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Herausforderungen und Bedürfnisse der Bevölkerung

Erstellt am: 11.03.2019 | Stand des Wissens: 27.07.2023
Synthesebericht gehört zu:

Für die Bevölkerung ländlicher Räume ist es zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse und zur Teilhabe am öffentlichen Leben aufgrund zersiedelter Strukturen und weiter Entfernungen zu Einrichtungen des öffentlichen Lebens umso wichtiger, mobil zu sein. Der demographische Wandel, der die Weichen für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im ländlichen Raum maßgeblich stellt, äußert sich den ÖPNV betreffend vor allem in zwei unterschiedlichen Strömungen [ADAC16a]:
Zum einen folgt aus einer Abwanderung qualifizierter und junger Arbeitskräfte in die Städte und Ballungszentren, dass die Zahl an Kindern und Jugendlichen, die das Rückgrat der Finanzierung des ÖPNV bilden, als auch die gesamte ländliche Bevölkerung sinkt. Zum anderen folgen aus dem Anstieg des Durchschnittsalters der Bevölkerung spezifische Anforderungen wie einem dichten ÖPNV-Netz, Barrierefreiheit und Komfort für den ÖPNV.
Hauptnutzerinnen und -nutzer des ÖPNV im ländlichen Raum stellen vor allem sowohl Jugendliche als auch Seniorinnen und Senioren dar. Zudem nutzen auch sozial Schwächere sowie mobilitätseingeschränkte Personen den ÖPNV. Für die berufstätige Bevölkerung wirkt der ÖPNV oft zu inflexibel um als eine realistische Alternative zum motorisierten Individualverkehr (MIV) in Betracht gezogen zu werden. Zu groß sind die Unterschiede an die Anforderungen und derzeitigen Leistungen des ÖPNV-Angebots. Der folgende Abschnitt greift die Differenzierung der relevanten Nutzendengruppen und ihren Bedürfnissen und Anforderungen an den ÖPNV detailliert auf.
Schüler, Auszubildende und Berufsanfänger bis 18 Jahren
Schülerinnen und Schüler und Auszubildende bestreiten im ländlichen Raum ihren Schul- beziehungsweise Ausbildungsweg zumeist mit dem ÖPNV. Hierbei ist maßgeblich, dass die Fahrtzeiten des ÖPNV mit den Zeiten der Einrichtungen abgestimmt sind. Für Freizeitaktivitäten ist diese Altersgruppe aufgrund eines zu den Abendzeiten und Wochenenden ausgedünnten ÖPNV-Angebots zudem auf Mitfahrgelegenheiten von Verwandten und Bekannten angewiesen. Ursächlich für die Wahl des ÖPNV ist ein fehlender Führerschein- oder Autobesitz.
Seniorinnen und Senioren
Das Ausscheiden aus dem Berufsleben ist mit einer grundlegenden Veränderung des Mobilitätsverhaltens verbunden. So nehmen mit zunehmendem Alter Mobilitätsaktivitäten ab, finden überwiegend ortsgebunden statt und sind an Anforderungen wie Komfort und Barrierefreiheit geknüpft. Die heutigen Seniorinnen und Senioren verfügen verstärkt über einen Pkw-Zugang und steigen erst bei körperlichen und geistigen Einschränkungen auf den ÖPNV um. Bei den Wegezwecken der Rentnerinnen und Rentner dominieren die Versorgungs- und Freizeitverkehre [Mack94, S. 413].
Mobilitätseingeschränkte Personen
Mobilitätseingeschränkte Personen sind in Ihrem Alltag ebenso wie nicht mobilitätseingeschränkte Personen auf die Bewältigung ihrer Wege und Befriedigung ihrer Mobilitätsbedürfnisse angewiesen.
Allerdings ist für die Realisierung des Mobilitätsbedürfnisses der Gesundheitszustand ausschlaggebend. Fehlen Mobilitätshilfen (zum Beispiel Niederflurfahrzeuge im ÖPNV), so kann damit der Ausschluss dieser Personengruppe aus dem üblichen Aktivitätsspektrum verbunden sein. [Mack94, S. 382 ff.].
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Sicherstellung der öffentlichen Mobilität im ländlichen Raum (Stand des Wissens: 27.07.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?507678
Literatur
[ADAC16a] Christian Laberer , Ronald Winkler Mobilitätssicherung im ländlichen Raum. Herausforderungen, Handlungsfelder, Empfehlungen., 2016
[Mack94] Mackensen, Rainer Mobilitätsmuster - Kommunikations- und Mobilitätsbedarf in alters- und geschlechtsspezifischer Differenzierung, veröffentlicht in Mobilität und Kommunikation in den Agglomerationen von heute und morgen, Berlin, 1994
Glossar
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit bedeutet, dass bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?495886

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 23:07:46