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Kostenverlagerung durch die Autonome Schifffahrt

Erstellt am: 27.08.2020 | Stand des Wissens: 05.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Im Allgemeinen setzen sich die Gesamtkosten eines Schiffes aus Investitionskosten, Betriebskosten und Reisekosten zusammen. Unter den Investitionskosten sind alle Aufwendungen zu verstehen, die im Zusammenhang mit dem Kauf eines Schiffes anfallen. Betriebskosten sind fixe, reiseunabhängige Kosten. Hierzu zählen zum Beispiel Instandhaltungskosten, Personalkosten und Hafenkosten (unter anderem Lotsgeld, Hafengebühren und Kaigeld). Dagegen sind Reisekosten variabel und fallen nur im Fall einer Reise an. Zu den Reisekosten zählen beispielsweise Kosten für den Hafenanlauf oder für die Be- und Entladung des Schiffes [Malc80, S. 131]. Grundsätzlich ist die Zusammensetzung der Kosten vom Schiffstyp und der Schiffsgröße abhängig.

Der Vergleich der Kostenzusammensetzung zwischen einem autonomen und einem herkömmlichen Schiff erfolgt anhand eines Beispiels. Hierfür wird als Referenzschiff ein eher kleines Schiff für den Transport von Massengütern, ein sogenanntes Bulkschiff, mit einem Kapitalwert von 34 Millionen US-Dollar betrachtet. Die Gesamtkosten des herkömmlichen Bulkschiffes teilen sich, wie in Abbildung 1 gezeigt, auf.
kostenzusammensetzung bulk carrier.pngAbb. 1: Kostenzusammensetzung am Beispiel eines herkömmlichen Bulkschiffes [Kret17]
Für den Einsatz autonomer Schiffe ist übergeordnet zu berücksichtigen, dass die Investitionen in innovative Technologien mit Unsicherheiten verbunden sind. Allgemein ist die Berechnung der Rendite neuer Schiffe auf 25 Jahre, also die durchschnittliche Lebensdauer eines Schiffes, ausgelegt. Jedoch ist eine Abschätzung der Trendentwicklung hinsichtlich des Einsatzes autonomer Schiffe in den nächsten Jahren schwer möglich, sodass sich hieraus ein Hindernis in die Investition autonomer Schiffe ergibt [SMN18].

Hinsichtlich der Investitionskosten autonomer Schiffe ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass Einrichtungen zur Unterbringung der Besatzung an Bord wegfallen. Dies hat gleichzeitig eine Reduzierung der Reisekosten zur Folge, da durch den Wegfall eines Deckshauses eine Verminderung von Gewicht und Luftwiderstand möglich ist. Eine Reduktion des verbrauchten Treibstoffs um bis zu sechs Prozent ist erreichbar [SMN18]. Auf der anderen Seite sind neue, kostenintensive Technologien für den Betrieb autonomer Schiffe notwendig [Kret17, S. 82]. So werden in autonomen Schiffen beispielsweise anstelle von einem Propeller kostenintensive Antriebe mit zwei Schiffspropellern verbaut, um die Ausfallsicherheit zu erhöhen. Insgesamt werden höhere Anforderungen an Redundanzsysteme gestellt [SMN18]. Im Vergleich zu herkömmlichen Schiffen fallen nach heutigem Stand die Produktionskosten autonomer Schiffe aufgrund der technischen Ansprüche höher aus. Im Referenzfall werden die Investitionskosten des autonomen Schiffes als 110 Prozent der Investitionskosten eines herkömmlichen Bulkschiffes definiert [Kret17, S. 84].

Kostenreduzierungen autonomer Schiffe im Vergleich zu herkömmlich betriebenen Schiffe ergeben sich durch Einsparungen im Bereich der Betriebskosten [MUNIN16a]. Einerseits fallen auf autonomen Schiffen keine Personalkosten für die Crew an Bord an. Andererseits entstehen zusätzliche Kosten durch landseitig benötigtes Personal. Dieses ist beispielsweise für Wartungs- und Reparaturarbeiten zuständig, sobald das Schiff im Hafen liegt. Ebenfalls sind landseitige Leitstellen mit Personal zu besetzen.

Außerdem sind bei autonomen Schiffen gegebenenfalls Kosten für den Hafenanlauf zu berücksichtigen. Diese lassen sich bei den Reisekosten eingliedern und fallen an, wenn Schiffe in oder aus dem Hafen zu manövrieren sind [Kret17, S. 82].

Insgesamt lässt sich feststellen, dass unter bestimmten Gegebenheiten der Einsatz autonomer Schiffe heute schon rentabel durchgeführt werden kann. Neben einer Effizienzsteigerung landseitiger Services sorgen insbesondere die zuvor beschriebenen Änderungen im Design autonomer Schiffe im Vergleich zu herkömmlichen Schiffen dafür, dass das langfristige Ertragspotential höher ausfallen kann [MUNIN16b].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nutzen und Herausforderungen der autonomen Schifffahrt (Stand des Wissens: 05.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?512542
Literatur
[Kret17] Lutz Kretschmann,, Hans-Christoph Burmeister,, Carlos Jahn Analyzing the economic benefit of unmanned autonomous ships: An exploratory cost-comparison between an autonomous and a conventional bulk carrier, veröffentlicht in Research in Transportation Business & Management, Ausgabe/Auflage 25, 2017
[Malc80] Günther Malchow Die Kosten des Seeschiffes, veröffentlicht in Schifffahrtskaufmann. Repetitorium in Frage und Antwort, Ausgabe/Auflage 5., neu bearbeitete Auflage, Wiesbaden, Gabler Verlag, 1980
[MUNIN16a] MUNIN (Hrsg.) MUNIN Results, 2016
[MUNIN16b] MUNIN (Hrsg.) Research in Maritime Autonomous Systems. Project Results and Technology Potentials., 2016
[SMN18] Torgeir Willumsen,, Vogt Simonsen A commercial reality check for autonomous shipping in 2018 , 2018/03/06
Glossar
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?512615

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 19:21:48