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Potenziale von Radschnellwegen im Alltagsverkehr

Erstellt am: 27.05.2019 | Stand des Wissens: 14.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Die Potenziale von Radschnellwegen im Alltagsverkehr erschließen sich vordergründig aus den mit dem Fahrrad zurückgelegten beziehungsweise zurücklegbaren Distanzen, den Reisezeiten und Geschwindigkeiten.

Aktuelle Erkenntnisse zu den mit dem Fahrrad zurückgelegten Wegelängen lassen sich aus den Erhebungen "Mobilität in Deutschland (MiD) 2017" und "Mobilität in Städten (SrV) 2018" ableiten. Die mittlere Länge einer Fahrradfahrt beträgt damit im deutschen Durchschnitt mittlerweile 3,9 Kilometer [Foll19]. Durch den steigenden Anteil an elektrounterstützten Fahrrädern (seit 2018 verzeichnet die Branche ein jährliches Verkaufsplus von über 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) nehmen auch die durchschnittlichen Weglängen zu. Vor allem im hügeligen ländlichen Raum werden Strecken von durchschnittlich fast 5 Kilometern zurückgelegt [ESrV18]. Die mit dem Fahrrad gefahrenen mittleren Längen unterscheiden sich jedoch regional und im urbanen-ländlichen-Kontext zum Teil merklich.

Interessanterweise zeigen aktuelle Erkenntnisse, dass Pedelecs vor allem in ländlichen Gebieten verbreitet sind (acht bis zehn Prozent der Haushalte). In den großen Metropolen sind Pedelecs besonders selten (Verfügbarkeit in drei Prozent der Haushalte). Bezogen auf die Einwohner ist der Anteil von Pedelecs im kleinstädtischen, dörflichen Raum um den Faktor drei höher als in Metropolen. Dabei werden mittlerweile bereits fünf Prozent aller Fahrradwege mit dem Pedelec durchgeführt. Bei langen Wegen über 15 Kilometer ist der Anteil mit dem Pedelec zurückgelegter Wege mit 15 Prozent bereits dreimal höher als der Durchschnitt aller mit dem Pedelec zurückgelegten Fahrradwege [Nobi18].

Wird der Modal Split nach Entfernungsklassen betrachtet, werden die Potenziale des Radverkehrs im Alltagsverkehr noch deutlicher. Der höchste Anteil des Fahrrads am Modal Split liegt nach aktuellen Auswertungen der Erhebung Mobilität in Deutschland MiD 2017 [BMVI18x] in allen Raumtypen im Entfernungsbereich von ein bis zwei Kilometern, gefolgt von der Entfernungsklasse zwei bis fünf Kilometer. Aber auch bei längeren Wegen hat das Fahrrad seine Bedeutung, Tendenz steigend (siehe Tabelle 1).

