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Ökonomische Herausforderungen der Sektorkopplung

Erstellt am: 28.09.2018 | Stand des Wissens: 05.01.2024
Synthesebericht gehört zu:

Die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erfordern bis 2050 global eine 80 bis 95 prozentige Reduktion von Treibhausgasen. Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz von 2019 wurde das Erreichen der Treibhausgasneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2050 gesetzlich verankert. Durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wurden die Klimaziele der Bundesregierung durch eine erste Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes im Mai 2021 noch einmal verschärft. Dazu soll im Jahr 2030 eine Minderungsquote von 65 Prozent sowie 2040 eine Quote von 88 Prozent erreicht werden, um bereits 2045 Treibshausgasneutralität zu erzielen [BMU21]. Daraus resultieren sehr ambitionierte klimapolitische Ziele für Deutschland, die eine sehr weitgehende bis nahezu vollständige Dekarbonisierung der gesamten Wirtschaft notwendig machen. Zu diesem Zweck wurden die ursprünglichen sektoralen Zwischenziele für Minderungen von Kohlenstoffdioxid (CO2) Äquivalenten angepasst, wie Tabelle 1 entnommen werden kann.
Minderungsziele gross.pngTabelle 1: Sektorale Minderungsziele bis 2030 [BMUB16, S. 33; BMU21] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Einerseits bedingt die angestrebte Dekarbonisierung einen Umbau des Energiesektors mit einer deutlich verstärkten Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Das hat entsprechende Wirkungen auf den gesamten Komplex der Stromerzeugung, des -transports und der -verteilung. Andererseits müssen die Verbrauchssektoren bisher weitgehend fossiler Energieträger, insbesondere die Bereiche Verkehr, Gebäudewärme, Industrie (etwa in Form von Prozesswärme) und gegebenenfalls der Chemiesektor in diese Strategie einbezogen werden. Ansatzpunkte hierfür sind im Verkehrssektor die direkte Elektrifizierung, wie etwa Elektromobilität für Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzungfahrzeuge oder Oberleitungs-Lastkraftwagen (Lkw); daneben der strombasierte Ersatz für fossile Rohstoffe, wie Power-to-Gas- (PtG) oder Power-to-Liquid-Lösungen (PtL). Außerdem kommt Treibstoffen beziehungsweise der Energiegewinnung aus Biomasse eine Bedeutung zu.
Eine engere Abstimmung und Verkopplung der Sektoren Energie, GHD (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen), Verkehr und Industrie wird als zwingend notwendig erachtet. [Wiet18,  S. 13] definieren diesen Zusammenhang wie folgt: "Sektorkopplung bezeichnet den fortschreitenden Prozess der Substitution fossiler Energieträger durch weit überwiegend erneuerbar erzeugten Strom oder durch andere erneuerbare Energieträger und nachhaltige Energienutzungsformen, wie die Nutzung von Abwärme, in neuen sektorenübergreifenden Anwendungen oder durch verstärkte Nutzung bekannter sektorenübergreifender Anwendungen. [...] Neben sektorenübergreifenden Anwendungen zwischen Angebots- und Nachfragesektoren durch die Kopplung der Energieträger kann Sektorkopplung auch in Form einer neuartigen Verzahnung zwischen den klassischen Verbrauchssektoren (Haushalte, Gewerbe/Handel/Dienstleistung, Industrie und Verkehr) über Netzinfrastrukturen gegeben sein. Primäres Ziel der Sektorkopplung ist die Senkung der Treibhausgasemissionen durch Substitution fossiler Energieträger, weshalb bei den Energieträgern primär die Erneuerbaren im Fokus stehen. Sekundäre Ziele (Co-Benefits) können in der Nutzung von Freiheitsgraden der Optimierung innerhalb eines zunehmend und perspektivisch vollständig dekarbonisierten Energie- und Wirtschaftssystems sowie durch einen Beitrag zur Flexibilisierung und Energieeffizienzsteigerung entstehen."
Abbildung 1 zeigt wesentliche technische Optionen der Sektorkopplung und zugehörige Umwandlungspfade auf. Einmal mehr wird hier die zentrale Rolle der Energieversorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen für das Gesamtsystem deutlich.
Sektorkopplungsoptionen SRU 2017 kleinAbb. 1: Optionen der Sektorkopplung in einem dekarbonisierten Energiesystem [SRU17, S. 44] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Ziel dieser Wissenslandkarte ist es, den aktuellen Stand der Forschung zu ausgewählten wichtigen Punkten der Sektorkopplung darzustellen und zu diskutieren. Der Fokus liegt dabei zum einen auf übergreifenden technischen, ökonomischen und regulatorischen Herausforderungen; zum anderen werden Optionen für die Transformation des Verkehrssektors zu weitgehender CO2-Freiheit unter den Bedingungen einer stärkeren Verzahnung von Energieangebots- und -nachfragesektoren beleuchtet. Mögliche Wirkungen auf andere Energieverbrauchssektoren wie Wärme und Industrie werden auf Zusammenhänge wie flexibel einsetzbare Energieträger (zum Beispiel Biomasse), systemübergreifend relevante Umwandlungstechnologien (etwa Power-to-X, PtX) und die Kopplung der Nachfragesektoren über Netzinfrastrukturen beschränkt.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ökonomische Herausforderungen der Sektorkopplung (Stand des Wissens: 05.01.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?490049
Literatur
[BMU21] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (Hrsg.) Novelle des Klimaschutzgesetzes: Ein ambitionierter Minderungspfad zur Treibhausgasneutralität 2045., 2021/05/12
[BMUB16] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (Hrsg.) Klimaschutzplan 2050. Klimaschutzpolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung, 2016
[SRU17] Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Hrsg.) Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor, 2017/11
[Wiet18] Wietschel, M., Plötz, P. , Pfluger, B. , Klobasa, M. , Eßer, A. , Haendel, M., Müller-Kirchenbauer, J., Kochems, J., Hermann, L., Grosse, B., Nacken, L. / , Küster, M., Pacem, J., Naumann, D., Kost, C., Kohrs, R., Fahl, U., Schäfer-Stradowsky, S., Timmermann, D., Albert, D. Sektorkopplung - Definition, Chancen und Herausforderungen, 2018
Glossar
Biomasse Biomasse umfasst:
  • Reststoffe wie z.B. Restholz, organische Abfälle (Biomüll, Gülle etc.), Stroh sowie
  • Energiepflanzen wie z.B. Raps, schnell wachsende Baumarten, Energiegetreide, Miscanthus.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Power-to-X
Power-to-X ist ein Oberbegriff für verschiedene technologische Verfahren, bei denen elektrische Energie in chemische Energie oder in Wärme umgewandelt wird. Dies ermöglicht eine Speicherung und anderweitigen Nutzung von Stromüberschüssen in Zeiten eines Überangebotes variabler erneuerbarer Energien wie Solarenergie, Windenergie und Wasserkraft.
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?489566

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 12:47:08