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Verkehrsführung des Nichtmotorisierten Verkehrs

Erstellt am: 25.09.2003 | Stand des Wissens: 19.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Eines der größten Probleme des Nichtmotorisierten Verkehrs (NMV) stellt die fehlende Radverkehrsinfrastruktur dar. Hierdurch entstehen Sicherheitsdefizite, die dazu beitragen, dass viele Radfahrer von sich aus auf das Befahren gefährlicher Straßen verzichten und anderen Verkehrsmitteln den Vorrang einräumen [BTDrs14/6441].
Viele in den 2000er Jahren erbauten Radverkehrsanlagen sind sowohl durch Entwurfsdefizite als auch durch mangelnde Ausschöpfung des Entwurfsrepertoires zur Radverkehrsführung gekennzeichnet. Des Weiteren gibt es zum Beispiel im bundesweiten Radfernwegenetz (kurz D-Netz) unterschiedliche Standards der Wegequalität, der Wegweisung sowie Unterhaltung auf den verschiedenen Abschnitten. Ebenfalls als problematisch werden laut dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur [BMVBS07x] grenz- und baulastübergreifende Netze angesehen, da es unter anderem in der Finanzierung, der Organisation und der Steuerung Abweichungen gibt.
In den Jahren 1995 bis 2004 wurden von Bund, Ländern und Kreisen Investitionen von circa 1,6 Milliarden Euro für den Radwegebau getätigt, wodurch sich der Radwegebestand an klassifizierten Straßen um etwa 10.000 Kilometer erhöht hat [BMVBS07x]. Inzwischen verlaufen etwa 19.000 Kilometer Radwege an Bundesstraßen, rund 25.000 Kilometer an Landesstraßen und rund 16.000 Kilometer an Kreisstraßen [BMVBS12q, S. 22].
Allerdings verursacht nicht ausschließlich die fehlende oder lückenhafte Radverkehrsinfrastruktur Vorbehalte von Seiten der Nutzer. Als Beispiel ist die oft ungeschickt gewählte oder gar nicht vorhandene Führung von Radfahrern in Baustellenbereichen zu nennen, die nicht selten ein hohes Gefahrenpotenzial besitzt. An Baustellen ist für die Sicherheit des Radverkehrs und die Verständlichkeit der Führung in gleichem Maße Sorge zu tragen, wie dies für den Autoverkehr praktiziert wird. Dabei sollte vor allem auf die Beschilderung "Radfahrer absteigen" verzichtet werden [DAV98].
Auch die ungünstig gewählte Führung und Markierung bei der Radverkehrsführung im Allgemeinen können kritisch sein [BMVBS07x].
Auch die Verkehrsinfrastruktur für den Fußverkehr weist unter dem Aspekt der Verkehrsführung mehrere Problembereiche auf.

Im Rahmen einer Umfrage unter verschiedenen Kommunen wurde festgestellt, dass vielfach bei der Planung von Gehweganlagen noch ein Maß von 1,50 Meter bei der Breite zugrunde gelegt wird. Einschlägige Regelwerke empfehlen jedoch tendenziell deutlich größere Breiten [vgl. FGSV02c; ILS96]. In den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) wird eine Gehwegbreite von 2,50 Meter vorgeschrieben.

Das illegale und legale Abstellen von Fahrzeugen auf Gehwegen stellt das größte Konfliktpotenzial für Fußgänger dar. Andere Behinderungen wie Liefer- und Ladeverkehr werden als weniger problematisch eingestuft [ILS96]. Die zur Konfliktminderung häufig empfohlene und mit vielen positiven Erfahrungen belegte Öffentlichkeitsarbeit findet nur in Ausnahmefällen Anwendung. Die Wirkung wird von den meisten Kommunen als gering eingeschätzt [ILS96].

Problematisch wirkt sich aus, dass die Kommunen bei hohem Parkdruck häufig Gehwege als zusätzlichen Parkraum zur Verfügung stellen. Ergebnisse einer Befragung unter Kommunen in Nordrhein-Westfalen [ILS96] belegen, dass immerhin 40 Prozent der Kommunen bei hohem Parkdruck in Einzelfällen auch dann Gehwegparken zulassen, wenn die erforderliche Mindestbreite damit unterschritten wird. Demzufolge wird der Ruhende Kraftfahrzeugverkehr vielerorts noch immer höher bewertet als die Anforderungen eines sicheren und komfortableren Fußverkehrs. In diesem Zusammenhang wurde in Expertenrunden auf die Bedeutung einer "Öffentlichkeitsarbeit nach innen" hingewiesen [ILS96].

Die Praxis des Abschleppens von widerrechtlich auf Gehwegen abgestellten Kraftfahrzeugen wird seitens der Kommunen sehr uneinheitlich gehandhabt. Mehrheitlich wird von dieser Möglichkeit nur im Einzelfall Gebrauch gemacht [ILS96]. Damit hat sich die konsequente Ahndung bei weitem noch nicht durchgesetzt. Eine Ursache hierfür liegt in der nicht eindeutig gefassten Rechtslage über die Zulässigkeit des Abschleppens. Zudem liegen häufig widersprüchliche Urteile zu diesem Sachverhalt vor [ILS96].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Probleme des Nichtmotorisierten Verkehrs (Stand des Wissens: 19.05.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?493252
Literatur
[BMVBS07x] Bundesregierung Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Situation des Fahrradverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland 2007, 2007
[BMVBS12q] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Nationaler Radverkehrsplan 2020, Berlin, 2012/10
[BTDrs14/6441] o.A. Bundestagsdrucksache 14/6441, Ausgabe/Auflage 14/6441, 2001
[DAV98] Wirth, Wolfgang Radwege planen und bauen mit Asphalt, 1998/09
[FGSV02c] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Arbeitskreis 2.5.2 (Fußgängerverkehr) Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA), FGSV-Verlag, Köln, 2002
[ILS96] Bräuer, Dirk , Dittrich, Andrea , Klewe, Heinz Fußverkehr Ansätze der Konfliktverminderung auf Gehwegen, veröffentlicht in Monatsbericht des Forschungsbereichs Verkehr, Dortmund, 1996/09
Weiterführende Literatur
[ERA10] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), FGSV Verlag 2010, 2010, ISBN/ISSN 978-3-941790-63-6
[HBS01] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen, Ausgabe/Auflage FGSV-Nr. 299, Fassung 2015, FGSV Verlag GmbH, Köln, 2001, ISBN/ISSN 978-3-941790-35-3
Glossar
NMV Nichtmotorisierter Verkehr (NMV): Nichtmotorisierte Verkehrsmittel zur individuellen Nutzung wie Fahrrad und die eigenen Füße werden als Nichtmotorisierter Verkehr bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?57735

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 12:31:05