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Engpässe für einen Deutschland-Takt in Knoten

Erstellt am: 29.07.2021 | Stand des Wissens: 29.07.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Ein integraler Taktfahrplan (ITF) sorgt für Belastungsspitzen in den Knoten zu den Knotenzeiten. Es müssen deshalb in den zu integrierenden Bahnhöfen eine ausreichende Anzahl an Gleisen, eine entsprechend ausgebaute Infrastruktur im Zu- und Ablauf mit ausreichenden Weichen sowie möglichst gut erreichbare Verbindungswege für die Passagiere zwischen den verschiedenen Bahnsteigen zur Verfügung stehen. In der Schweiz hat sich gezeigt, dass der Ausbau der Knoten einen hohen Anteil der Gesamtinvestitionen zur Realisierung eines ITF einnimmt. So waren für den Ausbau des Züricher Hauptbahnhofs in der ersten Etappe des Bahn 2000-Programms Gesamtinvestitionen von circa 544 Mio. Schweizer Frankennötig. [Mose04a]
Die erhöhten Anforderungen an die Knoten sind auch in vielen deutschen Bahnhöfen nicht erfüllt. So kommen etwa die für einen ITF wesentlichen Knoten Köln, Hamburg, Hannover und Stuttgart bereits im aktuellen Fahrplan an ihre Kapazitätsgrenzen. Da Ausbaumaßnahmen nicht immer in ausreichendem Maß möglich beziehungsweise wirtschaftlich sind, sind teilweise Kompromisse und Abweichungen vom idealen ITF nötig. [Hess19]
Engpässe bestehen beispielsweise im Hamburger Hauptbahnhof. Mit mehr als 800 Zügen aus dem Fern- und Nahverkehr sowie mehr als 1.200 S-Bahnen täglich sind die 14 Gleise des Bahnhofs schon heute stark ausgelastet. Mehr als 500.000 Besucher täglich führen zu deutlichen Kapazitätsengpässen an den Bahnsteigen sowie auf den Verbindungswegen für die Passagiere. [HH17a] Um einen angenäherten Knoten in Hamburg zu realisieren, sind im Bundesverkehrswegeplan 2030 zahlreiche Ausbaumaßnahmen für den Knoten im vordringlichen Bedarf eingestuft worden. Hierzu gehört etwa der Bau der Strecke S4 Ost mit separaten S-Bahn-Gleisen, die den Hauptbahnhof durch die Verschiebung von Verkehrsvolumina aus dem Regional- zum S-Bahnverkehr entlasten sollen. Diese Maßnahme umfasst Gesamtinvestitionen von circa 875,36 Millionen Euro und stellt damit die größte Maßnahme im Projekt Knoten Hamburg dar. Darüber hinaus sollen etwa eine neue Abstellanlage und die Verkürzung eingleisiger Streckenabschnitte im Zulauf zum Hauptbahnhof die Stabilität des Knotens erhöhen. Die Gesamtinvestitionen für die im Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgeführten Maßnahmen für das Projekt Knoten Hamburg belaufen sich auf ca. 1,9 Milliarden Euro. [BMVI19ay]
Einen weiteren Engpass stellt der Knoten Köln dar. Mit über 100 Millionen Fahrgästen und 440.000 Zügen im Jahr ist der Knoten Köln einer der meistfrequentierten Knoten im deutschen Schienennetz. Auch hier kommen die insgesamt 11 Bahnsteiggleise bereits an ihre Kapazitätsgrenzen. Um der durch erhöhte prognostizierte Fahrgastzahlen sowie dem Fahrplankonzept ITF zukünftig erhöhten Belastung gerecht werden zu können, ist auch der Ausbau des Knoten Köln im Bundesverkehrswegeplan als vordringlicher Bedarf eingestuft. Hierzu gehört etwa der Ausbau der S-Bahnstrecke Köln Messe Köln Hauptbahnhof Köln Hansaring. Durch moderne Leit- und Sicherungstechnik soll hier eine dichtere Zugfolge ermöglicht und so mittelfristig eine Verlagerung des Nahverkehrs auf die S-Bahn-Infrastruktur ermöglicht werden, um die Eisenbahngleise zu entlasten. Der Bau eines zusätzlichen Mittelbahnsteiges soll die Kapazitäten am Bahnhof zusätzlich erhöhen. Eine weitere Maßnahme im Knoten Köln ist der Ausbau des Streckenabschnitts Gummersbacher Straße Flughafen Köln/Bonn. Auch hier soll der langsamere Nahverkehr vom Fernverkehr getrennt werden, um die Notwendigkeit von Wartezeiten und Überholungen zu verringern. Die insgesamt 16 Maßnahmen für den Ausbau des Knotens Köln sind im Bundesverkehrswegeplan mit Projektkosten von circa 3,6 Milliarden Euro angesetzt. [BMVI19az]
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Potenziale und Herausforderungen des Deutschland-Takts im Schienenpersonenfernverkehr (Stand des Wissens: 29.07.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?538968
Literatur
[BMVI19ay] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Gesamtprojekt: K-002-V01, Knoten Hamburg, 2019
[BMVI19az] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Gesamtprojekt: K-003-V01, Knoten Köln, 2019
[Hess19] Hesse, Wolfgang Deutschland-Takt und BMVI-Zielfahrpläne: Chancen, Defizite und Lösungsvorschläge, veröffentlicht in Eisenbahn-Revue International, Ausgabe/Auflage 2019/7, 2019
[HH17a] DB Station&Service AG, Freie und Hansestadt Hamburg (Hrsg.) Zuwendungsvertrag über die Erstellung einer Machbarkeitsstudie zur Entwicklung des Hamburger Hauptbahnhofs und seines Umfelds, 2017
[Mose04a] Moser, Paul Lange Geschichte mit Happy End, veröffentlicht in Eisenbahn-Revue International, Ausgabe/Auflage 2004 / 12, 2004
Glossar
ITF Integraler Taktfahrplan Nach dem Merkblatt zum Integralen Taktfahrplan lassen sich drei verschiedene Formen des ITF unterscheiden: Der Begriff des idealen ITF umfasst die Koordination der Taktfahrpläne von Linien zu einem abgestimmten, vertakteten Gesamtfahrplan, wobei eine Verknüpfung in Richtung und Gegenrichtung in ausgewählten Taktknoten mit dem Ziel erfolgt, die Anzahl optimaler Anschlüsse zu maximieren. Der modifizierte ITF schränkt die vollständige Verknüpfung entsprechend des idealen ITF ein und berücksichtigt dabei die verkehrlichen, geographischen und wirtschaftlichen Randbedingungen. Der ITF im erweiterten Sinne umfasst Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität im (Schienen-)Personennahverkehr, die nicht zwangsläufig mit der eigentlichen Definition des ITF abgedeckt sind.
Deutschland-Takt Der Deutschland-Takt ist ein Ansatz zur netzweiten Optimierung des Schienenpersonenverkehrs in Deutschland. Den Kernpunkt bildet hierbei die Einführung eines Integralen Taktfahrplans (ITF), die notwendigerweise mit koordinierten Infrastrukturverbesserungen verbunden ist. Das Ziel soll eine Steigerung der Fahrgastzahlen durch ein attraktiveres, vertaktetes und gut verknüpftes Verkehrsangebot sowohl im Schienenpersonenfernverkehr als auch Schienenpersonennahverkehr sein.
Bundesverkehrswegeplan
Als Instrument einer mittel- bis langfristigen Investitionsrahmenplanung für den Erhalt und Ersatz bundeseigener Verkehrsinfrastruktur erfasst der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) das zwecks zielgerichteter Ausgestaltung sowie Erweiterung von Bundesfernstraßen, Bundeswasserstraßen und Schienenwegen des Bundes erforderliche Finanzierungsvolumen. Auf Basis verkehrsträgerübergreifender Prognosen findet in diesem Zusammenhang eine Priorisierung vorgesehener Neu- und Ausbauprojekte gemäß ihrer gesamtwirtschaftlichen Bewertung sowie ökologischer und raumordnerischer Einschätzungen statt. Grundsätzlich wird infolgedessen zwischen "vordinglichem Bedarf" (VB) und "weiterem Bedarf" (WB) unterschieden.

