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Instrumente zur Steigerung der Attraktivität des ÖPNV

Erstellt am: 30.03.2021 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) spielt eine zentrale Rolle für den Klimaschutz und die Luftreinhaltung, weshalb sein Anteil kontinuierlich erhöht werden sollte [VDV21]. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Zurückgewinnung des Vertrauens verlorengegangener ÖPNV-Nutzer, vor allem in ländlichen Räumen. Andere Länder, zum Beispiel die Schweiz, zeigen, dass ein deutlich höherer ÖPNV-Marktanteil erreicht werden kann.
Eine nachhaltige Verbesserung flächendeckender attraktiver ÖPNV-Angebote ist wichtig. Bund und Länder haben Verantwortung für deren Sicherstellung mitübernommen und eine dauerhafte Mitfinanzierung von Verkehrsangeboten auf Grundlage klarer Kriterien (Mindestbedienstandards und Qualitätsanforderungen) etabliert [Int21]. Folgenden Maßnahmen unterstützen diese Zielsetzung:
  • Etablierung eines hierarchischen Netzes nach dem Konzept des Integralen Taktfahrplans einschließlich Abend- und Wochenendverkehr mit Stammlinien - zum Beispiel PlusBusse - auf direkten Wegen (mindestens Stundentakt)
  • Ergänzungslinien im Taktverkehr mit Einbindung in die Taktknoten
  • Rufbusangebote als Ergänzung (räumlich/zeitlich)
  • Optimierung des Angebots für nicht oder wenig bediente Ortslagen durch Ausbau der Fuß- und Radinfrastruktur zu einer Haltestelle im attraktiven Hauptnetz
Der zukünftige Deutschlandtakt mit aufeinander abgestimmten Verbindungen im Schienenpersonennah- und -fernverkehr spielt eine wesentliche Rolle für die ÖPNV-Attraktivitätssteigerung. Dringend erforderlich für dessen Umsetzung ist jedoch vor allem, dass die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden [VDV21].
Das Verkehrswachstum findet heute überwiegend im Stadt-Umland-Verkehr sowie im Tangentialverkehr am Stadtrand und in der Region statt. Notwendig ist daher eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Umland. ÖPNV muss im Gesamtsystem gedacht werden, ein Zusammenschluss aller Aufgabenträger in einem verkehrlichen Verflechtungsbereich wie zum Beispiel in Verkehrsverbünden soll zu einer engen Kooperation zugunsten der ÖPNV-Kunden führen. Nur so entsteht ein besser abgestimmtes Angebot, mehr planerische Effizienz und damit ein langfristig wirtschaftlicherer ÖPNV.
Der ÖPNV in ländlichen Regionen benötigt hierzu eine abgestimmte und mutige Strategie. Aus dem vielerorts existierenden Restverkehr für Zwangskunden muss ein modernes, integriertes Mobilitätsangebot für alle Einwohner werden. Auch die Reaktivierung stillgelegter Eisenbahnstrecken kann die Mobilität im ländlichen Raum sinnvoll ergänzen [VDV21] und den Tourismus fördern.
Die Einführung einer Beförderungsgarantie bei Systemausfällen ist ein wichtiges Instrument, um potentielle Nutzer mit der Garantie der Verlässlichkeit für den ÖPNV zu gewinnen. Hierfür ist gegebenenfalls die Vorhaltung von zusätzlichen Reserven (insbesondere Fahrzeuge und Personal) erforderlich, was in der Konzeption, aber auch in der Finanzierung ausreichend berücksichtigt werden muss [Int21].
Außerdem lohnenswert sind Investitionen in ÖPNV-Beschleunigungsmaßnahmen, mit denen nicht nur die Geschwindigkeit und Verlässlichkeit des ÖPNV erhöht wird sondern vor allem in Ballungsräumen auch eine höhere Effizienz des Fahrzeug- und Personaleinsatzes erzielt werden kann, wodurch sich Kosteneinsparungen in der ÖPNV-Leistungserstellung ergeben.
Eine Antriebswende zusammen mit Angebotsverbesserungen erweitern zusätzlich die positiven Effekte des ÖPNV für den Klimaschutz, da alternative Antriebsformen einerseits einen geringeren Schadstoffausstoß verursachen und andererseits sowohl für die ÖPNV-Nutzer als auch Nichtnutzer leiser sind.
Für die Steigerung der Attraktivität des ÖPNV hat darüber hinaus die Vereinfachung des Tarifsystems eine große Bedeutung ein übersichtlicher Tarif ermöglicht es, mehr Neukunden zu gewinnen. Gleichzeitig sinken mit einem einfacheren Tarif nach der Einführungsphase auch Kosten für Verwaltung, Vertrieb und Kommunikation.
Im Zuge der zurückliegenden Föderalismusreform sind zwar die Aufgaben vor allem auf die Länder übertragen worden, gleichwohl kommt im Rahmen der ÖPNV-Finanzierung auch dem Bund weiterhin eine besondere und wichtige Rolle zu. Insbesondere im Hinblick auf die internationalen und europäischen Ziele bei Klimaschutz und deren weiterer Verschärfung muss Deutschland konsistent agieren [VDV21].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Zukünftige Finanzierung des ÖPNV (Stand des Wissens: 06.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?218979
Literatur
[Int21] Robert Hänsch Künftige Modelle für
Finanzierung und Organisation des ÖPNV, Interlink GmbH, Berlin, 2021/1/13
[VDV21] Künftige Modelle für Finanzierung und Organisation des ÖPNV, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V (VDV), Köln , 2021/01/13
Glossar
Aufgabenträger
Aufgabenträger bestellen bei den Verkehrsunternehmen die im Rahmen der Daseinsvorsorge gewünschten Nahverkehrsleistungen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Im SPNV sind seit Bahnreform und ÖPNV-Regionalisierung im Jahr 1995/96 anstelle des Bundes die Länder für die Planung, Organisierung und Finanzierung verantwortlich. In einigen Ländern sind die Aufgabenträger für das gesamte Land zuständig, wie in Bayern, in anderen betreuen sie regional abgegrenzte Gebiete, wie in Nordrhein-Westfalen. Teilweise wird die Aufgabenträgerschaft den Verkehrsverbünden zugewiesen, wie in Hessen.
Die Aufgabenträgerfunktion für den straßengebundenen ÖPNV ist den Landkreisen oder kreisfreien Städten zugeordnet.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Energiewende im Verkehr
Mit der Energiewende im Verkehr (auch Antriebswende genannt), soll der Endenergiebedarf des Verkehrssektors mit klimaneutraler Antriebsenergie gedeckt und die verwendeten Energien sparsam genutzt werden. Dementsprechend ist die Energiewende im Verkehr insbesondere eine technische Herausforderung, bei der die Verbrennung fossiler Energieträger im Straßen-, Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr durch die Nutzung von erneuerbarem Strom, grünem Wasserstoff, Biokraftstoffen und strombasierten synthetischen Kraftstoffen ersetzt wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?519054

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 06:22:05