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Vernetzung von Güterfahrzeugen und Infrastruktur

Erstellt am: 12.01.2018 | Stand des Wissens: 21.08.2023
Synthesebericht gehört zu:

Neben einer Vernetzung von Fahrzeugen untereinander ist auch eine Vernetzung der Fahrzeuge mit der Infrastruktur erforderlich sowie möglich. Diese Technologie wird als Vehicle-to-Infrastructure-Vernetzung (V2I) bezeichnet. Im Falle der V2I-Vernetzung werden verkehrsbezogene Daten zwischen Fahrzeugen und Infrastruktureinrichtungen ausgetauscht. Infrastruktureinrichtungen können neben Leitzentralen auch Signalanlagen, Parkplätze oder Schilder sein. Aufgrund des Austausches von Informationen mit Infrastruktureinrichtungen können Fahrzeuge beispielsweise auf kurzfristige Änderungen von Geschwindigkeitsbeschränkungen oder auf die Parksituation reagieren. Ähnlich wie bei der Vernetzung von Fahrzeugen wird zwischen den Objekten eine Verbindung via Wireless Local Area Network (WLAN) oder Long Term Evolution (LTE) hergestellt [JoMi15b].

Im Straßengüterfernverkehr ist die Parkplatzsuche entlang der deutschen Autobahnen, insbesondere zu Stoßzeiten, eine große Herausforderung. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zu Lenk- und Ruhezeiten sowie der prognostizierten Zunahme des Güterverkehrsaufkommens ist es erforderlich, dass genügend Parkplätze auf Rastanlagen, Rastplätzen und Autohöfen entlang der Bundesfernstraßen zur Verfügung stehen und die Parkplatzsuche in die Routenplanung integriert ist. Durch den Einsatz von V2I-Vernetzung ist es möglich, dass die Systeme in Echtzeit über die Parkplatzsituation in einem bestimmten Radius informiert werden und dadurch die Routenplanung flexibel angepasst werden kann. Bereits heute sind verschiedene Systeme im Einsatz, die diese Übersicht mittels Internet auf dem Mobilgerät der Lkw-Fahrer bereitstellen, wie die Applikationen prepark oder truckingeurope. Die erleichterte Parkplatzsuche bietet Zeit- und Kostenvorteile sowie Möglichkeiten, sich über die Sicherheit und die Angebote der Raststätten auszutauschen [GuKa16].

Neben der Parkplatzsuche wird mithilfe von V2I-Vernetzung zudem die Routenplanung erleichtert. Durch die Vernetzung mit Verkehrsleitzentralen und mobilen Karten können Informationen zu der aktuellen Verkehrslage an die Fahrzeuge auf der Straße gesendet werden und das System kann automatisch eine alternative Route errechnen. Dies kann dazu führen, Verspätungen und Auftragsausfälle zu vermeiden und dadurch Kosten einzusparen. Der Echtzeit-Kartendienst HERE sammelt beispielsweise die durch V2I-Vernetzung übertragenen Daten in einer Cloud, die dort ausgewertet werden und anschließend als hochauflösendes Kartenmaterial zurück an die Fahrzeuge gesendet werden. Im Jahr 2015 wurde dieser Kartendienst von Audi, BMW und Daimler (zu
gleichen Teilen) übernommen, um das verbesserte Kartenmaterial direkt in den Fahrzeugen der Hersteller nutzen zu können [Schl15]. In Bezug auf Nutzerzahlen und Kartenvollständigkeit gilt das niederländische Unternehmen als Marktführer in der Branche und liegt damit vor Google Maps, TomTom und Apple Maps. Neben festverbauter Soft- und Hardware in Fahrzeugen, lässt sich die Navigationssoftware auch auf Mobilgeräten installieren [HB19].

Auch eine direkte Vernetzung mit den Kunden oder Versendern kann mithilfe von V2I- Vernetzung erfolgen. Bereits unterschiedliche Telematiksysteme (Beispiele: Fleetboard von Daimler oder RIO von Volkswagen) dienen dem Flottenmanagement, dem Transportmanagement oder der Zeitwirtschaft. Den Akteuren ist es dabei möglich, das Fahrzeug und seine Ware über eine Plattform dauerhaft zu überprüfen [HeHeUl11].

Die V2I-Vernetzung bietet darüber hinaus den Vorteil, den Verkehrsfluss zu regulieren. Besonders im urbanen Raum kommt es leicht zu Verkehrsbehinderungen durch den zunehmenden Straßenverkehr. In Düsseldorf wurde das Projekt UR:BAN durchgeführt, bei dem die Regulierung und Anpassung von Grün- und Rotphasen durch die Vernetzung von Fahrzeugen mit Lichtsignalanlagen erprobt wurde. Die Systeme verbinden sich mit den Lichtsignalanlagen, während diese sich den Gegebenheiten durch Veränderung der Rot- und Grünphasen anpassen. Im urbanen Raum können durch diese Vernetzung erhebliche Zeitersparnisse erreicht werden. Durch verringerte Abbrems- und Beschleunigungsvorgänge werden außerdem Kraftstoff- und Lärmemissionen reduziert [ScHi12].


