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Stand der rechtlichen Umsetzung

Erstellt am: 29.08.2020 | Stand des Wissens: 05.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Um den internationalen Schiffsverkehr sicher zu gestalten, ist ein einheitliches Regelwerk notwendig. Die International Maritime Organization (IMO), ist in diesem Zusammenhang die wohl bedeutendste Organisation in der Seeschifffahrt. Zu den wichtigsten Übereinkommen der IMO zählen:
  • Internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS),
  • Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL),
  • Internationales Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW),
  • Internationales Übereinkommen zur Verhütung von Zusammenstößen auf See (COLREG),
  • Seearbeitsübereinkommen (MLC). 

Grundsätzlich müssen auch autonome Schiffe die gesetzlichen Vorschriften einhalten. Die operationellen Risiken für autonome Schiffe ähneln im Allgemeinen denen konventioneller Schiffe. Jedoch ist die derzeitige rechtliche Lage für den Einsatz autonomer Schiffe nicht eindeutig geregelt [BV18]. An dieser Stelle werden die auftretenden Schwierigkeiten, die die derzeitigen gesetzlichen Regularien verursachen, beispielhaft erörtert. Insbesondere wird dabei auf die beiden Übereinkommen SOLAS und MLC eingegangen, da an ihnen auftretende Schwierigkeiten durch autonome Schiffe besonders gut aufgezeigt werden.

Internationales Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See
Das SOLAS-Übereinkommen ist der wichtigste aller internationalen Verträge über die Sicherheit von Handelsschiffen. Das Hauptziel des Übereinkommens besteht darin, Sicherheitsstandards für den Bau, die Ausrüstung und den Betrieb von Schiffen festzulegen [IMO19b]

Das SOLAS-Übereinkommen schreibt vor, dass ein Schiff ausreichend bemannt sein muss, wobei die ausreichende Anzahl der Besatzungsmitglieder an Bord nicht definiert ist. Die Anzahl der minimal notwendigen Besatzung ist in entsprechenden Dokumenten zum Schiff festgelegt. Es bleibt zu klären, ob für autonome Schiffe der Nachweis ausreichend ist, dass keine Besatzung notwendig ist. Sollte dies der Fall sein, bestünde für autonome Schiffe die Möglichkeit der Regelung nachzukommen darin, dem jeweiligen Schiff ein Null-Besatzungsdokument auszustellen. [Karl18, S. 125].

Seearbeitsübereinkommen
Das Seearbeitsübereinkommen wurde von der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verabschiedet und legt die Rechte der Besatzung an Bord eines Schiffes fest [DF18]. Laut dem Übereinkommen ist der Eigner eines Schiffes dazu verpflichtet, Unterkünfte und Freizeiteinrichtungen an Bord zur Verfügung zu stellen. Unbemannte Schiffe kommen ohne Besatzung an Bord aus, dafür ist Überwachungspersonal in den Kontrollzentren zur Überwachung der Schiffe notwendig, die ebenfalls als Besatzung zählen. Somit stellt sich die Frage, ob das Seearbeitsübereinkommen für das Personal an Land greift und unbemannte Schiffe dennoch mit Unterkünften und Freizeiteinrichtungen ausgestattet werden müssen. Somit würde ein großer Vorteil unbemannter Schiffe, die zusätzliche Ladekapazität sowie die Gewichtsreduzierung durch den Verzicht der Mannschaftsunterkünfte, verloren gehen [Karl18].

Ein weiteres ungeklärtes Problem liegt in der Haftungsfrage im Falle eines Schiffsunfalls. Auch wenn derzeit keine unmittelbare Notwendigkeit besteht, die Grundlagen der Seehaftung für autonome Schiffe zu ändern, ist es dennoch wichtig zu erkennen, dass die technische Entwicklung hin zu einer verstärkten Automatisierung bestimmte Herausforderungen für den derzeitigen Haftungsrahmen mit sich bringt.

Während die durch Menschen verursachte Unfälle autonomer Schiffe wahrscheinlich genauso zu behandeln sind wie Unfälle, die von den Besatzungsmitgliedern herkömmlicher Schiffe an Bord verursacht werden, kann die autonome Technologie neue Arten von Unfällen hervorrufen. Ein Beispiel dafür sind Schäden, die durch Fehlfunktionen eines autonomen Systems verursacht werden, zum Beispiel durch einen Geräteausfall oder einen Systemfehler. Wenn die Verbindung zwischen Schiff und Kontrollzentrum an Land getrennt wird und das autonome Schiff in dieser Folge einen Unfall aufgrund von Systemausfällen auf See verursacht, ist es schwerer zu beurteilen, wer die volle Haftung tragen muss. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die Komponentenhersteller oder die Werft gegebenenfalls haftbar zu machen ist.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nutzen und Herausforderungen der autonomen Schifffahrt (Stand des Wissens: 05.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?512542
Literatur
[BV18] Bureau Veritas (Hrsg.) Autonomous ships, 2018/08/17
[DF18] Deutsche Flagge Leitfaden zum Seearbeitsübereinkommen, 2018
[IMO19b] International Maritime Organization International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS), 1974 , 2019
[Karl18] Thanasis Karlis Maritime law issues related to the operation of unmanned autonomous cargo ships, veröffentlicht in WMU J Marit Affairs, Ausgabe/Auflage 17, 2018/01

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?512756

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 19:41:47