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Landseitige Unterstützung autonomer Schiffe

Erstellt am: 07.09.2020 | Stand des Wissens: 05.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Unbemannte Schiffe benötigen durch die Abwesenheit einer Besatzung, die auf unerwartete Situationen reagieren kann, Überwachung. Zudem benötigen unbemannte Schiffe Dateneingaben, zum Beispiel Information über den nächsten Transportauftrag, und Unterstützung von Land, beispielsweise beim Anlegen an Terminals in Häfen [RR16]. Um diese Dateneingabe und Überwachung von Land aus zu gewährleisten, ist eine entscheidende Voraussetzung für die Realisierung der autonomen Schifffahrt die Konnektivität mit Kontrollzentren. An die Kommunikation zwischen Schiff und landseitiger Unterstützung werden zahlreiche Anforderungen gestellt. Die Kommunikation muss bidirektional und genau sowie skalierbar sein und von unterschiedlichen Systemen unterstützt werden. Die Kommunikation über verschiedene Systeme schafft Redundanzen und minimiert das Risiko des Kommunikationsausfalls durch einen einzelnen Systemausfall. In küstennahen Gewässern können Technologien wie LTE oder zukünftig auch 5G genutzt werden, mit denen mehrere hundert Megabit pro Sekunde übertragen werden können. Diese Kapazität ist entscheidend, um Daten über den Schiffszustand erfasst durch Sensoren übertragen zu können. Die Datenübertragung in küstenferne Gewässern erfolgt in 2020 über Satellit. Die Übertragungskapazität liegt hier bei wenigen hundert Kilobit pro Sekunde und stellt somit ein limitierendes Kriterium für die Informationsübertragung und Kommunikation dar. Bei der Datenübertragung in küstenferne Gewässer mittels Satellit, sodass nur begrenzte Informationen in der Größenordnung von einigen hundert Kilobits pro Sekunde übermittelt werden können. Die gewählte Konnektivitätstechnik eines unbemannten Schiffes muss jedoch eine ausreichende Kapazität für die Sensorüberwachung und Fernsteuerung gewährleisten [Hoyh17, S. 345].

In dem MUNIN (Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks) Projekt wurde im Jahr 2016 ein ausführliches Konzept für ein Kontrollzentrum vorgestellt. Ziel des Konzeptes ist, dass ein Besatzungsmitglied des landseitigen Kontrollzentrums den Schiffsbetrieb mehrerer autonomer Schiffe gleichzeitig von einem Arbeitsplatz aus überwacht. In den Betrieb der autonomen Schiffe kann durch übergeordnete Befehle, wie zum Beispiel eine Aktualisierung des Fahrplans, eingegriffen werden und so der Betrieb von Land aus unterstützt werden. Zusätzlich sind Ingenieure für die Wartungspläne der Schiffe verantwortlich. So soll eine ausreichende Zuverlässigkeit der technischen Systeme gewährleistet werden. Außerdem ist in dem Kontrollzentrum für bestimmte Situationen die direkte Fernsteuerung eines Schiffes über eine landseitige Nachbildung der Schiffsbrücken möglich [MUNIN16a].

Ebenso wurden im Rahmen des MUNIN Projektes mögliche Risiken für die Besatzung von Kontrollzentren in der landseitigen Unterstützung von unbemannten Schiffen untersucht [MUNIN15]. Hierbei wurden die folgenden vier Hauptrisiken identifiziert:
  1. Probleme beim Erfassen und Verstehen der tatsächlichen Situation vor Ort,
  2. schlechte oder fehlerhafte Übertragung von Daten und Signalen,
  3. Verzögerung bei der Entscheidungsfindung und
  4. Stress durch zu viele und unnötige Informationen.
Das Unternehmen Rolls-Royce hat 2016 in Zusammenarbeit mit der südfinnischen Universität Tampere ein Konzept für landseitige Kontrollzentren vorgestellt, von denen Schiffe aus der Ferne überwacht und gesteuert werden können. Für die Entwicklung des Konzeptes wurden die Erfahrungen aus anderen Branchen, in denen Kontrollzentren alltäglich sind, wie zum Beispiel der Luftfahrt oder Weltraumforschung, berücksichtigt. In dem Zukunftskonzept soll es einer Besatzung von 7 bis 14 Personen von Land aus möglich sein, den Betrieb einer Flotte von Schiffen auf der ganzen Welt zu überwachen. Die Besatzung des landseitigen Kontrollzentrums verfolgt mit interaktiven Smart Screens, Spracherkennungssystemen, Hologrammen und Überwachungsdrohnen das Geschehen an Bord der Schiffe [RR16a].

In vielen Konzepten und Projekten für Kontrollzentren lag der Fokus mehr auf der technischen Machbarkeit und weniger auf der Implementierung von bereits bestehenden Routinen auf Schiffsbrücken, wie beispielsweise einer Gegenkontrolle bei wichtigen Entscheidungen. Diese Routinen tragen aber gerade zur Sicherheit auf aktuellen Schiffsbrücken bei und sollten gemeinsam mit dem technologischen Fortschritt bei der Entwicklung von landseitigen Unterstützungen berücksichtigt werden [Bart17, S. 58].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nutzen und Herausforderungen der autonomen Schifffahrt (Stand des Wissens: 05.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?512542
Literatur
[Bart17] Peter Barthelsson,, Jacob Sagefjord Autonomous ships and the operator's role in a Shore Control Centre. A comparative analysis on projects in the Scandinavian region and implementing the experience of Mariners to a new field of shipping, 2017
[Hoyh17] Marko Hoyhtya,, Jyrki Huusko,, Markku Kiviranta,, Kenneth Solberg,, Juha Rokka Connectivity for autonomous ships: Architecture, use cases, and research challenges, veröffentlicht in International Conference on Information and Communication Technology Convergence (ICTC), Ausgabe/Auflage 2017, 2017
[MUNIN15] MUNIN, , Chalmers University of Technology (Hrsg.) Navigational shore support: A new perspective, 2015
[MUNIN16a] MUNIN (Hrsg.) MUNIN Results, 2016
[RR16] Rolls-Royce (Hrsg.) Autonomous ships - The next step, 2016
[RR16a] Rolls-Royce (Hrsg.) Rolls-Royce reveals future shore control centre, 2016/03/22
Glossar
5G Als 5G wird die fünfte Generation von Mobilfunknetzen nach LTE (4G), UMTS (3G), GSM (2G) und dem analogen Mobilfunknetz bezeichnet, an der gegenwärtig geforscht wird. Innerhalb dieser Netze werden Mobilfunkgeräte innerhalb einer Funkzelle direkt miteinander kommunizieren und so die jeweilige Basisstation entlasten.
LTE
Long-Term-Evolution (LTE) ist nach dem analogen Mobilfunknetz, dem GSM-Standard (2G) und dem UMTS-Standard (3G) der inzwischen vierte Mobilfunkstandard (4G), der deutlich höhere Downloadraten mit bis zu 300 Megabit pro Sekunde erreichen kann.
LTE-Advanced, kurz LTE-A, ist eine Erweiterung von LTE und soll Datenraten bis zu einem Gigabit pro Sekunde beim Herunterladen von Inhalten erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das klassische LTE Netz mit der neuen Technologie aufgerüstet werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?513019

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 01:11:32