Es liegt in der Natur der Sache, dass mit steigender Entfernung der Radverkehrsanteil am Modal Split abnimmt. Allerdings werden hier zunehmend auch weitere Strecken mit dem Fahrrad "erschlossen", wobei - neben ausgebauter und sicherer (herkömmlicher) Radverkehrsinfrastruktur - die "Pedelectrisierung" der Fahrradflotte wahrscheinlich einen nicht unerheblichen Beitrag leisten wird, da auch weiter entferntere Ziele mit akzeptablem Zeitaufwand erreichbar werden.
499136_Tabelle 1.PNGTabelle 1: Modal Split nach Entfernungsklassen in Deutschland 2017 [MiT17]
Untersuchungen zur Fahrzeitverkürzung legen erhebliche Potenziale nahe. Beispielsweise sind für den Radschnellweg Ruhr (RS1) Reisezeitverkürzungen von bis zu einer halben Stunde bei vorher einer Stunde und zehn Minuten Fahrzeit durch direktere, schnellere und verlustzeitarme Führung des Radverkehrs auf einem Radschnellweg errechnet worden (Technische Universität Dortmund Bochumer Hauptbahnhof, ermittelte Entfernung ohne Radschnellweg 17,5 Kilometer, mit Radschnellweg 15 Kilometer) [Stei11].
In den Niederlanden wurden schon in den späten 2000er-Jahren auf mittleren Distanzen (7,5 bis 15 Kilometer) bereits 15 Prozent der Wege mit dem Fahrrad absolviert [Stei11].
Zur Verdeutlichung potenzieller Zielgruppen und Einsatzbereiche für Radschnellverbindungen zeigt die Abbildung 1 eine typische Reisezeitverteilung nach Verkehrsmitteln zur Verdeutlichung potenzieller Zielgruppen und Einsatzbereiche für Radschnellverbindungen. Dabei ist ersichtlich, dass ein Pedelec bis zu einer Entfernung von zwei Kilometern mit dem Pkw als schnellstem Verkehrsmittel gleichauf liegt. Das konventionelle Fahrrad hat in kürzeren Entfernungsbereichen, insbesondere auch gegenüber dem ÖPNV, Reisezeitvorteile. Radschnellwege machen das Radfahren noch konkurrenzfähiger. Insbesondere in Verbindung mit elektrischer Unterstützung sind deutliche Steigerungen der Fahrgeschwindigkeiten wirksam und führen dazu, dass das Fahrrad im "Wettbewerb" der Verkehrsmittel einen höheren Stellenwert einnehmen könnte [Regi17, RVSO18].
499136_Abbildung 1.PNGAbbildung 1: Reisezeit inklusive Erschließungszeit, das heißt inklusive Zeitbedarf für Aufsuchen des Pkw-Stellplatzes, Parksuchverkehr, Zu-/Abweg einer Haltestelle) beispielhaft für eine Hauptzielgruppe (Wohngebiet Randbereich Oberzentrum, keine Parksuchzeit) [Regi17]
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Einsatz von Radschnellwegen (Stand des Wissens: 14.12.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?499833
Literatur
[BMVI18x] Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas),, Deutsches Zentrum für Raum- und Luftfahrt (DLR),, IVT Research GmbH,, infas 360 GmbH Mobilität in Deutschland - Tabellarische Grundauswertung - Verkehrsaufkommen - Struktur - Trends, 2018
[ESrV18] TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike, Gerike, Regine, Hubrich, Stefan, Ließke, Frank, Wittig, Sebastian, Wittwer, Rico Was sich zeigt.
Präsentation und Diskussion der Ergebnisse des SrV 2018, 2020/03/13
[Foll19] Follmer, R.,, Gruschwitz, D Mobilität in Deutschland 2017 (MiD Kurzreport) Verkehrsaufkommen - Struktur - Trends, Ausgabe/Auflage Ausgabe Februar 2019, 2019/09
[MiT17] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (Hrsg.) Mobilität in Tabellen (MiT 2017), 2017
[Nobi18] Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas),, Deutsches Zentrum für Raum- und Luftfahrt (DLR),, IVT Research GmbH,, infas 360 GmbH Mobilität in Deutschland 2017 (MiD 2017) - Ergebnisbericht , 2018
[Regi17] Planersocietät Stadtplanung Verkehrsplanung Kommunikation , Planungsbüro VIA e.G. Machbarkeitsstudie e-Radschnellweg Braunschweig-Wolfsburg, 2017/07
[RVSO18] Regionalverband Südlicher Oberrhein (Hrsg.) Radschnellwege Südlicher Oberrhein , 2018/08
[Stei11] Planersocietät - Stadtplanung, Verkehrsplanung, Kommunikation (Hrsg.) Konzeptstudie Radschnellweg Ruhr, 2011/12
Glossar
Pedelec
Pedelec (Pedal Electric Cycle) ist ein Begriff für Elektrofahrräder, bei welchen der Fahrer vom Elektroantrieb unterstützt wird, wenn dieser in die Pedale tritt. Das Fahrrad kommt hierbei auf eine Leistung von bis zu 250 Watt, wodurch eine Geschwindigkeit von bis zu 25 Kilometer pro Stunde erreicht werden kann.
Laut § 1 Absatz 3 des Straßenverkehrsgesetztes (StVG) sind Pedelecs mit dieser Leistung einem Fahrrad rechtlich gleichgestellt.
Bei schnellen Pedelecs (S-Klasse) ist dies nicht der Fall. Diese zählen zu den Kleinkrafträdern und können bei einer maximal erlaubten Nenn-Dauerleistung von 500 Watt eine Geschwindigkeit von bis zu 45 Kilometern pro Stunde erreichen. Deshalb sind für diese eine Zulassung sowie ein Versicherungskennzeichen notwendig.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die prozentuale Verteilung des Personen- und Güterverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen, insbesondere der verkehrlichen Entscheidungen von Unternehmen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?499136

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 01:10:28