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Megaprojektplanung und -bewertung in den USA

Erstellt am: 20.12.2018 | Stand des Wissens: 21.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Um die Planung und Koordination bei komplexen Infrastrukturprojekten im (Fern-)Straßen-, Tunnel- und Brückenbau zu verbessern, veröffentlichte die amerikanische Federal Highway Administration (FHWA) im Jahr 2007 verbindliche Leitfäden für die Konzeptionierung und Realisierung entsprechender Großprojekte (major projects). Der Term major project umfasst dabei Projekte mit Gesamtkosten von über 500 Millionen US-Dollar und ersetzte in der entsprechenden gesetzlichen Definition [USDT05] im Jahr 2005 den Begriff mega project, unter dem zuvor Projekte mit Gesamtkosten von über einer Milliarde US-Dollar zusammengefasst wurden.
Die von der FHWA veröffentlichten Leitfäden beinhalten Hilfestellungen und Vorgaben zu den Bereichen Kostenschätzung, Finanzierung und Projektmanagement. Zu jedem dieser Bereiche ist von den Projektträgern (in der Regel die Transportministerien der einzelnen Bundesstaaten) ein Planungsdokument zu erstellen, das von der FHWA vor Baubeginn genehmigt werden muss. Die FHWA agiert auf Basis dieser Dokumente während des gesamten Projektverlaufs als Kontrollgremium für das Projekt (vgl. Abb. 1).
Prozess FHWAPlanungs- und Genehmigungsprozess bei major projects im Straßen-, Brücken- und Tunnelbau, eigene Abbildung nach [FHWA18]
Um bereits in frühen Projektphasen eine genaue Schätzung der Gesamtkosten eines Projekts zu erreichen, die auch Risiken und Ungenauigkeiten angemessen berücksichtigt, werden von der FHWA einige Grundprinzipien für die Ermittlung von Kostenschätzungen bei Großprojekten definiert. Hierzu gehört beispielsweise, (externe) Expertenteams einzubeziehen, optimism bias zu vermeiden, sowie Interessenskonflikte zu identifizieren und aufzulösen. Um eine ganzheitliche Kostenschätzung zu garantieren, schreibt die FHWA zudem vor, welche Kostenfaktoren in der Gesamtschätzung berücksichtigt werden müssen. Neben den eigentlichen Konstruktionskosten umfasst sie beispielsweise auch sämtliche Planungskosten sowie eine sogenannte Managementreserve für eventuelle Kostenüberschreitungen bei besonders komplexen Projekten. [FHWA07, S. 5 bis 7]
Auf Grundlage dieser frühen Schätzung der Projektkosten ist von den Projektträgern nun ein Finanzplan zu erstellen. Dieser soll sicherstellen, dass während der Projektrealisierung jederzeit ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, damit Bauverzögerungen und die damit verbundenen Kosten und Nutzenverluste vermieden werden. Der Finanzplan wird jedes Jahr aktualisiert und zur Genehmigung bei der FHWA eingereicht. [FHWA14, S. 2]
Zuletzt wird ein umfassender Projektmanagementplan entwickelt, der die Projektumsetzung strukturieren und so für eine kosten-, zeit- und qualitätsgerechte Umsetzung des Großprojekts sorgen soll. Neben einer ausführlichen Beschreibung des Projekts und der Projektziele werden in dem Projektmanagementplan auch spätere Projektsteuerungsinstrumente wie das Änderungs-, Risiko- und Nachforderungsmanagement definiert. Zudem muss der Projektträger detaillierte Angaben darüber machen, wie die Kosten-, Termin- und Qualitätstreue während der gesamten Bauphase überwacht, dokumentiert und gesteuert werden sollen. Auch der Projektmanagementplan muss vor Baubeginn von der FHWA genehmigt werden. [FHWA17, S. 5 bis 9]
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Planung und Bewertung von Megaprojekten im Verkehrsbereich (Stand des Wissens: 17.04.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?352432
Literatur
[FHWA07] U.S. Department of Transportation Federal Highway Administration Major Project Program Cost Estimating Guidance, 2007/01
[FHWA14] U.S. Department of Transportation Federal Highway Administration Major Project Financial Plan Guidance, 2014/12/18
[FHWA17] U.S. Department of Transportation Federal Highway Administration Project Management Plan Guidance For Major Projects, 2017/05
[FHWA18] U.S. Department of Transportation Federal Highway Administration FHWA Major Project Delivery Process, 2018/03/13
Rechtsvorschriften
[USDT05] Project approval and oversight
Glossar
Optimism bias
Als "optimism bias" wird die tendenzielle Neigung von Gutachtern und Projektträgern bezeichnet, wesentliche Größen ihrer Vorhaben zu optimistisch einzuschätzen und etwaige Risikofaktoren zu vernachlässigen.
Als Folge des "optimism bias" werden Projektkosten und -dauern häufig unterschätzt bzw. der zu erwartende Projektnutzen überschätzt. Verschiedene Verfahren, wie z.B. Sensitivitätsanalysen oder Risikoaufschläge, können dazu beitragen, eventuelle Fehleinschätzungen frühzeitig zu identifizieren.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?493838

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 03:59:15