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Lärmreduktion durch den Einsatz von Scheibenbremsen im Schienenverkehr

Erstellt am: 27.06.2003 | Stand des Wissens: 19.05.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Das Rollgeräusch als wesentliche Lärmquelle der Bahnen resultiert zu einem erheblichen Teil aus Unebenheiten auf den Radlaufflächen. Sie bilden sich gehäuft durch Bremsvorgänge mit der traditionellen Grauguss-Klotzbremse. Im Personenverkehr kam es inzwischen zu einer weitgehenden Umrüstung auf Scheibenbremsen, bei denen die Radlaufflächen nicht mehr als Reibflächen benötigt werden. Im Güterverkehr stellt die Scheibenbremse bislang aus unterschiedlichen Gründen nur eine Insellösung dar.
Bei der Bauart Scheibenbremse sind auf jeder der die beiden Räder eines Radsatzes verbindenden Welle zwei bis vier Bremsscheiben angeordnet. Die Bremskraft wird ausgeübt, indem eine Zange zwei speziell beschichtete Bremsbacken beidseitig an eine Bremsscheibe drückt. Im Vergleich zur herkömmlichen Klotzbremse ist die Scheibenbremse technisch aufwändiger und kostenintensiver. Die dabei erzielte Lärmreduktion liegt im Bereich von 8 bis 12 Dezibel [EUKOM04an, S. 29].
Die Scheibenbremse wurde entwickelt aufgrund der zunehmenden Geschwindigkeiten im Personenverkehr im letzten Jahrhundert und der Tatsache, dass mit einer Geschwindigkeit von 160 Kilometer pro Stunde die thermische Leistungsfähigkeit der Klotzbremse erreicht ist. Erstere haben sich wegen ihrer höheren Leistungsfähigkeit im Personenverkehr durchgesetzt. [BeSc11, S. 93] Im kontinentaleuropäischen Schienengüterverkehr finden sie mit Ausnahme des Wagenmaterials der sogenannten "Rollenden Landstraße" bislang kaum Anwendung [EUKOM04an, S. 29]. Als wichtigster Grund werden die deutlich höheren Investitionskosten im Vergleich zur Klotzbremse angeführt. [JaOn00, S. 208; Brei02a, S. 344; Muel01, S. 612].
Ein weiteres Problem stellt das Quietschen der Scheibenbremsen dar, das auf das bei Hochleistungs-Scheibenbremssystemen verwendete Reibbelagmaterial Metallsinter zurückzuführen ist. Der Einsatz von Sinterbelägen beschränkt sich inzwischen nicht mehr ausschließlich auf Hochgeschwindigkeitszüge, für die diese Belagwerkstoffe ursprünglich entwickelt wurden. Aufgrund seiner Vorteile eignet sich das Material auch für die Anwendung in anderen Fahrzeugen wie zum Beispiel Lokomotiven, Nahverkehrszügen, U-Bahnen oder Spezialgüterwagen ("Rollende Landstraße"). Lärmbelästigung durch Quietschen tritt insbesondere bei Niedrigenergiebremsungen (Regulierbremsungen) und in der Stopp-Phase bei niedrigen Geschwindigkeiten kurz vor dem Halt auf (zum Beispiel während Bahnhofseinfahrten). Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierten Projekts "Verbundvorhaben Leiser Verkehr: Quietschfreie Hochleistungsscheibenbremse" wurden Verfahren zur Beseitigung des Quietschens von Bremsen untersucht; die Eigenschaften von Metallsinter waren dabei vorrangiger Forschungsgegenstand.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Schallvermeidung im Schienenverkehr (Stand des Wissens: 19.05.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?312910
Literatur
[BeSc11] Berger, P., Schlosser, W., Wach, J., Horn, J. Schneller schneller Bremsen, veröffentlicht in ZEVrail, Ausgabe/Auflage Tagungsband SFT Graz 2011 , Georg Siemens Verlag , Berlin, 2011
[Brei02a] Breimeier, Rudolf, Dr.-Ing. Halbierung des Güterzuglärms möglich, veröffentlicht in Eisenbahn-Revue International, Ausgabe/Auflage 7, MINIREX AG CH-6002 Luzern, 2002, ISBN/ISSN 1421-2811
[EUKOM04an] o. A. Status and options for the reduction of noise emission from the existing European rail freight wagon fleet, 2004/01/10
[JaOn00] Jäger, Klaus, Dipl.-Ing., Onnich, Johannes, Dipl.-Ing. Fortschritte und Besonderheiten bei der Reduzierung des Schienenverkehrslärms, veröffentlicht in Zeitschrift für Lärmbekämpfung, Ausgabe/Auflage 47, Springer-Verlag Heidelberg , 2000
[Muel01] Müller, Christoph Die Bahn muss leiser werden - Lärmreduzierung bei Strecken und Fahrzeugen, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 12, Deutscher Verkehrs-Verlag GmbH, 2001, ISBN/ISSN 0020-9511
Glossar
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
Scheibenbremse
Die Scheibenbremse ist die im Schienenpersonenverkehr dominierende Bremse. Hierbei wird der Bremsbelag auf eine eigens dafür vorgesehene Scheibe am Rad oder der Radsatzwelle gedrückt. Gegenüber der Klotzbremse ist sie deutlich schwerer und teurer, erzielt jedoch höhere Bremsleistungen und sorgt aufgrund ihres Aufbaus für eine thermische Entlastung des Rades.
