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Staatliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Güterverkehrssystems

Erstellt am: 17.06.2022 | Stand des Wissens: 08.08.2022
Synthesebericht gehört zu:

Durch den Staat wurden Maßnahmen ergriffen, die die Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs, welche durch Grenzkontrollen und Einfuhrbeschränkungen hervorgerufen wurden, soweit wie möglich reduzieren sollten. Ziel der Maßnahmen war es, die Kontinuität der Wirtschaftstätigkeit zu gewährleisten, die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Verkehrssektor zu schützen und ihre Freizügigkeit zu erhalten sowie gleichzeitig die Ausbreitung der Covid-19-Pandemie einzudämmen [EuRat22a].
Eine staatliche Maßnahme stellte die Ausnahmegenehmigung für Personal im Gütertransport und weiteres erforderliches Transportpersonal bei Einreise aus Drittstaaten in den Schengen-Raum dar, um Störungen dieser relevanten Reisen zu vermeiden [BReg20; EuKo22].
Im Bereich des Finanz- und Wirtschaftsministeriums wurden für bestimmte Güter zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie Anfang April des Jahres 2020 die Zoll- und Einfuhrbestimmungen erleichtert, indem Mehrwertsteuer und Eingangsabgaben, Abgaben, die beim Eintritt in die EU erhoben werden, wie Zoll, Einfuhrumsatzsteuer oder Verbrauchsteuern, entfielen [BAG20d; BAG20e; BAG22].
Zur Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung und Aufrechterhaltung der Lieferketten passte das Bundesverkehrsministerium das Fahrpersonalrecht, das Güterverkehrsrecht, das Berufskraftfahrerqualifikationsrecht und das Gefahrgutrecht mit dem Erlass vom 18. März 2020 und Anpassungen zum Monatsende sowie im April 2020 an. Damit sollte den Transporteuren eine höhere Flexibilität beim Personaleinsatz zugestanden und die Durchführung von Gütertransporten in Deutschland erleichtert werden. Im Berufskraftfahrerqualifikationsrecht wurden beispielsweise die Fristen für den Abschluss regelmäßiger Weiterbildungen oder die Gültigkeitsdauer des Fahrerqualifizierungsnachweises verlängert. Im Fahrpersonalrecht wurden die Fristen für die Nachprüfungen der Fahrtenschreiber oder im Güterkraftverkehrsrecht die Gültigkeitsdauer von Gemeinschaftslizenzen, welche für den gewerblichen grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr benötigt werden, um 10 Monate verlängert [BAG20d; BAG20e; BAG22; BAG22b].
Die Europäische Kommission forderte die Mitgliedstaaten am 23. März 2020 auf, die zu der Zeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten geltenden Straßenverkehrsbeschränkungen vorübergehend auszusetzen. Daraufhin wurden in Deutschland Ausnahmeregelungen im nationalen Straßengüterverkehrsrecht getroffen und die Sonn- und Feiertagsfahrverbote gelockert. Die generelle Ausnahmegenehmigung für den Transport von Waren aller Art endete zum 30. Juni 2021. Für die Belieferung mit Corona-Impfstoffen wurde neben der Lockerung der Sonn- und Feiertagsfahrverbote auch das Fahrverbot nach der Ferien-Reiseverordnung aufgehoben. Die Gültigkeitsdauern der Ausnahmeregelungen sind dabei von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und enden zwischen dem 31. März 2022 und dem 31. Januar 2023 [BAG22; EUK20].
Die ab dem 16. März 2020 eingeführten Grenzkontrollen führten zu kilometerlangen Lkw-Staus beispielsweise an der deutsch-polnischen Grenze [BAG21b]. Um Waren auch weiterhin frei und effizient durch die Europäische Union (EU) transportieren zu können, wurde von der EU am 23. März 2020 die Einrichtung sogenannter Green-Lane-Übergangsstellen für Lkw an den Binnengrenzen empfohlen und von Deutschland entsprechend umgesetzt. Diese sollten von den Mitgliedstaaten an relevanten Übergangsstellen innerhalb des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V- Netz) eingerichtet werden. Dadurch sollte das Grenzübertrittsverfahren minimiert und auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Der Grenzübertritt sollte einschließlich der Überprüfungen und Gesundheitskontrollen nicht länger als 15 Minuten dauern und für alle Lkw offen sein [EUK20; EuKo22].
