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Sonderfall: Beschleunigung von unabhängigen Bahnen

Erstellt am: 22.03.2019 | Stand des Wissens: 21.10.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Wesentliches Merkmal unabhängiger Bahnen ist, dass keine Teilnahme am Straßenverkehr besteht [Pac17]. Es handelt sich hierbei in der Regel um U- oder S-Bahnen sowie den Schienenpersonenverkehr. Das heißt, die vielfältigen Störeinflüsse des Straßenverkehrs sind weitestgehend eliminiert. Die wenigen Stellen, an denen sich Straßenverkehr und unabhängige Bahnen höhengleich kreuzen, sind als Bahnübergänge ausgeführt, welche den Bahnen absoluten Vorrang einräumen [Pac17]. Insofern sind zahlreiche Beschleunigungsmaßnahmen wie ÖPNV-Priorisierung an LSA, Abfangsignalisierungen, eigene ÖPNV-Spuren, usw. für unabhängige Bahnen nicht relevant.
Besteht dennoch Bedarf zur Beschleunigung, muss in vielen Fällen die Streckeninfrastruktur verbessert werden (z.B. durch Elektrifizierung oder Anhebung der Streckenhöchstgeschwindigkeit). In einigen Fällen besteht jedoch die Möglichkeit, mit geeigneten Maßnahmen gezielt die Aufenthaltszeit der Züge an den Haltestellen zu verringern. Dieser Ansatz ist vor allem bei hohem Fahrgastaufkommen vielversprechend, also zum einen an den Knotenpunkten des Fernverkehrs, für die die Deutsche Bahn AG mit PlanStart ein Programm eingeführt hat, um die Abfahrtsverspätungen zu reduzieren [Doll16].
Zum anderen betrifft dies stark genutzte S- oder U-Bahn-Abschnitte in den Metropolregionen, z.B. die S-Bahn-Stammstrecke in München. Ursprünglich für 250.000 Fahrgäste pro Werktag ausgelegt, hat das Münchner S-Bahn-System mittlerweile Fahrgastaufkommen von bis 840.000 Fahrgästen pro Werktag. Das Kernelement ist die sogenannte Stammstrecke - ein S-Bahn-Tunnel, der von insgesamt 7 Linien befahren wird [DBAG17i). Bei der dichten Zugfolge und dem hohen Fahrgastaufkommen führen Verzögerungen beim Fahrgastwechsel einer Bahn automatisch zu Verspätungen der folgenden S-Bahnen.
Um den Fahrgastwechsel zu beschleunigen und die Aufenthaltszeiten der Bahnen an den einzelnen Stationen zu verringern, wurde 2017 ein Pilotprojekt zur Reisendenstromlenkung durchgeführt. An den am stärksten frequentierten Haltestellen ist Personal im Einsatz, das durch direkte Ansprache der Fahrgäste oder durch Lautsprecherdurchsagen die Fahrgäste gleichmäßiger über den Bahnsteig verteilt und außerdem für Reiseauskünfte zur Verfügung steht. Um eine zügige Abfahrt gewährleisten zu können, wird bei Bedarf Nachzüglern der Zutritt zum Fahrzeug blockiert [DBAG19]. Das Pilotprojekt war erfolgreich, sodass die Reisendenstromlenkung mittlerweile fest etabliert ist und auch auf weitere Stationen ausgedehnt werden soll.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Beschleunigung des ÖPNV (Stand des Wissens: 21.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?158416
Literatur
[DBAG17i] Oliver Schumacher Die S-Bahn München und ihr Streckennetz, 2017
[DBAG19] Deutsch Bahn AG (Hrsg.) Pünktliche Abfahrten dank klarer Ansagen, 2019
[Doll16] Doll, Nikolaus 59 Sekunden sind das Ziel der Verspätungspolizei, 2016/08/03
[Pac17] Pachl, Jörn Sicherungstechnik für Bahnen im Stadtverkehr, Springer Vieweg, Wiesbaden, 2017
Glossar
LSA Lichtsignalanlagen LSA (umgangssprachlich: Ampeln) dienen der Steuerung des Straßenverkehrs, indem mittels Lichtsignalen ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer angeordnet wird.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
LSA Lichtsignalanlagen (LSA) dienen der Steuerung des Straßenverkehrs. Sie ordnen für Verkehrsteilnehmer ein bestimmtes Verhalten an, indem sie gesteuerte Signale abgeben. Umgangssprachlich werden sie auch häufig Ampeln genannt.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?496501

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 12:01:22