Klotzbremse Die Klotzbremse ist aufgrund ihres einfachen Aufbaus und ihrer Wirtschaftlichkeit die am häufigsten verwendete Reibungsbremse bei Eisenbahnwagen im Schienengüterverkehr. Als Reibfläche wird die Radlauffläche genutzt. Die Sohle des Bremsklotzes besteht dabei entweder aus Grauguss oder moderneren Verbundstoffen (K- oder LL-Sohle).
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung
dB(A) Messgröße des A-bewerteten Schalldruckpegels zur Bestimmung von Geräuschpegeln. Die dB-Skala ist logarithmisch aufgebaut, d. h. eine Verdoppelung der Lärmintensität führt zu einer Erhöhung um 3 dB. Das menschliche Ohr empfindet eine Erhöhung um 10 dB als Verdoppelung der Lautstärke. Hierzu ist eine Schallintensitätsverzehnfachung erforderlich. Der Zusatz "(A)" gibt an, dass dem betreffenden Messergebnis die standardisierte A-Berwertungskurve zugrunde liegt. Sie berücksichtigt einen nichtlinearen frequenz- und pegelabhängigen Zusammenhang zwischen subjektiv wahrgenommenem Läutstärkepegel und vorliegendem Schalldruckpegel. So empfindet das menschliche Gehör bspw. mittlere Frequenzen im Vergleich zu niedrigen Frequenzgängen als wesentlich lauter, weshalb die Einheit dB(A) entsprechende Tonhöhen stärker gewichtet. Ein gesundes Ohr kann bereits einen Schalldruck von 0 dB (A) wahrnehmen (Hörschwelle), bei Werten über 120 dB (A) wird die Geräuschbelastung unerträglich laut (Schmerzgrenze). Eine Langzeiteinwirkung von über 85 dB(A) zieht u. U. dauerhafte Gehörschäden nach sich.
Rollende Landstraße
Die Rollende Landstraße (RoLa) ist ein Produkt im Bereich des Schienengüterverkehrs. Sie stellt eine spezifische Form des begleiteten Kombinierten Verkehrs dar. Dabei werden Lastkraftwagen bzw. Sattelzüge mit Hilfe der Roll-On/Roll-Off-Technik auf einen Güterzug aus durchgehenden Niederflurwagen verladen und über eine bestimmte Strecke transportiert. Die Fahrer begleiten ihre Fahrzeuge i. d. R. in einem mitgeführten Reisezugwagen. In Europa wird die RoLa z. B. für alpenquerende Verkehre angeboten. Sie kann eine betriebswirtschaftliche und/oder ökologische Alternative zum Straßengütertransport sein.
Triebfahrzeug
Ein Triebfahrzeug (Tfz) ist ein einzelnes Regeleisenbahnfahrzeug mit einem eigenen Fahrzeugantrieb (Lokomotiven, Triebwagen). Eine Sonderform bilden Triebköpfe, die in einem fest gekoppelten Triebzug zusammen mit antriebslosen Mittel- und Steuerwagen betrieben werden. Lokomotiven kommen normalerweise im Verbund mit gekoppelten Reisezug- oder Güterwagen zum Einsatz. Triebwagen sowie auch Triebzüge werden als gekoppelten Einheiten gleichen Typs in sogenannten Triebwagenzügen eingesetzt. Weitere Tfz sind Kleinlokomotive und selbstfahrende Nebenfahrzeuge.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?49392

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 13:17:01