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Potenziale von Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr

Erstellt am: 07.10.2003 | Stand des Wissens: 24.06.2019
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Im folgenden Bericht werden der Einfluss der Pendelstrecke sowie Potenzialabschätzungen näher betrachtet.
Einfluss der Pendelstrecke: Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr sind hauptsächlich für den Bereich mittlerer Entfernungen geeignet [Reink94, S. 105]. Bei zu kurzen Entfernungen wird für den Einzelnen der Anteil der Umwege an der Gesamtstrecke zu groß. Bei zu großen Entfernungen sind dagegen kaum noch Personen mit den gleichen Wegewünschen anzutreffen. 
Die durchschnittliche Weglänge zum Arbeitsplatz über alle Verkehrsmittel beträgt rund 16 Kilometer [NoKu18]. Laut Daten aus dem Jahr 2016 liegen circa 38 Prozent der Wege zwischen fünf und 25 Kilometern (siehe Abbildung 1) [BMVI17q]:
59669_Entfernungen der Arbeitswege_li.PNG
Abbildung 1: Verteilung der Entfernungen zum Arbeitsplatz [eigene Darstellung nach BMVI17q, S. 99]
Reinke hat, basierend auf verschiedenen Untersuchungsergebnissen, eine Ansprechbarkeitskurve für Fahrgemeinschaften in Abhängigkeit der Pendelstrecke ermittelt: Demnach beträgt die Teilnahmebereitschaft der über die Länge des Pendelweges beeinflussbaren Berufspendler bei 15 Kilometern rund 43 Prozent und erreicht ihr Maximum ab einer Länge von 30 Kilometern. Längere Pendelwege lassen keine Steigerung der Bereitschaft mehr erwarten (siehe Abbildung 2) [Reinke85].
Rein85-81.jpgAbbildung 2: Funktionsverlauf der Teilnahmebereitschaft an Fahrgemeinschaften in Abhängigkeit von der Länge des Pendelweges [Reinke85, S. 81]

Die These zur Eignung des "mittleren Entfernungsbereichs" für Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr konnte bei einer Befragung im Projekt M21 belegt werden: Mitarbeiter aus dem Nahbereich des Werkes nutzten die Alternativen Fahrrad und zu Fuß häufiger, während die Beschäftigten aus einer mittleren Entfernung signifikant häufiger als Fahrer einer Fahrgemeinschaft auftraten. Bei größeren Entfernungen wird der Pkw eher alleine genutzt [Funk06, S. 169].

Potenzialabschätzungen: Funke hat am Beispiel der Mitarbeiter des Mercedes-Benz Technologie-Centers in Sindelfingen ermittelt, dass durch betriebliche Maßnahmen zur Fahrgemeinschaftsförderung der Anteil der Mitfahrer von sechs Prozent um 4,5 Prozent-Punkte auf etwa 10,5 Prozent gesteigert werden könnte [Funk06, S. 219]. Der Anteil an Fahrgemeinschaftsteilnehmern wäre damit etwa doppelt so hoch, wie im Projekt "move" in Bremen als Zielgröße ermittelt [move98a].

Im Projekt "Strategien zur Erhöhung des Besetzungsgrades im Pkw-Verkehr" [DHHK98] wird, basierend auf einer Befragung in Stuttgart, angegeben, dass im Berufsverkehr, je nach Förderstrategie, zwischen 1,2 Prozent und 2,7 Prozent-Punkte zur Bildung von Fahrgemeinschaften motiviert werden könnten [DHHK98, S. 182].
In einer älteren Studie wurde der Anteil der potenziellen Fahrgemeinschaftsteilnehmer mit bis zu 30 Prozent deutlich höher eingeschätzt [Reink94, S. 65].

Insgesamt besteht auf diesem Feld eine sehr hohe Unsicherheit und konkrete Potenziale hängen sehr stark von den Rahmenbedingungen und Ausgangslagen ab. Verlässliche, quantitative Aussagen erscheinen daher äußerst schwierig. Einigkeit scheint darin zu bestehen, dass die Effekte von Fahrgemeinschaftssystemen ohne erhebliche Änderung der (staatlichen) Rahmenbedingungen nur relativ gering ausfallen dürften.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr (Stand des Wissens: 21.06.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?56871
Literatur
[BMVI17q] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Verkehr in Zahlen 2017/2018, Ausgabe/Auflage 46. Jahrgang, 2017, ISBN/ISSN ISBN 978-3-87154-617-4
[DHHK98] H. Dürholt , R. Hamacher , H. Hautzinger , B. Krämer , L. Neumann , Th. Pischner , B. Schaaf Strategien zur Erhöhung des Besetzungsgrades im Pkw-Verkehr, Heilbronn, 1998/06
[Funk06] Funke, Torsten Entwicklung von Verkehrsmittelwahlmodellen für komplexere Mitfahrverkehre, Stuttgart, 2006
[move98a] Schäfer-Breede, Klaus Move - Mobilitätsverbund; Service für Arbeitnehmerverkehr - Abschlussbericht, 1998/07
[NoKu18] infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft , Nobis, Claudia, Kuhnimhof, Tobias Mobilität in Deutschland - MiD Ergebnisbericht, 2019/02
[Reink94] Reinkober, Norbert, Dr. Fahrgemeinschaften und Mobilitätszentralen, veröffentlicht in Schriftenreihe f. Verkehr und Technik, Ausgabe/Auflage 1, Erich Schmidt-Verlag , 1994, ISBN/ISSN 3 503 03503 6
[Reinke85] Reinke, Volkmar Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr - Möglichkeiten und Grenzen der Förderung, Dortmund, 1985, ISBN/ISSN 3-88211-050-3
Weiterführende Literatur
[infas10] DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Verkehrsforschung, infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008) , 2010/02
[UBA20d] Heinitz, Prof. Dr. Florian Potenziale und Hemmnisse für Pkw-Fahrgemeinschaften in Deutschland, Ausgabe/Auflage Texte | 216/2020, 2020/11, ISBN/ISSN 1862-4804

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?59669

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 08:50:10