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Integraler Taktfahrplan als Mittel des Verkehrsmanagements

Erstellt am: 30.09.2003 | Stand des Wissens: 12.12.2019
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Generelles Ziel eines integralen Taktfahrplans (ITF) besteht darin, auf einem gegebenen Liniennetz die Anzahl an Verbindungen zu maximieren. Daraus soll eine Minimierung der Wartezeiten (sowohl innerhalb eines Beförderungsmittels als auch innerhalb eines Beförderungsbetriebes) resultieren und es sollen an bestimmten Schnittstellen bei minimalen Wartezeiten Übergänge auf andere Verkehrsträger ermöglicht werden. [PRO00]
Ziel ist es einen Fahrplan für das gesamte Verbundgebiet zu ermitteln, der nicht jede Linie einzeln plant, sondern die Fahrpläne aller relevanten Bahn- und Buslinien integriert und aufeinander abstimmt [Pach00a] . Insbesondere in ruralen Gebieten, die einen eher unregelmäßigen, dünnen Takt aufweisen, ist es besonders wichtig, dass die Reisezeiten, durch kurze Umsteigezeiten, möglichst geringgehalten werden
Es lassen sich nach [FGSV01] drei Varianten des ITF differenzieren:
  • Der Ideale ITF koordiniert die Taktfahrpläne von Linien zu einem abgestimmten, vertakteten Gesamtfahrplan. Eine Verknüpfung in Richtung und Gegenrichtung erfolgt in ausgewählten Taktknoten mit der Zielsetzung, die Anzahl optimaler Anschlüsse zu maximieren.
  • Im Modifizierten ITF ist die vollständige Verknüpfung des idealen ITF eingeschränkt. Dabei werden die verkehrlichen, geographischen und wirtschaftlichen Randbedingungen berücksichtigt.
  • Der ITF im erweiterten Sinne umfasst Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität im (Schienen-)Personennahverkehr, die nicht zwangsläufig mit der eigentlichen Definition des ITF abgedeckt sind.
Ziele des ITF aus Nutzersicht sind:
  • regelmäßige und häufige Beförderung,
  • durchgängiges System auf Hauptachsen,
  • vernetztes System aller Verkehrsmittel für untergeordnete Beziehungen,
  • kurze Reisezeit und hohe Pünktlichkeit,
  • möglichst wenig Umsteigevorgänge mit garantierten Übergängen ohne lange Wartezeiten,
  • eindeutige Linienwege in beiden Richtungen mit gleich guten Verbindungen sowie
  • ein einprägsames Angebot und geringer Informationsaufwand.
Die Ziele der Aufgabenträger resultieren im Wesentlichen aus den gesetzlichen Vorgaben und den finanziellen Rahmensetzungen, beinhalten aber auch Ansprüche an ein attraktives Angebot, das nicht nur die Grundversorgung mit ÖV sichert. Aus Sicht der Betreiber ist ein Angebot mit optimalem Nutzen-Kosten-Verhältnis anzustreben, das sich durch effizienten Einsatz von Personal und materiellen Ressourcen erreichen lässt. [FGSV01]
Die Realisierung eines ITF erfolgt durch Betreiber des ÖV und kann im Rahmen des Verkehrsmanagements durch seine attraktivitätssteigernde Wirkung für den ÖPNV modale Verlagerungen hervorrufen. [FGSV02]
Es bietet sich an, einen ITF stufenweise einzuführen, was bereits ohne Baumaßnahmen zu weitgehenden Verbesserungen führen kann. [PRO00]
Beispiele:
  • Der Integrale Taktfahrplan Nordrhein-Westfalen wurde 1998 nach nur zwei Jahren und einer landesweiten Studie in die Tat umgesetzt. Dieses Großprojekt, von dem 5.000 Züge betroffen waren, verringerte die durchschnittliche Reisezeit innerhalb des Landes um 5 Prozent, wobei die Zahl der Zugkilometer um 9 Prozent anstieg. Dadurch stiegen die Fahrgastzahlen teilweise deutlich an, weshalb das Konzept konsequent verbessert und weiterentwickelt wurde. [KCITF12]
  • Die 2008 von mehreren Verkehrsunternehmen, Fahrgastverbänden und SPNV-Aufgabenträgern gegründete Initative "Deutschland-Takt" hat einen deutschlandweiten, integralen Taktfahrplan für den Regionalverkehr zum Ziel. Im Auftrag des Bundes wurde eine Machbarkeitsstudie erstellt, deren Ergebnisse seit Oktober 2014 in vier möglichen Szenarien durch die TU Braunschweig bewertet werden. [DtTa]
  • Beim Bau und der Umsetzung des Rhein-Ruhr-Express (RRX), einer Schnellbahn, wird das Konzept des landesweiten ITF Nordrhein-Westfalens fortgeführt. Existierende Verbindungen auf Strecken wie nach Aachen werden beibehalten und gleichzeitig der neue RRX eingebunden. Dies geschieht durch eine fahrplantechnische Abstimmung und unter Berücksichtigung regionaler Wünsche um eine reibungslose Umsetzung des Projektes zu garantieren. [RRX12]
