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Mobilität und Gesundheit

Erstellt am: 19.12.2019 | Stand des Wissens: 10.11.2023
Synthesebericht gehört zu:

Eine gesundheitsorientierte Betrachtung des Themas Mobilität hat zwei Aspekte: zum einen ist regelmäßige Bewegung ein wichtiger Faktor für menschliches Wohlbefinden und Gesundheit. Zum anderen stellt sich die Frage nach den gesundheitlichen Risiken, die mit der Nutzung verschiedener Verkehrsmittel verbunden sind, gerade auch im Straßenverkehr.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Empfehlungen für körperliche Aktivität zur Gesundheitsförderung formuliert [WHO010]. Sie unterscheiden drei Altersgruppen, für die aufgrund ihrer jeweiligen physischen Entwicklungsstadien verschiedene Richtwerte gelten: 5 bis 17-Jährige, 18 bis 64-Jährige und über 65-Jährige. Kinder und Jugendliche sollten nach diesen Empfehlungen für mindestens 60 Minuten pro Tag moderat oder intensiv körperlich aktiv sein, Erwachsene und ältere Menschen sollten für mindestens 150 Minuten pro Woche moderate aerobische körperliche Aktivitäten ausüben (oder 30 Minuten täglich an mindestens 5 Tagen pro Woche) und ältere Menschen sollten zusätzlich an mindestens drei Tagen in der Woche Aktivitäten nachgehen, die Gleichgewicht und Balance üben. Zufußgehen und Radfahren werden für alle drei Gruppen als Möglichkeit für solche Aktivitäten genannt [WHO010]. Die Empfehlungen zielen bei Kindern darauf ab, Muskelaufbau, Knochendichte und eine positive Entwicklung kardiovaskulärer Gesundheit zu unterstützen sowie depressiven Erkrankungen vorzubeugen. Im Erwachsenenalter weitet sich der Fokus zusätzlich auf die Vorbeugung oder Linderung von Diabetes, Krebs und Fettleibigkeit sowie von Erkrankungen des Herzkreislaufsystems. Für ältere Menschen besteht des Weiteren das Ziel, dem Abbau kognitiver Fähigkeiten entgegen zu wirken.
Eine Auswertung der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) hat jedoch gezeigt, dass fast 80 Prozent der Erwachsenen weniger als 150 Minuten pro Woche aktiv sind ein Anteil, der bei älteren Menschen und Frauen generell noch höher liegt. Auch ein niedrigerer Sozialstatus steht mit weniger körperlicher Aktivität in Verbindung [KJMM13]. Eine vermehrte Nutzung beziehungsweise Ausübung von nicht-motorisiertem, also aktivem Verkehr (NMV) kann helfen, dieser Problematik entgegenzuwirken, zumal sie im Gegensatz zu spezifischen sportlichen Aktivitäten leichter in den normalen Tagesablauf integriert werden können (beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit).
Andererseits bestehen Bedenken, dass Menschen, die häufiger Zufußgehen oder Radfahren, einem höheren Unfallrisiko sowie vermehrt der negativen Einwirkung von Luftschadstoffen ausgesetzt sind. Mehrere Primärstudien (eigene Sammlung von empirischen Daten) sowie Sekundäranalysen anderer Studien (Literaturschau oder -review) der vergangenen Jahre kommen jedoch übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der individuelle gesundheitliche Nutzen durch vermehrte körperliche Aktivität größer ist, als die zusätzlichen oben erwähnten Risiken [MRCN15; TNGK16; CSFK17]. Zwar unterscheiden sich die jeweils beobachteten positiven Effekte leicht in Abhängigkeit von zum Beispiel der Nähe zu viel befahrenen Straßen [MRCN15; CSFK17] oder sozioökonomischen Eigenschaften wie Alter oder sozialem Status [MRCN15]. Es wurde aber keine Gruppe gefunden, für die die zusätzlichen Risiken höher waren als der gesundheitliche Nutzen.
Ergänzend ist davon auszugehen, dass eine vermehrte Verlagerung vom motorisierten auf nicht-motorisierten Verkehr im städtischen Umfeld auch zur Reduktion (schwerer) Unfälle und Schadstoffemissionen beiträgt. Dieser Effekt ist bisher jedoch noch wenig untersucht [MRCN15].
Insgesamt bietet die enge Verknüpfung der Aspekte urbane Attribute - körperliche Aktivität - Gesundheit großes Potenzial für Synergieeffekte von Umwelt-, Gesundheits-, Verkehrs- und Stadtplanung ([KISA11]; siehe auch Sb Walkability und Bewegung). Die Anerkennung der hohen Relevanz von Verkehr für Gesundheit zeigt sich auch in den Aktivitäten des Transport, Health and Environment Pan-European Programme (THE PEP), welches bereits 1999 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Ökonomische Kommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) gegründet wurde.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Soziale Dimension von Mobilität und Verkehr (Stand des Wissens: 24.06.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?507232
Literatur
[CSFK17] Cepeda, Magda, Schoufour, Josje, Freak-Poli, Rosanne, Koolhaas, Chantal M., Dhana, Klodian, Bramer, Wichor M., Franco, Oscar H. Levels of ambient air pollution according to mode of transport. A systematic review, veröffentlicht in The Lancet Public Health, Ausgabe/Auflage 2 (1), 2017, Online-Referenz doi:10.1016/S2468-2667(16)30021-4
[KISA11] Kis, Anne Körperliche Aktivität und urbaner Raum. Ein raumanalytischer-statistischer Beitrag zur gesundheitsoptimierten Stadtplanung Hamburgs, Universität Hamburg, Hamburg. Institut für Geographie, 2011
[KJMM13] Krug, S., Jordan, S., Mensink, G. B. M., Müters, S.; Finger, J., Lampert, T. Körperliche Aktivität. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1), veröffentlicht in Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, Ausgabe/Auflage 56 (5-6), 2013, Online-Referenz doi:10.1007/s00103-012-1661-6
[MRCN15] Mueller, Natalie, Rojas-Rueda, David, Cole-Hunter, Tom, Nazelle, Audrey de, Dons, Evi, Gerike, Regine, et al. Health impact assessment of active transportation. A systematic review, veröffentlicht in Preventive Medicine, Ausgabe/Auflage 76, 2015, Online-Referenz doi:10.1016/j.ypmed.2015.04.010
[TNGK16] Tainio, Marko, Nazelle, Audrey J. de, Götschi, Thomas, Kahlmeier, Sonja, Rojas-Rueda, David, Nieuwenhuijsen, Mark J. , et al. Can air pollution negate the health benefits of cycling and walking?, veröffentlicht in Preventive Medicine, Ausgabe/Auflage 87, 2016, Online-Referenz doi:10.1016/j.ypmed
[WHO010] WHO - World Health Organisation Global recommendations on physical activity for health, Geneva: World Health Organization, 2010
Glossar
NMV Nichtmotorisierter Verkehr (NMV): Nichtmotorisierte Verkehrsmittel zur individuellen Nutzung wie Fahrrad und die eigenen Füße werden als Nichtmotorisierter Verkehr bezeichnet.
Economies of Scope
Economies of Scope sind Verbundeffekte beziehungsweise Synergieeffekte, die entstehen, wenn die Kosten für die gemeinsame Betreuung zweier zusammengeführter Segmente in einem Unternehmen niedriger ist als die zweier voneinander isolierter Segmente.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?507176

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 15:10:33