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Zielgruppen (Soft Policies)

Erstellt am: 17.01.2019 | Stand des Wissens: 10.08.2023
Synthesebericht gehört zu:

Die Wirksamkeit von Maßnahmen aus dem Bereich der Soft Policies hängt davon ab, in welchem Maße es gelingt, entsprechende Zielgruppen zu identifizieren und zu erreichen.

Die Auswahl der richtigen Kommunikationsansätze sollte daher stets unter der Berücksichtigung der jeweiligen Zielgruppe getroffen werden.
Im Hinblick auf die Zielgruppe sind im Vornherein vor allem zwei Fragestellungen zu thematisieren:
  • Welche Zielgruppe soll mit der Kampagne angesprochen werden?
  • Wann beziehungsweise zu welchem Zeitpunkt ist diese Zielgruppe besonders geeignet, um angesprochen zu werden?
Kommunikationskampagnen, die Bürger*innen zu umweltfreundlicherem Verkehrsverhalten bewegen sollen, richten sich in erster Linie an diejenigen Bürger*innen, die noch nicht den Umweltverbund nutzen. Dabei eignen sind besonders Lebensumbrüche als ideale Zeitpunkte, um bestimmte Zielgruppen erfolgversprechend mit unterschiedlichen Kampagnenformaten anzusprechen. Lebensumbrüche markieren den Übergang zwischen verschiedenen Lebensphasen. Gerade in dieser Zeit sind Menschen besonders offen für Veränderungen, da sie sich außerhalb ihrer gewohnten Routinen befinden. Entsprechend gilt es diese Zeitpunkte zu nutzen [VCD18b].

Der Wohnortwechsel stellt in vielen Fällen ein kurzes Zeitfenster dar, bei dem Menschen besonders gut angesprochen werden können. Städtische Verkehrsunternehmen können beispielsweise mittels sogenannter Neubürgerpakete erheblichen Einfluss auf zukünftige Mobilitätsentscheidungen von Zugezogenen haben. Beispiele aus großen deutschen Städten wie München und Bremen, zeigen, dass Neubürger*innen aufgrund dieses Angebotes weniger Autofahrten machen [VCD18b].

Ebenfalls stellt die Geburt eines Kindes einen weiteren Lebensumbruch dar, welcher für eine Einflussnahme geeignet ist. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, gezielt junge Eltern bei Geburtsvorbereitungskursen, in Hebammen- oder Frauenarztpraxen oder auch bei der Anmeldung des Kindes in Kindertagesstätten anzusprechen und über alternative Mobilitätsangebote zu informieren [VCD18b].

Ferner können auch Verkehrsunternehmen jungen Eltern mit speziellen Vergünstigungen ansprechen. So kann beispielsweise im Rahmen des Leipziger Baby-Startpakets ein Elternteil für ein Jahr lang eine Jahreskarte für Straßenbahn und Bus kostenlos erwerben. Dies führt dazu, dass Eltern für Fahrten innerhalb der Stadt bevorzugt den Öffentlichen Nahverkehr wählen und das eigene Auto zu Hause lassen [Leip18a].

In Verbindung mit der Mobilitätserziehung an Schulen können nicht nur Kinder sondern auch ihre Eltern neue Mobilitätsformen besser kennenlernen. (vgl. Wissenslandkarte "Mobilitätsmanagement an Schulen"). Projekte wie der Dienst als Schülerbegleiter oder die Bildung von Geh- und Radfahrgemeinschaften verfügen über das Potenzial, dass junge Eltern ihr eigenes Mobilitätsverhalten reflektieren und auch verändern [VCD18b].

Ein Arbeitsplatzwechsel kann auch einen idealen Moment der Einflussnahme darstellen. Diese erfolgt beispielsweise durch innerbetriebliches Mobilitätsmanagement, bei dem Firmen als Partner fungieren, und den Arbeitnehmer*innen ein kostenloses Jobticket, einen Zugang zu Firmenfahrrädern oder eine Rabatt beim örtlichen Bikesharing-Anbieter zur Verfügung stellen. Dies kann Arbeitnehmer*innen einen entscheiden Impuls geben, den Arbeitsweg umweltfreundlicher zurückzulegen [VCD18b].
Der Wechsel von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand ist ein geeigneter Zeitpunkt, um Veränderungen am Mobilitätsverhalten gezielt durch Kampanien zu motivieren. Dabei ist zu beachten, dass im Zuge des demografischen Wandels diese Zielgruppe weiter anwächst und damit auch die Menge der Autofahrten zunehmen wird. Umso wichtiger ist es daher, Alternativen zum Auto aufzuzeigen. Diese können zum Beispiel in einem Fahrradtraining, einer Mobilitätspatenschaft sowie geeigneten Tarifangeboten im ÖPNV bestehen [VCD13].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Soft Policies - Veränderung der Verkehrsmittelwahl zugunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel (Stand des Wissens: 20.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?192469
Literatur
[Leip18a] Familieninfobüro, Stadt Leipzig Das Leipziger Baby-Startpaket, 2018
[VCD13] Verkehrsclub Deutschland (VCD) e.V. Mobil auch im Alter - VCD Position, 2013/08
[VCD18b] Verkehrsclub Deutschland (VCD) e. V. (Hrsg.) Zielgruppenmarketing für Multimodalität - Zielgruppenorientierte Marketingmaßnahmen, 2018
Weiterführende Literatur
[UBA23j] Bürgerbotschaften aus dem Mobilitätslabor 2020 , 2023/06
Glossar
Bike Sharing Der Begriff Bike Sharing stammt aus dem Englischen und kann in etwa mit der Bedeutung „Fahrradverleih“ übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Fahrrädern, die in der Regel von Unternehmen, Kommunen oder Kommunalverbänden bereitgestellt werden. Die Fahrräder stehen an öffentlich zugänglichen Stellplätzen zur Verfügung. Die Fahrräder können dabei an einer Station ausgeliehen und an einer anderen zurückgegeben werden. Dieses System ist besonders für die kurzfristige Nutzung der gegen ein Entgelt zur Verfügung gestellten Räder im urbanen Raum ausgelegt. Das Ziel ist, dass die Fahrräder möglichst vielen Nutzern pro Tag zur Verfügung stehen. Daher ist meist die erste halbe Stunde des Verleihs besonders günstig. Für eine längere Leihperiode bieten reguläre Fahrradvermieter jedoch meist die besseren Angebote.
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?494492

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 20:33:01