Förderung der Gesundheit durch den Nichtmotorisierten Verkehr
Erstellt am: 19.09.2003 | Stand des Wissens: 05.01.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Der Nichtmotorisierte Individualverkehr (NMIV) verfügt über ein großes Potential der gesundheitsfördernden Wirkung. Diese bezieht sich vor allem auf eine gesteigerte persönliche Fitness durch das aktive Fahrradfahren (ohne Fremdantrieb) und das Zufußgehen.
Gleichzeitig verstärken sich gesundheitsfördernde Effekte infolge der Vermeidung von Fahrten des Motorisierten Individualverkehrs, die wiederum zu einer reduzierten Umweltbelastung durch weniger Lärm, Feinstaub und andere Emissionen führt [BMVBS12q]. Dies hat unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung, denn die Verbesserung der Atemluft sowie die Lärmreduktion wirken positiv auf den menschlichen Organismus. Das Wohlbefinden wird gesteigert und es kann der Erkrankung der Atemwege und des Herz-Kreislaufsystems vorgebeugt werden [BMVBW02c; BMVBS12q, S. 12].
Die individuelle gesundheitsfördernde Wirkung des Zufußgehens und des Radfahrens ist unmittelbar mit der körperlichen Bewegung verbunden. Bereits ab der ersten Sekunde beim Gehen beziehungsweise Radfahren wird der Stoffwechsel angeregt, Energie verbrannt sowie die Durchblutung des gesamten Körpers gesteigert. Dies führt dazu, dass das Immunsystem gestärkt und Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes, Gicht oder erhöhten Blutfettwerten vorgebeugt wird. Auch die Konzentrations- und Lernfähigkeit können gesteigert werden [Reut11; BMVBS12q, S. 12].
Regelmäßige Bewegung, das heißt mindestens eine halbe Stunde an den meisten Tagen der Woche, reduziert nachweisbar das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Um Krankheiten auf diesem Sektor vorzubeugen, sind Ausdauersportarten wie Radfahren und Joggen am besten geeignet. Insbesondere bei älteren Menschen wirken sich häufiges Radfahren und Spazieren gehen günstig auf den Blutdruck, den Puls und das Körpergewicht aus [BMVBW02c; BMVBS12q].
Durch einen Praxistest der Sporthochschule Köln konnte nachgewiesen werden, dass allein 2,4 Kilometer tägliches Zufußgehen die Gesamtcholesterinwerte deutlich verbessert. Weiterhin kann durch zusätzliche zwei Stunden moderate Bewegung in der Woche wie beispielsweise Spazierengehen oder Radfahren das Herzinfarktrisiko um ein Viertel gesenkt werden [Reut11]. Aktives Training der Beinmuskulatur wirkt positiv auf die Gelenkstabilisierung, wodurch Arthritis und Arthrose in Hüft-, Knie- und Fußgelenken vorgebeugt wird [BMVBW98h]. Die Bewegung im Freien aktiviert die Hormonausschüttung und die Vitaminproduktion im Körper, sodass bereits nach rund 30 Minuten die Glückshormone Endorphin und Serotonin ausgeschüttet und das subjektive Wohlbefinden gesteigert und Stress abgebaut werden [Reut11, BMVBW98h].
Für die jüngere Generation sind immer häufiger lange Aufenthaltszeiten in Innenräumen, körperlich passives Freizeitverhalten und ungünstige Ernährungsgewohnheiten charakteristisch. Insbesondere die Kinder benötigen für eine gesunde körperliche und seelische Entwicklung entsprechende Bewegungs- und Erfahrungsräume. Radfahren ist hierbei ein wichtiger Baustein für die individuelle Mobilität von Kindern und Jugendlichen [BMVBW02c; BMVBS12q, S. 12].
Die Förderung der Gesundheit hat auch aus volkswirtschaftlicher wie betriebswirtschaftlicher Sicht positive Effekte. Einer dänischen prospektiven Mortalitätsstudie zufolge [Ander00] ruft ein durchschnittlich dreistündiges Radfahren pro Woche eine um 40 Prozent niedrigere Sterberate gegenüber denen, die nicht mit dem Rad zur Arbeit fahren, hervor. Für einen norwegischen Industriebetrieb mit 600 Beschäftigten ergab sich durch den finanziell unterstützten Umstieg von 200 Mitarbeitern auf das Rad Anfang der 90er Jahre eine Reduzierung der Krankheitskosten von circa 225.000 Euro [BMVBW98h].
Mit der Neufassung des § 20 Sozialgesetzbuch (fünftes Buch) [SGBV] im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 hat der Gesetzgeber den Krankenkassen einen erweiterten Handlungsspielraum zur Vermeidung von Krankheiten eingeräumt [BMVBW02c]. So werden von den Krankenkassen verschiedene Möglichkeiten zur Gesundheitsvorsorge angeboten und gegebenenfalls auch finanziell gefördert. Als Beispiel wurde die bundesweite Aktion "Mit dem Rad zur Arbeit" initiiert, um Firmenmitarbeiter zu motivieren, ihre Fahrt zur Arbeit mit dem Rad zurückzulegen, um den Arbeitsweg zur fitnessfördernden Alltags-Aktivität zu machen und gleichzeitig eine Reduzierung des Motorisierten Individualverkehrs zu erreichen.
Um die Zusammenarbeit zwischen der Raum- und Verkehrsplanung und der Gesundheitsförderung zu erleichtern und zu unterstützen, bietet das Projekt Aktive Mobilität & Gesundheit aus der Schweiz Unterrichtseinheiten und Informationsmaterialien zu dem Thema an. Ihr Ziel ist es, Wissen über die Zusammenhänge zwischen gebauter Umwelt und Gesundheit in einem breiten Fachkreis zu vermitteln und zu fördern, sodass gesundheitsfördernde Aspekte bei planerischen und baulichen Vorhaben vermehrt berücksichtigt werden [FUSS20a].