Die in Deutschland ab April 2021 verpflichtenden negativen Corona-Tests für Lkw-Fahrende bei Einreisen aus Virusvariantengebieten bremsten die erfolgversprechende Maßnahme an einigen Übergangsstellen. Vor allem an den Grenzen zu Tschechien und Österreich hatte die Verpflichtung lange Staus und damit erhebliche zeitliche Verzögerungen zur Folge. Das Beispiel der Testpflicht zeigte, dass mit jeder neuen und veränderten Maßnahme die Möglichkeit der Störung des Güterflusses gegeben war, weshalb der Staat die Folgen der Schutz bringenden Maßnahmen vor Ergreifung genau abwägen musste [BT21].
Für die Verkehrsträger Schiene, Luft und Seeschiff wurden ebenfalls staatliche Maßnahmen ergriffen, um das Güterverkehrssystem aufrechtzuerhalten.
Im Schienengüterverkehr wurden beispielsweise die Umsetzungsfristen für die Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit und die Interoperabilitätsrichtlinie verlängert oder Entlastungsmaßnahmen bei bestimmten Infrastrukturentgelten ermöglicht [EuRat22a].
Im Luftfrachtverkehr wurden Crews von Frachtflugzeugen von der Quarantäne-Pflicht ausgenommen, damit diese nach der vorgeschriebenen Ruhezeit wieder einsatzfähig waren. Ebenso wurde auf die Nicht-Verfügbarkeitserklärungen deutscher Luftfahrtunternehmen verzichtet. Auslaufende Zulassungen von Transporteuren wurden auch ohne Vor-Ort-Kontrolle für sechs Monate verlängert [BReg20]. Zusätzlich wurden Ausnahmen vom Nachtflugverbot ermöglicht, die Slot-Nutzungsregeln angepasst und der Einsatz von Passagiermaschinen als reine Cargomaschinen genehmigt [EuKo22].
Im Seefrachtverkehr wurden die regelmäßigen Hafenstaatskontrollen, bei denen Schiffsbesichtigungen stattfinden, von unter ausländischer Flagge fahrenden Schiffen ausgesetzt. Ebenso wurde die Gültigkeit der Schiffszeugnisse und Zeugnisse von Seeleuten verlängert, um gewährleisten zu können, dass die Seeleute ihre Arbeit fortführen können [BReg20; BMDV22a].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Güterverkehrssystems (Stand des Wissens: 08.08.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?553493
Literatur
[BAG20d] Bundesamt für Güterverkehr (Hrsg.) Übersicht über die straßengüterverkehrsrechtlichen Ausnahmeregelungen aufgrund Covid-19, 2020/04/27
[BAG20e] Bundesamt für Güterverkehr (Hrsg.) Übersicht über die straßengüterverkehrsrechtlichen Ausnahmeregelungen aufgrund Covid-19, 2020/04/01
[BAG21b] Bundesamt für Güterverkehr (Hrsg.) Marktbeobachtung Güterverkehr
Auswertung der Arbeitsbedingungen in Güterverkehr und Logistik - Fahrerberufe -, 2021/11
[BAG22] Bundesamt für Güterverkehr (Hrsg.) Übersicht über die straßengüterverkehrsrechtlichen Ausnahmeregelungen aufgrund Covid-19, 2022/02/01
[BAG22b] Bundesamt für Güterverkehr (Hrsg.) Gemeinschaftslizenzen, 2022/08/05
[BMDV22a] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Hafenstaatkontrolle, 2022/08
[BReg20] Bundesregierung Güterverkehr und Logistik in Corona-Zeiten, 2020/04/14
[BT21] Deutscher Bundestag (Hrsg.) Green Lanes im Straßengüterverkehr in der aktuellen Pandemie, 2021/04/19
[EUK20] Europäische Kommission (Hrsg.) Coronavirus: Kommission gibt praktische Hinweise für Green Lanes zur Gewährleistung eines kontinuierlichen Warenverkehrs in der EU, 2020/03/23
[EuKo22] Europäische Kommission (Hrsg.) Green lanes - Ensuring the free flow of goods and services, 2022/08
[EuRat22a] Europäischer Rat, Rat der Europäischen Kommission (Hrsg.) COVID-19: Reaktion der EU auf die wirtschaftlichen Folgen, 2022/06/20
Glossar
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Trans-European Transport Network Das Trans-European Transport Network, TEN-T (dt. Transeuropäisches Verkehrsnetz, kurz TEN-V) ist ein Teilnetz der sog. Trans-European Networks, TEN (dt. Transeuropäische Netze, kurz TEN). Zu diesen zählen neben den Verkehrsnetzen bspw. auch Netzwerke der Telekommunikation oder der Energieversorgung.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Transporteur Transporteure (auch Frachtführer genannt) führen den physischen Transport aus.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?553383

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 18:58:36