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Abgaben für Nutznießer als kommunale Einnahmequellen

Erstellt am: 07.01.2021 | Stand des Wissens: 07.01.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Als mögliche zukünftig zu entwickelnde Einnahmequelle zur Finanzierung von kommunaler Straßeninfrastruktur und öffentlichem Nahverkehr wird die Belastung von indirekten Nutznießern dieser Leistungen gefordert. [HIC16] Dabei richtet sich die sogenannte Drittnutzerfinanzierung insbesondere an Arbeitgeber, die von der Verkehrsanbindung durch die bessere Erreichbarkeit für ihre Mitarbeiter profitieren. Aber auch der Handel könnte für die Standortvorteile der bereitgestellten Mobilität finanziell belastet werden.
Als europäisches Vorbild für die Drittnutzerfinanzierung gilt Frankreich. Dort wird bereits seit 1973 die Versement Transport erhoben. Die Kommunen haben im Rahmen dieses Instruments die Möglichkeit, von Betrieben mit mehr als neun Mitarbeitern eine zusätzliche Transportsteuer zu erheben und die Hebesätze entsprechend der Qualität der Anbindung zu differenzieren. Aktuell werden durch diese Steuer rund ein Drittel der Betriebskosten der Verkehrsunternehmen in Frankreich gedeckt. Dieser Beitrag erlaubt deutlich niedrigere Tarife im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Vergleich zu Deutschland. So liegt die durchschnittliche Kostendeckung durch Ticketeinnahmen in Deutschland im Bereich von 75 bis 80 Prozent, während die direkten Nutzer in Frankreich nur circa 20 bis 30 Prozent der Betriebskosten tragen. [IFW19]
In Deutschland hat das Land Baden-Württemberg im August 2018 ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die finanziellen Auswirkungen der Drittnutzerfinanzierung im ÖPNV zu erproben. [VMBW18a] Hierfür wurden die Städte Mannheim, Heidelberg, Stuttgart, Tübingen und Bad Säckingen als Modellkommunen ausgewählt. Es sollen die Einnahmepotenziale und damit die hierdurch möglichen Angebotsverbesserungen in Städten mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen analysiert werden.
Zur Finanzierung kommunaler Straßen existiert in Deutschland seit langem das Instrument der Anleger- und Erschließungsbeiträge. Diese stellen eine besondere Form der Nutznießerfinanzierung dar. Während andere Formen der Nutznießerfinanzierung aktuell entwickelt und ausgebaut werden, werden jedoch die Anleger- und Erschließungsbeiträge zurückgefahren, wie in dieser Wissenslandkarte separat dargestellt wird.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Kommunale Verkehrsinfrastruktur: Finanzierungsbedarf und -quellen und institutionelle Reformoptionen (Stand des Wissens: 07.01.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?516030
Literatur
[HIC16] HIC Hamburg Institut Consulting GmbH (Hrsg.) Grundlagenuntersuchung "Instrumente zur Drittnutzerfinanzierung für den ÖPNV in Baden-Württemberg", 2016/03
[IFW19] Institut für Verkehrswesen (Hrsg.) Nahverkehrs-Tage 2019: Finanzierung des öffentlichen Verkehrs, 2019/01
[VMBW18a] Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (Hrsg.) Modellkommunen für Gutachten zur ÖPNV-Finanzierung ausgewählt, 2018
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?516181

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 15:53:03