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Finanzierungsbedarf des öffentlichen Personennahverkehrs

Erstellt am: 07.01.2021 | Stand des Wissens: 07.01.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen in Deutschland täglich über 30 Millionen Fahrgäste und damit mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung. [STAT19af] In der Verantwortung der Kommunen liegt der öffentliche Straßenpersonenverkehr (ÖSPV), also der Verkehr mit Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen. Ferner gehört zum ÖPNV auch der Schienenpersonennahverkehr, welcher jedoch im Aufgabenbereich der Länder liegt.
Die Kommission Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung hat im Jahr 2012 die damalige Unterfinanzierung für den ÖSPV quantifiziert. Ausgangspunkt war eine Berechnung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), wonach der Gesamtbedarf der Kommunen für turnusmäßige Reinvestitionen in die Infrastruktur jährlich 550 Millionen Euro betrug. Im Kommissionsbericht wird angemerkt, dass ein Teil dieser Summe (220 Millionen Euro) durch Eigenmittel der Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger gedeckt werden kann; in dieser Wissenslandkarte wird jedoch die Finanzierungsseite an anderer Stelle dargestellt.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Abschlussberichtes der Kommission belief sich der aus diesem Defizit angestaute Nachholbedarf auf 4 Milliarden Euro. Um diesen Bedarf im Verlauf von 15 Jahren abzubauen wäre somit ein durchschnittlicher Jahresbetrag von weiteren 267 Millionen Euro nötig.
Es ergab sich daher aus den Berechnungen von 2012 ein jährlicher Finanzierungsbedarf der Kommunen von circa 800 Millionen Euro für 15 Jahre, danach würde er auf 550 Millionen fallen. [VIFG12a, S.36ff]
Die auch nach 2012 anhaltende Unterfinanzierung hat vermutlich zu einem weiter angestiegenen Nachholbedarf geführt, doch gibt es keine aktuelleren Quellen zum Gesamtbedarf. Hinzu kommen neue Anforderungen an den ÖPNV. So könnte durch das Vorhaben eines vollständig barrierefreien ÖPNV bis 2022 ein zusätzlicher Investitionsbedarf von 20,5 Milliarden Euro entstehen. [VDV18a, S.2] Darüber hinaus wird der ÖPNV ein wichtiger Baustein der Energiewende sein und die Kommunen vor weitere Herausforderungen stellen. Beispielsweise sollen nach einer neuen EU-Vorgabe ab 2026 mindestens 65 Prozent der neu angeschafften Busse sauber und energieeffizient sein. [BR2019]
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Kommunale Verkehrsinfrastruktur: Finanzierungsbedarf und -quellen und institutionelle Reformoptionen (Stand des Wissens: 07.01.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?516030
Literatur
[BR2019] Bayerischer Rundfunk (Hrsg.) EU-Vorgaben für saubere Busse könnten ÖPNV verteuern, 2019/04
[STAT19af] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Personenbeförderung, 2019/01
[VDV18a] Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (Hrsg.) Stellungnahme zur Anhörung "Barrierefreiheit im Schienenverkehr" im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur im Deutschen Bundestag am 15. Oktober 2018, 2018/10/15
[VIFG12a] Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (Hrsg.) Bericht der Kommission "Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung", 2012/12
Glossar
Aufgabenträger
Aufgabenträger bestellen bei den Verkehrsunternehmen die im Rahmen der Daseinsvorsorge gewünschten Nahverkehrsleistungen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Im SPNV sind seit Bahnreform und ÖPNV-Regionalisierung im Jahr 1995/96 anstelle des Bundes die Länder für die Planung, Organisierung und Finanzierung verantwortlich. In einigen Ländern sind die Aufgabenträger für das gesamte Land zuständig, wie in Bayern, in anderen betreuen sie regional abgegrenzte Gebiete, wie in Nordrhein-Westfalen. Teilweise wird die Aufgabenträgerschaft den Verkehrsverbünden zugewiesen, wie in Hessen.
Die Aufgabenträgerfunktion für den straßengebundenen ÖPNV ist den Landkreisen oder kreisfreien Städten zugeordnet.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?516084

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 09:31:44