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Engpässe für einen Deutschland-Takt auf Kanten

Erstellt am: 29.07.2021 | Stand des Wissens: 29.07.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Viele Hochgeschwindigkeitsstrecken im deutschen Schienennetz haben bereits heute taktgerechte Fahrzeiten und lassen sich deshalb gut in ein integrales Taktsystem integrieren (beispielsweise Hannover Würzburg und Nürnberg Ingolstadt). Einige Kanten bringen jedoch aufgrund inkompatibler Fahrzeiten Herausforderungen für die Integration in einen integralen Taktfahrplan mit sich. Hierzu gehören etwa die Schnellstrecke Mannheim Stuttgart sowie die aktuellere Schnellstrecke Nürnberg Erfurt Halle. [Hess19]
Die Strecke Mannheim Stuttgart lässt sich mit einer Mindestfahrzeit von 36 Minuten aktuell nicht in einen Stundentakt integrieren. Der im Rahmen des Infrastrukturprojektes Stuttgart 21 beschleunigte Zulauf aus Stuttgart-Feuerbach könne die Fahrzeit nach Aussagen der Deutschen Bahn jedoch beinahe auf die gewünschten 30 Minuten reduzieren. Es sei deshalb mit weiteren Optimierungen (die nicht näher spezifiziert werden) denkbar, die Fahrzeit auf unter 30 Minuten zu verringern und in Mannheim und Stuttgart somit saubere Knoten zur vollen und halben Stunde einrichten zu können. [DB19f] Die im Rahmen des aktuellen Gutachterentwurfs entworfenen Zielfahrpläne für einen Deutschland-Takt bis 2030 bilden Stuttgart jedoch aufgrund der ohnehin unzureichenden Kapazitäten im neuen Tiefbahnhof nicht als solchen Vollknoten nach Schweizer Vorbild ab.
Auch die Neubaustrecke Nürnberg - Berlin über Erfurt, Halle und Leipzig ist mit 70 Minuten Fahrzeit bis Erfurt, 35 Minuten Fahrzeit bis Halle und 40 Minuten Fahrzeit bis Leipzig nicht ohne Weiteres in einen Stundentakt integrierbar. [Hess19]
Ein weiterer Engpass für die Realisierung eines integralen Taktfahrplans ist die Strecke Hamm Bielefeld Hannover. Die Kantenzeit zwischen Hamm und Bielefeld beträgt aktuell 25 und die Kantenzeit zwischen Bielefeld und Hannover 49 Minuten, wodurch ein durchgängiger Takt zwischen Hamm und Hannover (und weiter zu den relevanten Knoten Berlin und Magdeburg) nicht möglich ist. Der im Rahmen eines zweiten Gutachterentwurfs entwickelte Zielfahrplan 2030+ sieht zur Fahrzeitreduzierung hier eine Neubaustrecke von Bielefeld nach Hannover sowie einen Ausbau der Strecke Bielefeld - Hamm zur Schnellfahrstrecke vor. [BMVI19ax] Durch die Reduzierung der Fahrzeit zwischen Hamm und Bielefeld auf 21 sowie zwischen Bielefeld und Hannover auf 31 Minuten ist es möglich, taktgerechte Kantenzeiten auf den Relationen Hamm Hannover und Hamm Magdeburg zu erreichen und in Hannover so einen Knoten zur Minute 0 und 30 sowie in Magdeburg zur Minute 0 einzurichten. Züge aus Hamm erreichen Bielefeld durch die reduzierte Fahrzeit zwar etwas verfrüht, allerdings erlaube die Struktur der dortigen Anschlusslinie gewisse Abweichungen von der Idealzeit. Die Auswirkungen der angedachten Neubaustrecke Bielefeld Hannover und der Schnellstrecke Hamm Bielefeld auf die Kantenzeiten sind in Abbildung 1 dargestellt. [IDT19]
fahrzeiten_neubaustrecke.jpgAbb. 1: Verkürzte Fahrzeiten durch die Neubaustrecke Bielefeld - Hannover und die Schnellfahrstrecke Bielefeld Hamm, Quelle: [IDT19]
 