Der BVWP tritt auf Beschluss des Bundeskabinetts in Kraft und umfasst jeweils einen Zeithorizont von circa zehn bis 15 Jahren. Seit 1973 sind bereits sechs konsekutive Verkehrswegepläne verabschiedet worden. Der letzten, dem Jahr 2016 entstammenden Fortschreibung liegt ein Planungszeitraum bis 2030 und ein Investitionsvolumen in Höhe von 269,6 Milliarden Euro zugrunde, siehe auch gesonderte Wissenslandkarte "Bundesverkehrswegeplanung" hier im Forschungsinformationssystem.
Leit- und Sicherungstechnik
Unter dem Begriff der Leit- und Sicherungstechnik (LST) werden technische Maßnahmen zusammengefasst, die getroffen werden, um einen sicheren, meist signalgeführten Eisenbahnbetrieb durchzuführen. Sie regelt die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Anlagen, den Signalen und den Fahrzeugen, die zur sicheren Durchführung von Zug- und anderen Fahrten notwendig sind. Wichtigster Bestandteil der LST ist die Stellwerkstechnik, mit Hilfe derer das Stellen von Weichen und Signalen sowie die Sicherung von Fahrstraßen erfolgt. Zur LST gehört auch die Zugbeeinflussung (z. B. PZB, LZB, ETCS).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?538865

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 14:37:58