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Building-Information-Modeling im Anwendungsfeld von Infrastrukturbauten

Erstellt am: 07.08.2019 | Stand des Wissens: 15.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Unter Infrastrukturbauten sind im Bereich Straße und Schiene Bauwerke wie Brücken oder Tunnel zu verstehen. Vor dem Hintergrund eines älter werdenden Bauwerksbestands und eines stetig wachsenden Verkehrsaufkommens kommt dem Ersatzneubau sowie der Prüfung und Überwachung dieser Ingenieurbauwerke eine immer größere Bedeutung zu [VAD19, Frie12]. Building-Information-Modeling (BIM) kommt hier einerseits im Zuge von Neubauten zur Optimierung der Prozesse zum Einsatz, andererseits kann BIM diesbezüglich ebenso im Bereich der Erhaltung eine Chance sein [Koe16].
Es gibt eine Vielzahl von Herausforderungen bei der Modellierung von Brückenbauwerken mittels BIM [Koe16]. Brücken sind als lineare Bauwerke stark abhängig von der zugrunde liegenden Trassierung und darüber hinaus beeinflussen Gelände und Bodenverhältnisse das Tragsystem der Brücke. Diese Voraussetzungen führen zu komplexeren Geometrien, wie beispielsweise gekrümmter oder geneigter Flächen, als im Hochbau. Mittlerweile wurden die für die Planung verwendeten Softwareprogramme jedoch so weiterentwickelt, dass sie diesen Anforderungen besser gerecht werden. Nicht nur für den Bau, auch für die lange Phase des Betriebs von Brückenbauwerken bietet der Einsatz von BIM Vorteile. So kann auf Basis von 3-D-Modellen des Bauwerks die Erfassung des Zustands durch Hinterlegen von Inspektionsdaten erfolgen und darauf aufbauend eine Zustandsbewertung und -prognose stattfinden. Da für den Großteil der Brückenbauwerke in Deutschland bisher keine BIM-Modelle existieren, ist die große Herausforderung, diese Modelle verfügbar zu machen. Da eine manuelle Nachmodellierung als sehr aufwendig eingeschätzt wird, wird derzeit an der automatisierten Erfassung, zum Beispiel mittels Laserscanning, geforscht. Bis zur praktischen Umsetzung dieser Methoden müssen jedoch weitere Erfahrungen gesammelt und eventuell technische Weiterentwicklungen forciert werden [SiBo16].
Im Bereich des Tunnelbaus, der einen hochgradig interdisziplinären Bereich des Ingenieurwesens darstellt, sind 3-D-Modelle bisher nicht Standard. Einerseits ist der Tunnelbau im Gegensatz zum klassischen Hochbau als bewegliche Baustelle anzusehen, sodass neben einer zeitlichen auch eine räumliche Entwicklung dargestellt werden muss. Andererseits werden teilweise gegensätzliche Anforderungen an die benötigten Daten gestellt: Während für die Trassenplanung sehr präzise räumliche Informationen gefordert werden, sind die erforderlichen Bodenverhältnisse für Setzungsberechnungen häufig nicht genau, sondern nur für bestimmte Stellen oder als Wahrscheinlichkeitsverteilungen bekannt. Während des Tunnelvortriebs werden weitere Daten über Bodenparameter erhoben, die in Modelle einfließen sollten [Koe16].
Um Erfahrungen im Umgang mit BIM zu erlangen und zu prüfen, wie den Herausforderungen zur Anwendung von BIM bei Infrastrukturbauwerken begegnet werden kann, werden im Rahmen des Stufenplans seit 2015 Pilotprojekte gefördert. Die vier Projekte der ersten Generation waren Brücken- und Tunnelbauvorhaben in den Bereichen Straße und Schiene.