Darüber hinaus führt die große Geschwindigkeitsschere zwischen dem Personenfern- und Güterverkehr und die auf den meisten Strecken gegebene Notwendigkeit für eine Mischverkehrsnutzung zu Herausforderungen im Netz. Die sich aus diesem Umstand ergebenden Engpässe für den Schienengüterverkehr lassen sich gemäß der vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie nur durch umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen auflösen. Zu diesen Maßnahmen gehören sowohl Neubaustrecken wie die zusätzliche Schnellfahrstrecke Frankfurt a. M. Mannheim, die Kapazitäten für den Schienengüterverkehr auf Bestandsstrecken schaffen, als auch der Ausbau eingleisiger zu mehrgleisigen Strecken. [BMVI15x, S.52ff]
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Potenziale und Herausforderungen des Deutschland-Takts im Schienenpersonenfernverkehr (Stand des Wissens: 29.07.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?538968
Literatur
[BMVI15x] IGES Institut GmbH Machbarkeitsstudie zur Prüfung eines Deutschland-Takts im Schienenverkehr, 2015
[BMVI19ax] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Zielfahrplan Deutschland-Takt: Zweiter Gutachterentwurf Fernverkehr, 2019
[DB19f] Deutsche Bahn AG Konzern (Hrsg.) Stuttgart 21 ist wesentliche Voraussetzung für den geplanten Deutschland-Takt, 2019
[Hess19] Hesse, Wolfgang Deutschland-Takt und BMVI-Zielfahrpläne: Chancen, Defizite und Lösungsvorschläge, veröffentlicht in Eisenbahn-Revue International, Ausgabe/Auflage 2019/7, 2019
[IDT19] Initiative Deutschlandtakt (Hrsg.) Welche Anforderungen stellt der integrale Taktfahrplan an die Fahrzeit zwischen Bielefeld und Hannover?, 2019
Glossar
Neubaustrecke Als Neubaustrecken bezeichnet man gänzlich neu errichtete Verkehrswege, die einem bestehenden Netz hinzugefügt werden. Im Eisenbahnwesen findet der Begriff zumeist auf für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gebaute Strecken Anwendung, wobei diese entweder exklusiv durch Personenbeförderungsangebote oder gemeinsam mit dem Güterverkehr genutzt werden. Das konstruktive Anforderungsniveau von Neubaustrecken reicht dabei gemeinhin über die für Ausbaustrecken (ABS) geltende Anforderungen hinaus.
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
Deutschland-Takt Der Deutschland-Takt ist ein Ansatz zur netzweiten Optimierung des Schienenpersonenverkehrs in Deutschland. Den Kernpunkt bildet hierbei die Einführung eines Integralen Taktfahrplans (ITF), die notwendigerweise mit koordinierten Infrastrukturverbesserungen verbunden ist. Das Ziel soll eine Steigerung der Fahrgastzahlen durch ein attraktiveres, vertaktetes und gut verknüpftes Verkehrsangebot sowohl im Schienenpersonenfernverkehr als auch Schienenpersonennahverkehr sein.
Schnellfahrstrecke
Eine Schnellfahrstrecke (SFS) ist eine Eisenbahnstrecke, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h oder mehr befahren werden kann. Der Begriff entstand im Rahmen der technischen Entwicklung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs (HGV). Er ist nicht geschützt beziehungsweise einheitlich definiert. Die obere Geschwindigkeitsgrenze von SFS schwankt daher zwischen 160 und 200 km/h. Zu beachten ist, dass ab einer Geschwindigkeit von 160 km/h statt der punktförmigen (PZB) eine linienförmige Zugbeeinflussung (LZB) zur Zugsicherung notwendig ist!
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?538855

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 11:24:00