  • Mit dem Deutschland-Takt sollen laut Zielfahrplan 2030 alle in Deutschland fahrenden Fernzüge aufeinander abgestimmt werden. [BMVI118]
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Literatur
[BMVI118] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Zielfahrplan Deutschland-Takt Vorstellung des ersten Gutachterentwurfs im Rahmen des Zukunftsbündnisses Schiene, 2018/10/09
[DtTa] Deutschland-Takt(Initiative) (Hrsg.) Deutschland-Takt, 2012/11
[FGSV01] Arbeitsgruppe Verkehrsplanung der FGSV Merkblatt zum Integralen Taktfahrplan, FGSV-Verlag GmbH Köln, 2001
[FGSV02] FGSV-Arbeitsausschuss 1.1 "Grundsatzfragen der Verkehrsplanung", FGSV-Arbeitsausschuss 1.7 "Sonderfragen des Stadtverkehrs" Verkehrsmanagement - Einsatzbereiche und Einsatzgrenzen [FGSV-Arbeitspapier Nr. 56], veröffentlicht in FGSV-Arbeitspapiere, Ausgabe/Auflage 1. , 2002
[KCITF12] Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan NRW (KC ITF NRW) (Hrsg.) Integraler Taktfahrplan Nordrhein-Westfahlen, 2012
[Pach00a] Pachl, Jörg Integraler Taktfahrplan, veröffentlicht in Systemtechnik des Schienenverkehrs, Vieweg+Teubner Verlag, 2000, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-322-96776-3_7, ISBN/ISSN 978-3-519-16383-1
[PRO00] Dipl. Geophys. Holger Busch, Dr. rer. nat. Hartmut Buyken, Dipl. Volkswirt Joachim Kemnitz Der letzte Fahrplanwechsel - PRO BAHN Konzept für einen bundesweiten Integralen Taktfahrplan mit schnellem Fernverkehr, 2000
[RRX12] Ministerium für Bauen und Verkehr (Hrsg.) Rhein-Ruhr-Express (RRX), 2012
Glossar
ITF Integraler Taktfahrplan Nach dem Merkblatt zum Integralen Taktfahrplan lassen sich drei verschiedene Formen des ITF unterscheiden: Der Begriff des idealen ITF umfasst die Koordination der Taktfahrpläne von Linien zu einem abgestimmten, vertakteten Gesamtfahrplan, wobei eine Verknüpfung in Richtung und Gegenrichtung in ausgewählten Taktknoten mit dem Ziel erfolgt, die Anzahl optimaler Anschlüsse zu maximieren. Der modifizierte ITF schränkt die vollständige Verknüpfung entsprechend des idealen ITF ein und berücksichtigt dabei die verkehrlichen, geographischen und wirtschaftlichen Randbedingungen. Der ITF im erweiterten Sinne umfasst Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität im (Schienen-)Personennahverkehr, die nicht zwangsläufig mit der eigentlichen Definition des ITF abgedeckt sind.
Aufgabenträger
Aufgabenträger bestellen bei den Verkehrsunternehmen die im Rahmen der Daseinsvorsorge gewünschten Nahverkehrsleistungen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Im SPNV sind seit Bahnreform und ÖPNV-Regionalisierung im Jahr 1995/96 anstelle des Bundes die Länder für die Planung, Organisierung und Finanzierung verantwortlich. In einigen Ländern sind die Aufgabenträger für das gesamte Land zuständig, wie in Bayern, in anderen betreuen sie regional abgegrenzte Gebiete, wie in Nordrhein-Westfalen. Teilweise wird die Aufgabenträgerschaft den Verkehrsverbünden zugewiesen, wie in Hessen.
Die Aufgabenträgerfunktion für den straßengebundenen ÖPNV ist den Landkreisen oder kreisfreien Städten zugeordnet.
Deutschland-Takt Der Deutschland-Takt ist ein Ansatz zur netzweiten Optimierung des Schienenpersonenverkehrs in Deutschland. Den Kernpunkt bildet hierbei die Einführung eines Integralen Taktfahrplans (ITF), die notwendigerweise mit koordinierten Infrastrukturverbesserungen verbunden ist. Das Ziel soll eine Steigerung der Fahrgastzahlen durch ein attraktiveres, vertaktetes und gut verknüpftes Verkehrsangebot sowohl im Schienenpersonenfernverkehr als auch Schienenpersonennahverkehr sein.
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Szenarien Ein Szenario ist ein Bild der Zukunft, das sich aus einer bestimmten Kombination von relevanten Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen entwickelt. Das grundsätzliche Anliegen von Szenarien besteht darin, verschiedene Handlungsoptionen zu verdeutlichen und ihre Folgewirkungen transparent zu machen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?58479

Gedruckt am Sonntag, 10. Dezember 2023 23:52:03