Die Talbrücke Auenbach bei Chemnitz (Sachsen) soll nach Neubau zusammen mit der B 107 einen Wirtschaftsweg und eine Bahnstrecke über das Auenbachtal führen. Die Anwendung von BIM erfolgt hier in den frühen Entwurfsphasen (Leistungsphase 2 nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure), genauer in der Vorentwurfsplanung, der Bauwerksmodellierung, Variantenbildung, Mengen- und Kostenberechnung sowie der Bewertung der Varianten und der Integration von Fachplanungen. Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) entwickelte ein Gesamtmodell als Basis für alle weiteren Prozesse, das alle Teilmodelle wie die Ingenieurbauwerke, Verkehrsanlagen und Umwelt enthält. Dieses Modell wurde zudem mit Kosten und Terminen verknüpft, um bereits frühzeitig die Planung zu optimieren. Rückblickend betrachtete der Auftraggeber insbesondere die erwartete Kostensicherheit durch Verwendung von BIM sowie die dreidimensionale Visualisierung für die Kommunikation mit Dritten als vorteilhaft [DEGES17, BMVI17an]. Für den Auftragnehmer stand insbesondere die schnelle und konsistente Generierung von Planungsalternativen im Vordergrund [BoKo17b].
Im Zuge der A 19 wird durch die DEGES der Ersatzneubau der Brücke über den Petersdorfer See (Mecklenburg-Vorpommern) realisiert [BoKo17]. Das Projekt Petersdorfer Brücke befand sich bereits in der Phase der Vergabe der Bauleistung, als es zum BIM-Pilotprojekt wurde. Auf Grundlage der vorliegenden 2-D-Planungen wurden nachträglich detaillierte 3-D- und 4-D-Modelle erstellt, die insbesondere der Visualisierung des Bauvorhabens sowie der Plausibilisierung der Bauphasen und Mengenberechnungen dienen. Dabei stellte die komplexe Geometrie des Überbaus der Brücke eine Herausforderung dar, die aber bewältigt wurde. Zudem wurde erkannt, dass die konventionelle Planung Fehler aufwies, die erst mit Erstellung eines 3-D-BIM-Modells sichtbar wurden. Außerdem wurde die Verwendung von BIM mit dem Projektmanagementsystem EPLASS verbunden. Trotz der sehr späten Anwendung von BIM parallel zur konventionellen Vorgehensweise konnten Einsichten über das Potenzial von BIM erlangt werden [DEGES15].
Die Filstalbrücke ist eine Eisenbahnüberführung über das Filstal und Teil der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke Wendlingen-Ulm. Im Pilotprojekt "Filstalbrücke" wird der BIM-Einsatz im Zuge der Bauausführung erprobt. Daher lagen Schwerpunkte der Anwendung von BIM auf der Erstellung eines 4-D-Modells als Grundlage für die Baufortschrittskontrolle und die Abrechnung von Bauleistungen sowie dem Mängelmanagement. Zunächst wurde ein detailliertes 3-D-Modell erstellt. Aus diesem Modell wurden einerseits Schalpläne abgeleitet, andererseits entstand durch die Verknüpfung des 3-D-Modells mit Bauzeitenplänen das geforderte 4-D-Modell, welches kontinuierlich aktualisiert wurde. Die Vorteile des BIM-gestützten Mängelmanagements konnten nicht genutzt werden, da die mobil generierten Protokolle nicht den geltenden Formularen entsprachen. Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass die technischen Voraussetzungen in vielen Fällen gegeben sind, jedoch die organisatorisch-rechtlichen Randbedingungen, wie die Anerkennung von Protokollen, die von BIM-Systemen generiert wurden, verbessert werden müssen [BMVI17ao, KaCl18].
