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Sicherheit in der autonomen Schifffahrt

Erstellt am: 28.08.2020 | Stand des Wissens: 05.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die Auswirkungen autonomer oder ferngesteuerter Großschiffe auf die Sicherheit und Gefahrenabwehr sind noch nicht umfassend untersucht worden. Zukünftig müssen zunächst die Gefahren und Risiken identifiziert und bewertet werden, bevor Lösungen für einen sicheren Verkehr mit dieser neuen Technologie festgelegt werden können [AAWA16]. Grundsätzlich ist zwischen einer Gefährdung der Sicherheit durch Unfälle infolge von menschlichem Versagen oder Naturkatastrophen sowie Ausfällen oder Angriffen auf das System der Schiffe zu unterscheiden. Dieser Synthesebericht befasst sich mit Sicherheitsaspekten, die sich durch die verschiedenen technischen Systeme autonomer Schiffe ergeben. Hierbei werden die vier in der Abbildung 1 dargestellten Gefahren unterschieden, welche eine Bedrohung der Sicherheit autonomer Schiffe darstellen können.
sicherheitsbedrohungen fur tech systeme an bord eines schiffes 2.pngAbb. 1: Sicherheitsbedrohungen für technische Systeme an Bord eines Schiffes (eigene Darstellung)
Um autonome Schiffe betreiben zu können, sind eine Reihe technischer Systeme notwendig. Bereits heute kommen auf herkömmlichen Schiffen technische Systeme zum Einsatz, die auch für den erfolgreichen Betrieb einer autonomen Schifffahrt erforderlich sind [RR16, S. 3]. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Satellitennavigationssystemen zur Navigation von Schiffen: Die Positions-, Geschwindigkeits- und Zeitdaten des Schiffes werden mit Hilfe des globalen Positionsbestimmungssystems (Global Positioning System) ermittelt und in unterschiedlichen Systemen beispielsweise zur Kollisionsverhütung weiterverarbeitet. Sie werden zur Darstellung von Schiffspositionen auf einer elektronischen Seekarte mittels eines Electronic-Chart-Display-and-Information-Systems (ECDIS) oder für das automatische Identifikationssystem (AIS), welches schiffseigene Positions- und Navigationsdaten an andere Schiffe übermittelt, genutzt [DLR16d]. Technisch bedingte Systemausfälle stellen somit ein großes Sicherheitsrisiko für autonome Schiffe dar. Um das Risiko durch Systemausfällen an Bord reduzieren und die Manövrierfähigkeit der Schiffe jederzeit gewährleisten zu können, sind autonome Schiffe auf eine hohe Anzahl redundanter Systeme angewiesen [RR16, S. 3].

Eine weitere Bedrohung der Sicherheit stellen die zunehmenden maritimen Hackerangriffe dar und führen somit zu einer ernstzunehmenden Gefahr für Menschen und Fracht. Von 2017 bis 2019 ist die Anzahl der Cyber-Attacken um mehr als das sechsfache angestiegen [OE20]. Hackerangriffe haben nicht nur eine Bedrohung für sensible Daten zur Folge, sondern können auch die Bordsysteme betreffen und somit beispielsweise Route und Ziel der Fahrt verändern.

Weitere Sicherheitsbedrohungen für autonome Schiffe stellen Spoofing und Jamming, also das Verfälschen und Täuschen von Signalen, dar. Sowohl die Übermittlung falscher Signale (Spoofing) durch eine externe Quelle als auch die Überlagerung eines Satellitensignals durch einen Störsender (Jamming) führen zu einer ungeplanten Beeinflussung der Schiffsnavigation. Eine Folge des Jammings kann beispielsweise der Ausfall der satelliten-basierten Navigation an Bord der Schiffe sein [DLR16d]. Es ist also essenziell, unbemannten Schiffen durch die Kopplung verschiedener Sensortypen, Software und Datenübertragung ein Situationsbewusstsein entwickeln zu lassen, damit sie selbstständig auf etwaige Gefahren wie Kollisionen oder technische Probleme reagieren zu können.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nutzen und Herausforderungen der autonomen Schifffahrt (Stand des Wissens: 05.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?512542
Literatur
[AAWA16] Advanced Autonomous Waterborne Applications (AAWA) Redefining Shipping (Hrsg.) Remote and Autonomous Ships - The next steps, 2016
[DLR16d] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. GALANT gegen Jamming und Spoofing - Unterdrückung von Stör- und Täuschsignalen auf See, 2016/08/01
[OE20] Offshore Energy (Hrsg.) Ports increasingly targeted by cyberattacks as maritime incidents surge, 2020
[RR16] Rolls-Royce (Hrsg.) Autonomous ships - The next step, 2016
Glossar
AIS Automatic Identification System See- und Binnenschifffahrt-Funksystem, das durch den automatischen Austausch eines standardisierten Datensatzes die Sicherheit des Schiffsverkehrs verbessert. Berufsschiffe über 300 BRZ in internationaler Fahrt bzw. über 500 BRZ in nationaler Fahrt sind verpflichtet, einen AIS-Transponder zu betreiben. Aeronautical Information Service Dieser Luftfahrtinformationsdienst ist eine zentrale Informations- und Beratungsstelle für Flugbesatzungen und Flugbetriebsunternehmen. AIS befasst sich unter anderem mit der Beschaffung, Aufbereitung und Bekanntmachung von relevanten Daten (Dynamic/Static Data) wie Luftraumeinschränkungen, Wetter, NOTAM, Überflugs-, Landebewilligungen usw. Diese Informationen sind für die sichere, geordnete und flüssige Durchführung von Flügen notwendig.
elektronische Seekarte Die elektronische Seekarte stellt das Kartenbild nicht mehr auf Papier, sondern die digitalisierten Informationen auf einem Display dar. Neubauten müssen ab 2011 mit ECDIS ausgerüstet sein, die Bestandsflotte soll schrittweise mit ECDIS ausgestattet werden. Abgekürzt ECDIS="Electronic Chart Display"
Global Positioning System Global Positioning System (GPS), offiziell NAVSTAR GPS, ist ein globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung und Zeitmessung. GPS basiert auf Satelliten, die mit kodierten Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus den Signallaufzeiten können GPS-Empfänger dann ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?512729

Gedruckt am Mittwoch, 17. April 2024 00:07:39