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Sensoren auf autonomen Schiffen

Erstellt am: 07.09.2020 | Stand des Wissens: 05.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Da bei autonomen Schiffen die Besatzung wegfällt, um auf andere Verkehrsteilnehmer, mögliche Gefahren wie beispielsweise im Wasser treibende Gegenstände oder technische Komplikationen im Maschinenraum zu reagieren, braucht ein autonomes Schiff zahlreiche Sensoren. Ein Konzept, das die minimale Anzahl erforderlicher Sensorsysteme und deren Einsatzbereiche bei einem autonomen oder ferngesteuerten Schiff beschreibt, ist in Abbildung 1 dargestellt. Auf Schiffen müssen sowohl für die Navigation notwendige Umgebungsdaten zum Beispiel mittels Radar, Lidar (englisch: light detection and ranging) und Kameras erfasst werden, als auch konstant der Zustand aller Bordsysteme, wie zum Beispiel der Schiffsmaschinen, durch Sensoren überwacht werden. Für die Überwachung und Bedienung von beispielsweise Schiffsmaschinen, Pumpen und Generatoren werden sowohl Sensoren, als auch Aktuatoren eingesetzt. Aktuatoren wandeln elektrische Signale etwa in mechanische Bewegung um und können so in die Steuerung eines Prozesses eingreifen. Diese, als wesentliche Schiffsdaten bezeichneten Informationen, bilden die Grundlage für Handlungsentscheidungen und werden zur Überprüfung und gegebenenfalls für die Steuerung an eine Landstation übermittelt. [zlise512995].
Sensorensysteme 2.pngAbb. 1: Sensorensysteme und deren Einsatzbereiche bei einem autonomen Schiff [Hoyh17]
Die verschiedenen Sensoren, wie beispielsweise Kameras, Radar oder Thermometer an Maschinen, haben Vor- und Nachteile. Optische Kameras sind im Verhältnis zu Infrarotkameras günstiger und ihre optischen Sensoren haben eine höhere Bildauflösung; sie sind aber bei Dunkelheit und schlechten Wetterbedingungen weniger leistungsfähig. Es bietet sich deshalb eine Kombination beider Kameratypen an. Ein weiteres Beispiel ist die Kombination von Radar und Lidar. Der Einsatz von Radarsystemen auf Schiffen ist bei allen Wetterbedingungen erprobt und die Technologie ist im Vergleich zum Lidar günstig. Jedoch ermöglicht der Einsatz eines Lidars die Erstellung einer detaillierten, dreidimensionalen Umgebungskarte, während ein Radar nur einen Abstand, etwa zu anderen Schiffen, ermitteln kann. Deshalb muss fallabhängig von dem geplanten Schiffseinsatz und dem Grad der Autonomie über die Auswahl und Kombinationen der Sensoren entschieden werden [Joki16].

Zur Vermeidung von Kollisionen auf See hat die International Maritime Organization (IMO) die Konvention über internationale Regelungen zu Verhinderung von Kollisionen auf See (englisch: Convention on the International Regulations for Preventing Collisions at Sea (COLREG)) verabschiedet. In dieser sind international einheitliche Signale zur Kollisionsvermeidung vorgeschrieben [IMO19c]. In komplexen Situationen können diese Signale beispielsweise jedoch sehr kompliziert werden und es kann zu Fehlinterpretationen seitens der Besatzung und somit unter anderem zu Unfällen kommen [DTU16]. Dies ist nur ein mögliches Beispiel für menschliches Versagen als Unfallursache. Expertenschätzungen zufolge sind im Jahr 2019 zwischen 73 Prozent und 90 Prozent aller Seeunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen [Alli19]. In verschiedenen Projekten wurden daher Sensoren erprobt, die Signale und andere Schiffe sowie Hindernisse erkennen und so den vorgeschriebenen menschlichen Ausguck in küstennahen Gewässern zu unterstützen oder zu ersetzten [DTU16, S. 4].

In dem Projekt MUNIN (Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks) wurden optische und Infrarotkameras, Radar sowie Daten des automatischen Identifikationssystems (AIS) verwendet, um Objekte in der Umgebung eines Schiffes zu erkennen. Die identifizierten Objekte werden auf ihr Gefahrenpotenzial für das Schiff hin bewertet [MUNIN16b, S. 8]. Durch den Einsatz der Sensoren wird davon ausgegangen, dass der Schiffsausguck besser, aber mindestens gleich gut wie ein menschlicher Ausguck ist [Mor15].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nutzen und Herausforderungen der autonomen Schifffahrt (Stand des Wissens: 05.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?512542
Literatur
[Alli19] Allianz Global Corporate & Specialty SE (Hrsg.) Safety and Shipping Review 2018, 2019/06/04
[DTU16] Mogens Blanke, Michael Henriques, Jakob Bang A pre-analysis on autonomous ships, 2016
[Hoyh17] Marko Hoyhtya,, Jyrki Huusko,, Markku Kiviranta,, Kenneth Solberg,, Juha Rokka Connectivity for autonomous ships: Architecture, use cases, and research challenges, veröffentlicht in International Conference on Information and Communication Technology Convergence (ICTC), Ausgabe/Auflage 2017, 2017
[IMO19c] International Maritime Organization Convention on the International Regulations for Preventing Collisions at Sea - COLREGs, 2019
[Joki16] Esa Jokioinen Advanced Autonomous Waterborne Applications, Brüssel, 2016
[Mor15] Jonas Aamodt Moræus Advanced Sensor Module (ASM). Sensor integration through models and data fusion, 2015/06
[MUNIN16b] MUNIN (Hrsg.) Research in Maritime Autonomous Systems. Project Results and Technology Potentials., 2016
Glossar
AIS Automatic Identification System See- und Binnenschifffahrt-Funksystem, das durch den automatischen Austausch eines standardisierten Datensatzes die Sicherheit des Schiffsverkehrs verbessert. Berufsschiffe über 300 BRZ in internationaler Fahrt bzw. über 500 BRZ in nationaler Fahrt sind verpflichtet, einen AIS-Transponder zu betreiben. Aeronautical Information Service Dieser Luftfahrtinformationsdienst ist eine zentrale Informations- und Beratungsstelle für Flugbesatzungen und Flugbetriebsunternehmen. AIS befasst sich unter anderem mit der Beschaffung, Aufbereitung und Bekanntmachung von relevanten Daten (Dynamic/Static Data) wie Luftraumeinschränkungen, Wetter, NOTAM, Überflugs-, Landebewilligungen usw. Diese Informationen sind für die sichere, geordnete und flüssige Durchführung von Flügen notwendig.
Lidar Lidar (Light Detection And Ranging) oder auch Laserentfernungsmessung funktioniert im Prinzip ähnlich wie Radar, nur dass anstatt der elektromagnetischen Wellen Laserstrahlen verwendet werden. Im Gegensatz zu Radar wird die Objektgeschwindigkeit gewöhnlich über mehrere Entfernungsmessungen bestimmt und nicht direkt durch Auswertung des Dopplereffektes. Ein Nachteil der Lidar-Systeme ist die Empfindlichkeit gegenüber Witterung (Nebel, Schnee und Regen, aber auch Gischtfahnen von vorausfahrenden Fahrzeugen) und die mögliche Verschmutzung der Empfangsoptik.
Radar Radio Detecting and Ranging Dieses elektromagnetische Ortungsverfahren beruht auf dem Prinzip des Echos. Man unterscheidet zwischen Primär- und Sekundärradar.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?513002

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 03:44:52