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Probleme von Fahrradabstellanlagen an Haltestellen des ÖPNV

Erstellt am: 25.09.2003 | Stand des Wissens: 19.05.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

In den letzten Jahren haben die Kommunen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Fahrradparken an Haltestellen (Bike and Ride) und an öffentlichen Gebäuden, einige Anstrengungen unternommen, um die Qualität und Quantität an Fahrradabstellanlagen zu erhöhen. Dennoch ist die noch zu oft fehlende Möglichkeit, Fahrräder leicht zugänglich und diebstahlsicher abzustellen, für viele Menschen ein Grund, auf die Nutzung des Fahrrades zu verzichten.
Die Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des Fahrraddiebstahls in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 2011 bis 2019. Nach einem deutlichen Anstieg auf fast 340.000 erfasste Diebstähle im Jahr 2014 folgte ein Rückgang auf knapp 278.000 erfasste Fälle im Jahr 2019. Im Jahr 1994 lag diese Zahl noch bei fast 530.000. Allerdings ist von einer sehr großen Dunkelziffer auszugehen, das heißt die tatsächliche Anzahl der Fahrraddiebstähle ist um ein Vielfaches höher.
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Abbildung 1: Anzahl und Aufklärungsquote erfasster Fahrraddiebstähle von 2011 bis 2019 [BKRA20, S. 81]
Die Aufklärungsquote liegt über viele Jahre bundesweit nahezu kontinuierlich im Bereich von 10 Prozent aller gemeldeten Fahrraddiebstähle.

Bei der Häufigkeit von Fahrraddiebstählen gibt es große stadt- und bundeslandspezifische Unterschiede: Diese Statistik wurde im Jahr 2020 angeführt von Leipzig mit 1539 Fahrraddiebstählen je 100.000 Einwohner. Demgegenüber weist Lübeck eine Quote von lediglich 606 Diebstählen je 100.000 Einwohnern aus [Sta21].

Auch zwischen den Bundesländern fällt die Diebstahlhäufigkeit bei Fahrrädern unterschiedlich aus [Sta18].

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen berichtet für das Jahr 2019, dass rund 70 Prozent der Tatverdächtigen das 18. Lebensjahr vollendet hatten und es sich bei rund 93 Prozent der Tatverdächtigen um männliche Personen handelte [LKANRW19].
Dass Fahrraddiebstahl kein Bagatelldelikt darstellt sondern längst eine gesellschaftliche Dimension erreicht hat, zeigen auch die Ausgaben der Versicherer: Im Jahr 2019 belief sich die Summe der Entschädigungen der Hausratversicherer in Verbindung mit Fahrraddiebstahl auf einen Wert von 110 Millionen Euro. Obwohl die Diebstähle im Vergleich zum Vorjahr um 5 Prozent zurückgingen, blieb der versicherte Schaden weiterhin auf Vorjahresniveau, da zunehmend teurere Räder geklaut werden [GDV20].

Es ist daher folgerichtig, dass die Bemühungen um diebstahlsichere und gleichzeitig attraktive Fahrradabstellanlagen in den letzten Jahren verstärkt wurden.

Für ein größeres Engagement im Diebstahlschutz sprechen zum Beispiel die Ergebnisse einer Befragung [BMV97f] unter Nutzern von Bike-and-Ride-Anlagen, wonach sich 40 Prozent bis 50 Prozent aller Nutzer für ein bewachtes Fahrradparken an ihrer Haltestelle ausgesprochen haben. Dabei wurde zudem ermittelt, dass zum Teil die Inanspruchnahme von Bike and Ride von der Existenz einer bewachten Fahrradparkanlage abhängig gemacht wird [BMV97f].