Für die Kommunikation mit der Infrastruktur ist es notwendig, Sensorik an den Strecken zu installieren. Diese bietet die Kommunikationsgrundlage für den Austausch von Informationen zwischen Fahrzeugen und der Infrastruktur. Die Erfassung der Umgebung mittels hochpräziser Radarsensorik bietet den Vorteil, den Verkehrsfluss zu regulieren. Fahrzeuge können beispielsweise über ein Stauende, das sich hinter einer Kurve befindet, frühzeitig informiert werden. Auch ist es möglich, Falschfahrer zu erkennen oder den Seitenstreifen (Standspur) für Verkehrsteilnehmende freizugeben, falls es zu Unfällen oder erheblichen Staubehinderungen gekommen ist [Brün16]. Allein in Deutschland führen Staus, nach Ergebnissen des Analyse-Dienstleisters INRIX, zu jährlichen Kosten von ca. 80 Mrd. Euro, davon entfallen ca. 5 Mrd. Euro auf innerstädtische Staus. Beispiele für Kostenfaktoren in diesem Fall können sein: Verlorene Arbeitszeit, verbrauchter Treibstoff für Verbrennungsmotoren, verspätete Warenlieferungen oder Mehrbelastungen des Gesundheitssystems [BFP18]. Die V2I-Vernetzung bietet das Potenzial, diese Schäden zu reduzieren und damit besonders für die Logistikbranche Zeit- und Kostenvorteile zu erzielen.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nutzen und Herausforderungen der digitalen Vernetzung in Güterverkehr und Logistik (Stand des Wissens: 21.08.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?478030
Literatur
[BFP18] Schlütersche Fachmedien GmbH (Hrsg.) Staus kosten jährlich 80 Milliarden, 2018/02/08
[Brün16] Christiane Brünglinghaus A9 wird mit Radarsensorik ausgerüstet, Springer Professional, 2016/06/16
[GuKa16] Gust-Kazakos, Petra IAA-News: Truck Parking Europe im FleetBoard Store für Apps. Daimler FleetBoard GmbH bietet Lkw-Parkplatz-App an. , 2016
[HB19] Handelsblatt (Hrsg.) Warum die 3D-Karten von Here für die deutschen Autobauer so wichtig sind, 2019/06/19
[HeHeUl11] Heiserich, Otto-Ernst, Helbig, Klaus, Ullmann, Werner Logistik: eine praxisorientierte Einführung, Gabler / Wiesbaden, 2011
[JoMi15b] Johanning, Volker, Mildner, Roman Car IT kompakt: das Auto der Zukunft -- vernetzt und autonom fahren, Springer Vieweg / Wiesbaden, 2015
[ScHi12] Scholl, Walter, Hipp, Eberhard UR:BAN - Urbaner Raum: Benutzergerechte Assistenzsysteme und Netzmanagement, 2012
[Schl15] Schlesiger, Christian Deutsche Unternehmen wollen um die Ecke gucken, 2015/12/07
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Verkehrsfluss
Unter Verkehrsfluss versteht man die Anzahl der Fahrzeuge, die eine vordefinierte Verkehrs(quer)fläche pro Zeiteinheit durchfährt.
WLAN
Als Wireless Local Area Network (WLAN, deutsch: drahtloses lokales Netzwerk) wird ein lokales Funknetz und dessen verschiedene Techniken und Standards bezeichnet.
LTE
Long-Term-Evolution (LTE) ist nach dem analogen Mobilfunknetz, dem GSM-Standard (2G) und dem UMTS-Standard (3G) der inzwischen vierte Mobilfunkstandard (4G), der deutlich höhere Downloadraten mit bis zu 300 Megabit pro Sekunde erreichen kann.
LTE-Advanced, kurz LTE-A, ist eine Erweiterung von LTE und soll Datenraten bis zu einem Gigabit pro Sekunde beim Herunterladen von Inhalten erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das klassische LTE Netz mit der neuen Technologie aufgerüstet werden.
Cloud In der Informations- und Kommunikationsiwrtschaft wird das Internet oftmals als Wolke (Cloud) dargestellt. Von der Cloud oder dem Cloud-Computing wird daher gesprochen, wenn Daten und Anwendungen in entfernten Rechenzentren gespeichert werden, die nicht auf dem lokalen Arbeitsplatzcomputer oder Server installiert sind. Der Nutzer kann bei Bedarf jederzeit und von überall aus über ein Telekommunikationsnetz  beziehungsweise das Internet auf Daten zugreifen, das diese konfigurierbaren Rechnerressourcen, wie Netze, Server, Speichersysteme, Anwendungen und Dienste mit entsprechenden Zugriffsrechten bereitstellt.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?478003

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 01:53:52