wohin die Fusion von Car2go und DriveNow führt, 2018/03/28
Weiterführende Literatur
[MHK04] Maertins, Christian , Hoffmann, Christian , Knie, Andreas Automobil mit der Bahn, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 1+2, 2004
[BAST04b] Loose, Willi , Mohr, Mario , Nobis, Claudia , et al. Bestandsaufnahme und Möglichkeiten der Weiterentwicklung von Car-Sharing, veröffentlicht in Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Ausgabe/Auflage Verkehrstechnik Heft V 114, Wirtschaftsverlag NW, Bergisch Gladbach, 2004/07, ISBN/ISSN 3-86509-144-X
[KrSa01] Krämer, Christine , Saretzki, Ute Das "öffentliche" Auto Kooperationen zwischen ÖPNV und CarSharing, 2001
[Krie03] Krietemeyer, Hartmut, Dr. Effekte der Kooperation von Verbund und Car-Sharing-Organisation, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 9, alba-Verlag, Düsseldorf, 2003
[Gree10] o.A. Greenwheels
[VDV04] Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Mobilitätsbaustein CarSharing - Empfehlungen zur Kooperation mit dem ÖPNV, veröffentlicht in VDV-Mitteilungen, Ausgabe/Auflage Nr. 10009, Köln, 2004/04
[CzKR04] Thomas Czech , Berne Kremer , Martin Röhrleef Mobilitätsbaustein Car-Sharing - Empfehlungen zur Kooperation mit dem ÖPNV (Artikel), veröffentlicht in Der Nahverkehr, alba-Verlag, Düsseldorf, 2004/09
[DBFl18] Deutsche Bahn AG Konzern (Hrsg.) Professionell flexibel. [DB Flinkster], 2018
[Huwe03] Huwer, Ulrike Synthese des Umweltverbundes - Kombinierte Mobilität mit ÖPNV und Car-Sharing, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 3, Kaiserslautern, 2003
Glossar
PON
Als Passive Optical Networks (PON) (deutsch: Passive optische Netze) werden Glasfasernetz verstanden, die ohne aktive Komponenten bei der Signalverteilung  auskommen Sie sind im Bereich zwischen Vermittlungsstelle und Teilnehmeranschluss für Gigabit-Glasfaseranschlüsse installiert und funktionieren als Zugangsnetze zum weltweiten Daten- und Kommunikationsnetz. GPON (Gigabit Passive Optical Network) ist eine Technologie auf Basis von passiven optischen Netzen (PON). Mit Hilfe dieser Technologie werden im Down- und Upstream Datenraten bis zu 2,5 Gigabit pro Sekunde möglich.
Mit der Entwicklung der nächsten Generation dieser Netze, den sogenannten NG-GPON (Next Generation-GPON), werden diese Datenraten nochmals deutlich gesteigert.
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?64708

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 04:00:37