Das Pilotvorhaben "Tunnel Rastatt" ist Teil der Eisenbahnstrecke Karlsruhe-Basel und führt die Schienen auf einer Länge von ungefähr 4,2 Kilometer unter der Stadt Rastatt. Im Rahmen des Projekts wurde BIM parallel zum konventionellen Prozess verwendet, um einerseits Erfahrungen im Umgang mit BIM bei Tunnelbauprojekten zu sammeln und andererseits beide Herangehensweisen zu vergleichen. Auf Grundlage der 2-D-Planung wurde ein sehr detailliertes BIM-Modell erarbeitet, welches im Anschluss mit Zeit- und Kosteninformationen verknüpft (4- und 5-D-Modell) und für die modellbasierte Abrechnung genutzt wurde. Insgesamt konnte mit dem Pilotprojekt gezeigt werden, dass die BIM-Methodik grundsätzlich auch für komplexe Tunnelbauprojekte verwendet werden kann. Eine Herausforderung war jedoch der Umfang der Teilmodelle und deren Zusammenführung zu einem Gesamtmodell. Hier kam es zu langen Ladezeiten und Verzögerungen bei der Visualisierung [KaCl18].
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Effizientere Fahrwege mittels Bauwerksdatenmodellierung und Anwendung der Methode des Building-Information-Modeling (Stand des Wissens: 11.11.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?502813
Literatur
[BMVI17an] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Umsetzung des Stufenplans Digitales Planen und Bauen - Erster Fortschrittsbericht, 2017/01
[BMVI17ao] André Borrmann, Markus König, Julian Amann, Matthias Braun, Robert Elixmann, Klaus Eschenbruch, Kerstin Hausknecht, Markus Hochmuth, Thomas Liebich, Markus Scheffer, Simon Vilgertshofer Wissenschaftliche Begleitung der BMVI-Pilotprojekte zur Anwendung von Building Information Modeling (BIM) im Infrastrukturbau - Filstal, 2017/08/01
[BoKo17] André Borrmann, Markus König, Julian Amann, Matthias Braun, Robert Elixmann, Klaus Eschenbruch, Kerstin Hausknecht, Markus Hochmuth, Thomas Liebich, Markus Scheffer, Simon Vilgertshofer Wissenschaftliche Begleitung der BMVI-Pilotprojekte zur Anwendung von Building Information Modeling (BIM) im Infrastrukturbau - Petersdorfer See, 2017/08/01
[BoKo17b] André Borrmann, Markus König, Julian Amann, Matthias Braun, Robert Elixmann, Klaus Eschenbruch, Kerstin Hausknecht, Markus Hochmuth, Thomas Liebich, Markus Scheffer, Simon Vilgertshofer Wissenschaftliche Begleitung der BMVI-Pilotprojekte zur Anwendung von Building Information Modeling (BIM) im Infrastrukturbau - Talbrücke Auenbach, 2017/08/01
[DEGES15] Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH Pilotprojekt Petersdorfer Brücke, 2015
[DEGES17] Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH Building Information Modeling im Straßenbau - Erfahrungen und Perspektiven, 2017
[Frie12] Wolf-Dieter Friebel Bauwerkserhaltung in Bundesfernstraßen unter Nutzung von ZfP-Verfahren, 2012
[KaCl18] Robert Kaden, Christian Clemen, Robert Seuß, Jörg Blankenbach, Ralf Becker, Andreas Eichhorn, Andreas Donaubauer, Thomas H. Kolbe, Ulrich Gruber, DVW - Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement e. V., Runder Tisch GIS e.V. (Hrsg.) Leitfaden Geodäsie und BIM, Ausgabe/Auflage DVW-Merkblatt 11-2018 , 2018/10/01, ISBN/ISSN 978-3-00-057795-6
[Koe16] M. König, J. Amann, A. Borrmann, M. Braun, R. Elixmann, K. Eschenbruch, A. Goetz, K. Hausknecht, M. Hochmuth, T. Liebich, N. Nejatbakhsh, M. Scheffer, D. Singer Wissenschaftliche Begleitung der BMVI-Pilotprojekte zur Anwendung von BIM im Infrastrukturbau. Materialsammlung., 2016
[SiBo16] Dominic Singer, André Borrmann Machbarkeitsstudie BIM für Bestandsbrücken. Schlussbericht, 2016/03/15
[VAD19] Verkehrsakademie Dortmund Kontrolle von Brücken- /Ingenieurbauwerken, 2019

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?502293

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 03:46:29