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Frankfurt (Main) als Praxisbeispiel für die Beschleunigung des ÖPNV

Erstellt am: 19.03.2019 | Stand des Wissens: 21.10.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Frankfurt (Main) ist ein Beispiel für eine Stadt, bei der umgesetzte Beschleunigungsmaßnahmen für den ÖPNV nicht zu langfristigem Erfolg geführt haben. Die Umsetzung geht zurück bis in die 90er-Jahre und hatte ihren Schwerpunkt in der Bevorrechtigung an LSA. Zunächst wurden einige Pilotlinien im Bus- und Straßenbahnverkehr umgerüstet, anschließend bis zum Jahr 2009 circa 250 Ampeln mit ÖPNV-Priorisierung ausgestattet. Dabei verfügen nahezu alle LSA an Stadtbahnstrecken über Vorrangschaltungen, im Busverkehr jedoch (bis auf zwei Linien) nur einige wenige. Daneben wurde der Ausbau von Buskaps vorangetrieben.
Dennoch ist der ÖPNV in Frankfurt durch ein unterdurchschnittliches Geschwindigkeitsniveau sowohl bei Bus (17,9 km/h) als auch bei Straßenbahn (18,2 km/h) geprägt. In vielen anderen Metropolen sind die öffentlichen Verkehrsmittel schneller unterwegs. Des Weiteren haben sich die Fahrzeiten in den letzten Jahren um durchschnittlich 3,5% (Straßenbahn) bzw. 8% (Bus) erhöht in Einzelfällen sogar bis zu 30%! Bei einer der beschleunigten Buslinien liegen die Fahrzeiten mittlerweile wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Beschleunigung. Als Folge sind die längeren Fahrzeiten wenig attraktiv für Fahrgäste. Außerdem besteht unter Umständen Fahrzeugmehrbedarf, um trotz der längeren Fahrzeiten das bisherige Angebot aufrechterhalten zu können.
Grund für die geringen Durchschnittsgeschwindigkeiten sind möglicherweise einige stadtstrukturelle Besonderheiten: Zum einen müssen sich die Straßenbahnen über längere Abschnitte die Fahrbahn mit dem MIV teilen. Besondere Bahnkörper kommen hier aus Platzgründen nicht in Frage. Zum anderen müssen auch dicht getaktete Stadtbusse in den Vororten zahlreiche enge Ortsdurchfahrten passieren. Weiterhin verfügt Frankfurt über zahlreiche Gründerzeitviertel mit schmalen Straßen und hohem Parkdruck. Als Folge konnten bei einer Untersuchung zahlreiche Störeinflüsse ermittelt werden, welche nicht nur an den LSA auftreten.
Frankfurt1_low.pngAbb. 1: Beengte Verhältnisse in einem Gründerzeitviertel in Frankfurt (Main). Hier sind die Busse besonders langsam unterwegs. Quelle: [Wag14]
Um die Probleme in den Griff zu bekommen, wurde eine Ideensammlung erstellt, deren Lösungen sich nicht mehr allein auf die Priorisierung des ÖPNV an LSA beschränken. Vielmehr werden die Themenfelder Haltepunkt, Knotenpunkt, Strecke und komplexe Beschleunigung abgedeckt. Als Vorbilder dienen Anwendungsbeispiele aus zahlreichen anderen deutschen Städten. Vielversprechende Lösungsansätze sind unter anderem Abfang-/Lückenampeln, die ein Einbiegen von Bussen in eine Vorfahrtsstraße erleichtern, die konsequente Führung von Straßen mit Busverkehr als Vorfahrtstraßen (anstatt Rechts-vor-Links-Regelungen) sowie eine dynamische Straßenraumfreigabe (z.B. durch Pförtnerampeln) an Stellen, wo eine eigene ÖPNV-Spur nicht möglich ist. Diese Ideensammlung bildet die Grundlage für weiterführende Planungen [Wag14].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Beschleunigung des ÖPNV (Stand des Wissens: 21.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?158416
Literatur
[Wag14] Wagner, Christian, Schmechtig, Mathias Moderne ÖPNV-Struktur als Garant ökonomischer Reisezeiten, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 11/2014, Alba Fachverlag GmbH+Co. KG Düsseldorf, 2014/11
Glossar
LSA Lichtsignalanlagen LSA (umgangssprachlich: Ampeln) dienen der Steuerung des Straßenverkehrs, indem mittels Lichtsignalen ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer angeordnet wird.
Bahnkörper
Bei Bahnstrecken, die nach der Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) betrieben werden, werden Strecken in drei Kategorien anhand des Bahnkörpers eingeteilt:
Straßenbündige Bahnkörper sind mit ihren Gleisen in Fahrbahnen oder Gehwege eingebettet. Sie nutzen den Verkehrsraum anderer Verkehrsteilnehmer.
Besondere Bahnkörper liegen im Verkehrsraum öffentlicher Straßen, sind jedoch vom übrigen Verkehrsraum mindestens durch Bordsteine oder Hecken oder Baumreihen oder andere ortsfeste körperliche Hindernisse getrennt.
Unabhängige Bahnkörper befinden sich auf Grund ihrer Lage oder Bauart außerhalb des Verkehrsraums öffentlicher Straßen.
Knotenpunkt
Ein Knotenpunkt im Verkehr ist ein Ort, bei dem sich mehrere Verkehrswege gleicher Art kreuzen oder ein Verkehrsweg in einen Verkehrsweg gleicher Art einmündet. In einem Verkehrsknotenpunkt befinden sich mehrere Verkehrsknoten von Verkehrswegen unterschiedlicher Art in unmittelbarer Nähe. In einem Verknüpfungspunkt kann der Übergang zwischen Fahrzeugen eines Verkehrssystems oder zweier verschiedener Verkehrssysteme erfolgen.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?496442

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 01:49:52