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Integrale Taktfahrpläne in den Bundesländern

Erstellt am: 29.07.2021 | Stand des Wissens: 29.07.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

In folgenden deutschen Bundesländern existieren bundeslandweite integrale Taktfahrpläne (ITF) für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV):
Rheinland-Pfalz: Als erstes deutsches Bundesland führte Rheinland-Pfalz mit Inkrafttreten der Bahnreform 1994 stufenweise einen integralen Taktfahrplan (Rheinland-Pfalz-Takt) ein. Mit dem Fahrplan stieg die Verkehrsleistung (Personenkilometer) zwischen 1991 und 2003 um 97 Prozent an. [SMA16] Dieser landesweite ITF mit Stunden- und Zweistundentakten gilt als Vorbild der ihm folgenden Bemühungen anderer Bundesländer.
Bayern: Im Rahmen des Bayern-Takts werden an Werktagen 90 Prozent aller bayrischen Knoten im Stundentakt angefahren. Die Bedienung der Stationen erfolgt sofern möglich immer zur gleichen Minute und in enger Abstimmung mit möglichen Anschlussverbindungen. Eine vollständige Umsetzung des ITF ist aufgrund mangelnder Gleise und Bahnsteige in einigen Knotenbahnhöfen nicht möglich. [BEG16] Nach der Einführung des Bayern-Takts 1996 stieg die Zahl der geleisteten Personenkilometer innerhalb von zehn Jahren um ca. 50 Prozent an. [Schu17, S.3]
Baden-Württemberg: Ab 1996 begann in Baden-Württemberg die schrittweise Einführung eines ITF für den SPNV. Ziel war die Realisierung eines Stundentakts an Werktagen sowie eines Zweistundentakts an Wochenenden und Feiertagen. Bis 2001 waren 90 Prozent des SPNV-Angebots entsprechend vertaktet. [NVBW01] Von 1999 bis 2017 wurde der Fahrplan unter dem Namen 3-Löwen-Takt vermarktet, ab 2017 unter der neuen Marke bwegt. [MVBW20]
Nordrhein-Westfalen: Ab 1998 wurde der NRW-Takt in drei Ausbaustufen eingeführt. Mit dem ITF 1 gab es den ersten flächendeckenden ITF mit guten Umsteigebeziehungen und teils deutlich verkürzten Reisezeiten. In den folgenden Jahren wurde der Taktfahrplan erweitert und an die veränderten Gegebenheiten im Fernverkehr angepasst (ITF 1plus und ITF 2). Als Folge der Einführung stieg das Leistungsangebot (Zugkilometer) zwischen 1997 und 2016 um 40 Prozent sowie die Verkehrsleistung (Personenkilometer) zwischen 1999 und 2016 um 89 Prozent. [VRS19]
Sachsen-Anhalt: Seit 2009 werden Zug- und Buslinien in Sachsen-Anhalt im MeinTakt-Konzept integral verknüpft, um regionale [] und überregionale [] Reiseketten mit kurzen Wartezeiten zu schaffen. [LoFa19]
Es sei angemerkt, dass die für einige Länder genannten Zuwachszahlen auch auf den starken Anstieg der finanziellen Förderung des SPNV in Deutschland durch die Regionalisierungsmittel des Bundes zurückzuführen ist. Diese stiegen von 4,5 Milliarden Euro im Jahr 1996 auf jährlich über 8 Milliarden Euro ab 2016 und werden künftig noch weiter steigen. Sicherlich sind die beiden Sichtweisen zutreffend, dass einerseits Einführung und Ausbau der Länder-ITF durch den Aufwuchs der Regionalisierungsmittel erst möglich wurde und dass andererseits diese ITF einen sinnvollen und effizienten Einsatz der Regionalisierungsmittel darstellen.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Potenziale und Herausforderungen des Deutschland-Takts im Schienenpersonenfernverkehr (Stand des Wissens: 29.07.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?538968
Literatur
[BEG16] Puzzlearbeit im Dienst der Fahrgäste, 2016
[LoFa19] Lokomotive Fachbuchhandlung GmbH (Hrsg.) Sachsen-Anhalt: 10 Jahre Bahn und Bus im Landesnetz "MeinTakt", 2019
[MVBW20] Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (Hrsg.) bwegt, 2020
[NVBW01] NVBW - Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (Hrsg.) Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs in Baden-Württemberg, 2001/10
[Schu17] Schulz, Andreas Bayern-Takt und Deutschland-Takt 2030, 2017
[SMA16] SMA und Partner AG (Hrsg.) Bilanz 10 Jahre Rheinland-Pfalz-Takt, 2016
[VRS19] Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH (Hrsg.) Integraler Taktfahrplan , 2019/03
Glossar
ITF Integraler Taktfahrplan Nach dem Merkblatt zum Integralen Taktfahrplan lassen sich drei verschiedene Formen des ITF unterscheiden: Der Begriff des idealen ITF umfasst die Koordination der Taktfahrpläne von Linien zu einem abgestimmten, vertakteten Gesamtfahrplan, wobei eine Verknüpfung in Richtung und Gegenrichtung in ausgewählten Taktknoten mit dem Ziel erfolgt, die Anzahl optimaler Anschlüsse zu maximieren. Der modifizierte ITF schränkt die vollständige Verknüpfung entsprechend des idealen ITF ein und berücksichtigt dabei die verkehrlichen, geographischen und wirtschaftlichen Randbedingungen. Der ITF im erweiterten Sinne umfasst Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität im (Schienen-)Personennahverkehr, die nicht zwangsläufig mit der eigentlichen Definition des ITF abgedeckt sind.
Personenkilometer
Die Einheit Personenkilometer [Pkm] beschreibt die im Rahmen einer Personenbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Verkehrsmenge (Summe der beförderten Personen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km.
Verkehrsarbeit [Pkm] = Verkehrsmenge [P] * Wegstrecke [km]
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?538798

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 20:40:58