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Soziale Aspekte der Belastung durch Luftschadstoffe aus dem Verkehr

Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 10.11.2023
Synthesebericht gehört zu:

Motorisierter Verkehr ist einer der Hauptverursacher von Umweltbelastungen durch Luftschadstoffe aus energiebedingten Emissionen. Im bundesdeutschen Durchschnitt liegt sein Beitrag bei 52 Prozent für Stickoxide (NOx) und 52 Prozent für PM10 (Feinstaub) und somit mit am höchsten im Vergleich zu anderen Sektoren wie Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe oder Energiegewinnung [Dreh21]. Aufgrund der räumlichen Konzentration des Straßenverkehrs liegen diese Anteile in urbanen Bereichen oft sogar noch höher [UBA018].
Eine Belastung durch diese Schadstoffe hat negative Effekte für die menschliche Gesundheit. Dazu gehören eine steigende Anzahl der (Notfall-)Behandlungen in Krankenhäusern besonders für Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislaufprobleme sowie chronische Schädigungen der Atemwege und ein erhöhtes Sterberisiko durch Herz-Kreislauferkrankungen [BALLF05; HKJL14; HUMM17]. Auch die Entwicklung ungeborener Kinder im Mutterleib, die Anzahl von Frühgeburten sowie die Rate von Atemwegserkrankungen in den ersten Lebensjahren werden von den genannten Luftschadstoffen negativ beeinflusst [COSP10; WHUN04].
Gleichzeitig wird immer wieder festgestellt, dass die Belastung durch Luftschadstoffe für verschiedene Bevölkerungsgruppen an ihrem Wohnort ungleich verteilt ist: Kinder deren Eltern einen niedrigeren Bildungsstandard haben, sind nach Bolte et al. [SBBH04] stärker von Verkehrsemissionen belastet. Köckler et al. [KKKK08] fanden für die Stadt Kassel heraus, dass eine höhere Dichte von Menschen mit Migrationshintergrund, niedrigeres pro Kopf Einkommen und ein niedrigerer Bildungsabschluss mit höherer Belastung durch Stickstoffdioxid und PM10 zusammenhängen. Auch Mielck [MIEL04a] stellte fest, dass die wahrgenommene Belastung durch Luftschadstoffe aus dem Verkehr mit sinkenden Haushaltseinkommen tendenziell steigt, was auf einen systematischen Zusammenhang der beiden Variablen zurückgeführt wurde.
Zusätzlich sind gerade die stärker betroffenen Gruppen oft gesundheitlich anfälliger für die Folgeschäden solcher Belastung. Solche Zusammenhänge wurden beispielsweise im Rahmen des nationalen Gesundheitsmonitorings nachgewiesen [LKLM13] und auch Hornberg et al. [HOLZ09] dokumentieren eine Vielzahl entsprechender Erkenntnisse in ihrer Metaanalyse zum Thema umweltbedingte Krankheitslast (Environmental Burden of Disease EBD). Die Autoren identifizierten in Bezug auf Feinstaubbelastung (hier PM2.5 und PM10) ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Erkrankungen sowie assoziierten Todesfällen "insbesondere bei Kindern und älteren Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen (z. B. Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Atemwegserkrankung; COPD) sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen" [HOLZ09, S. 151], besonders im Falle erhöhter Belastungsszenarien.
Im Rahmen einer Metastudie für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden auch Fallstudien aus anderen Ländern dokumentiert, die belegen, dass u.a. kleine Kinder, ältere Menschen und jene mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status bei vergleichbarer Belastung mit Luftschadstoffen ein höheres Risiko negativer Gesundheitseffekte tragen als die jeweiligen Vergleichsgruppen.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Soziale Dimension von Mobilität und Verkehr (Stand des Wissens: 24.06.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?507232
Literatur
[BALLF05] Ballester, F. Air Pollution and Health. An Overview with some Case Studies, veröffentlicht in Environmental Health Impacts of Transport and Mobility, Dordrecht: Springer (Environmental Science and Technology Library, 21), 2005
[COSP10] Coneus, Katja, Spieß, C. Katharina Pollution Exposure and Infant Health: Evidence from Germany, veröffentlicht in SOEP papers on Multidisciplinary Panel Data Research, Ausgabe/Auflage 312/2010, Berlin: DIW, 2010
[Dreh21] Dreher, Marion Übersicht zur Entwicklung der energiebedingten Emissionen und Brennstoffeinsätze in Deutschland 1990 - 2019
, 2021/07
[HKJL14] Hänninen, Otto, Knol, Anne B., Jantunen, Matti, Lim, Tek-Ang, Conrad, André, Rappolder, Marianne , et al. Environmental burden of disease in Europe: assessing nine risk factors in six countries, veröffentlicht in Environmental Health Perspectives, Ausgabe/Auflage 122 (5), 2014, Online-Referenz doi:10.1289/ehp.1206154
[HOLZ09] Holz-Rau, Christian Raum, Mobilität und Erreichbarkeit - (Infra-)Strukturen umgestalten?, veröffentlicht in Steigende Verkehrskosten - bezahlbare Mobilität, Ausgabe/Auflage (Informationen zur Raumentwicklung, 12.2009), BBSR - Bundesinstitut für Bau, Stadt- und Raumforschung, 2009
[HUMM17] Hummelsheim-Doss, Dina Objektive und subjektive Sicherheit in Deutschland. Eine wissenschaftliche Annäherung an das Sicherheitsgefühl, veröffentlicht in Aus Politik und Zeitgeschichte, Ausgabe/Auflage 32-33, 2017
[KKKK08] Köckler, Heike, Katzschner, Lutz, Kupski, Sebastian, Katzschner, Antje, Petz, Anika Umweltbezogene Gerechtigkeit und Immissionsbelastungen am Beispiel der Stadt Kassel, veröffentlicht in CESR-PAPER 1, kassel university press GmbH, Kasse, 2008, ISBN/ISSN 978-3-89958-379-3
[LKLM13] Lampert, T., Kroll, L. E., Lippe, E. von der, Müters, S., Stolzenberg, H. Sozioökonomischer Status und Gesundheit. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1), veröffentlicht in Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, Ausgabe/Auflage 56 (5-6), 2013, Online-Referenz doi:10.1007/s00103-013-1695-4
[MIEL04a] Mielck, Andreas Unterschiede bei Lärmbelastung und Luftverschmutzung nach dem Haushaltseinkommen, veröffentlicht in Umweltgerechtigkeit. Die soziale Verteilung von Umweltbelastungen, Weinheim und München: Juventa (Gesundheitsforschung), 2004
[SBBH04] Bolte, Gabriele, Elvers, Horst-Dietrich, Schaaf, Beate, Berg, Andrea von, Borte, Michael, Heinrich, Joachim Soziale Ungleichheit bei der Belastung mit verkehrsabhängigen Luftschadstoffen. Ergebnisse der Kinderkohortenstudie LISA, veröffentlicht in Umweltgerechtigkeit. Die soziale Verteilung von Umweltbelastungen, Weinheim und München: Juventa (Gesundheitsforschung), 2004
[UBA018] UBA - Umweltbundesamt (Hrsg.) Nationale Trendtabellen für die deutsche Berichterstattung atmosphärischer Emissionen. 1990 - 2016, Dessau-Roßlau, 2018
[WHUN04] WHO Regional Office for Europe, UNECE - United Nations Economic Commission for Europe Transport-related Health Effects with a Particular Focus on Children. Towards an Integrated Assessment of Their Costs and Benefits. State of the Art Knowledge, Methodological Aspects and Policy Direct, Wien, 2004
Glossar
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?507181

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 12:17:57