Die Anforderungen an stationäre Fahrradparksysteme sind seit Mai 2016 auch in einer DIN Norm 79008-1 formuliert [DIN06].
Für eine hohe Akzeptanz von Fahrradabstellanlagen ist einerseits eine gute Lage und andererseits eine gute Ausstattung und Gestaltung der Anlage wichtig. Schlecht gelegen ist die Anlage, wenn sie sich nicht in direkter Zielnähe befindet oder nicht gut an bestehende Radwege angebunden ist [VDV12a]. Zudem ist es hinsichtlich der Diebstahl- beziehungsweise Vandalismusgefahr ungünstig, wenn die Abstellanlage abseits und schlecht einsehbar gelegen ist und es kaum Passanten gibt. Zu einer schlechten Ausstattung der Anlage zählen fehlender Witterungsschutz, fehlende Beleuchtung, eine zu geringe Anzahl an Stellplätzen und schlechter Bedienkomfort (Abstellen des Fahrrades umständlich, zu enge Anordnung, et cetera). Schlecht geeignet sind Abstellanlagen, die nicht für alle Laufradtypen, Reifenbreiten und Rahmen nutzbar sind, Felgen und Speichen beschädigen können oder nicht die Möglichkeit bieten, den Rahmen und mindestens ein Laufrad anzuschließen [Jürß09].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Probleme des Nichtmotorisierten Verkehrs (Stand des Wissens: 19.05.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?493252
Literatur
[BKRA20] Bundeskriminalamt (Hrsg.) PKS 2019 Jahr­buch (Polizeiliche Kriminalstatistik), Ausgabe/Auflage 67. Ausgabe, 2020/06
[BMV97f] Fromberg, Andrea, Hoevel, Rene, et al. Fahrrad und ÖPNV / Bike & Ride - Empfehlungen zur Attraktivitätssteigerung des Fahrradeinsatzes für Zu- und Abbringerfahrten sowie Fahrradmitnahme im ÖPNV, veröffentlicht in direkt, Ausgabe/Auflage 50, Fach Media Service Verlagsgesellschaft (FMS) mbH / Bonn, 1997/01, ISBN/ISSN 3-926181-30-3
[Jürß09] Jürß, M. Evaluierung von Bike & Ride- Anlagen in Dresden und Empfehlung von Ausstattungsstandarts, Dresden, 2009
[LKANRW19] Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen 2019, 2019
[Sta18] Statista GmbH, Hamburg (Hrsg.) Anzahl der Fahrraddiebstähle je 100.000 Einwohner in deutschen Bundesländern im Jahr 2018, 2018
[Sta21] Statista GmbH, Hamburg (Hrsg.) Ranking der Großstädte in Deutschland mit den meisten Fahrraddiebstählen je 100.000 Einwohner im Jahr 2020 , 2021
[VDV12a] Fink, B., Haller, M., Schildhauer, M. Fahrrad und ÖPNV besser verbinden, veröffentlicht in Der Nahverkehr - Öffentlicher Personenverkehr in Stadt und Region, Ausgabe/Auflage 30. Jahrgang, 9/2012, Alba Fachverlag, 2012/09
Weiterführende Literatur
[ADFC08a] Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) Auswertung Fahrraddiebstahl - Polizeiliche Kriminalstatistik 2008 Bundesrepublik Deutschland, 2008
[ADFC10b] Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) Auswertung Fahrraddiebstahl - Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 Bundesrepublik Deutschland, Bremen, 2010/09/07
[Brun04a] Brunner, P. , Dallago, G. , Höllwarth, E. Bedarfsermittlung für Fahrradabstellplätze, veröffentlicht in Österreichische Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift (ÖIAZ), Ausgabe/Auflage 149, Nr. 4, 2004
[ERA10] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), FGSV Verlag 2010, 2010, ISBN/ISSN 978-3-941790-63-6
[GDV20] GDV - Die Deutschen Versicherer (Hrsg.) Fahrraddiebstahl 2019: Fahr­r­ad­dieb­stahl geht zurück - Beute immer teu­rer, 2020/05/13
[BMVBS12q] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2020, Berlin, 2012/10
[DIN06] DIN 79008-1:2016-05 Stationäre Fahrradparksysteme
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?57740

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 11:25:33