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Verknüpfung von Straßen- und Eisenbahn

Erstellt am: 11.01.2017 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Im Jahr 1992 wurde auf der Linie Karlsruhe-Bretten die bundesweit erste Zweisystem-Stadtbahn eröffnet. Ziel war es, mit nur einem Fahrzeug sowohl in der Innenstadt als Straßenbahn als auch im überregionalen Raum als Eisenbahn die Fahrgäste zu befördern. Diese können mit dem sogenannten "Karlsruher Modell" ohne Umstieg das Stadtzentrum erreichen. Auf den meisten Verbindungen konnte das Verkehrsaufkommen deutlichen ansteigen und somit der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiver gestaltet werden. [Lud15]

Für die Umsetzung sind zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen, die bei einem Neubau auch sehr kostspielig sein werden. Maßnahmen sind vor allem an der Infrastruktur zu tätigen, wohingegen nur eine kleine Anzahl an Fahrzeugen bei dem Modell zur Verfügung steht.
Straßenbahnen und Eisenbahnen unterscheiden sich häufig in der Spurweite, dem Abstand zwischen den Schienen. Daher muss sich der Fahrweg in der Innenstadt an die Spurweite der Eisenbahn anpassen. An speziellen Übergangsstellen kann ein Übergang von der Straßenbahn zur Eisenbahn erfolgen. Dort sollte auch der Wechsel der beiden Stromversorgungssysteme geschehen, beispielsweise von Gleich- auf Wechselstrom.

In Chemnitz wurde das Karlsruher Modell umgesetzt, um die Verkehrsprobleme besser zu lösen. Der zentrale Verknüpfungsort in der sächsischen Stadt zwischen der Straßen- und Eisenbahn befindet sich am Hauptbahnhof, wodurch die Reisenden nicht nur ohne Umstieg ins Stadtzentrum fahren, sondern auch den Hauptbahnhof bequem erreichen können.
Regelwerke müssen sowohl von Seiten der Eisenbahn- als auch der Straßenbahnregularien beachtet werden. Ein Beispiel bildet die Barrierefreiheit an den Stationen, da sowohl die Richtlinien der Eisenbahnbetriebsordnung (EBO) sowie die Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab) eingehalten werden müssen. [Hein11c und Hein11c]

Auch international konnte sich das System verbreiten. Beispielsweise wurde 2010 in Frankreich zwischen Mulhouse und Thann St. Jacques die erste Tram-Train-Linie in Betrieb genommen. [Hon11]

Ein Wechsel zu dem "Karlsruher Modell" muss gut geplant sein. Zwar ermöglicht das System ein angenehmes Reisen, allerdings dürfen die anfallenden Kosten nicht vernachlässigt werden. Außerdem müssen auf dem Streckennetz der Eisenbahn genügend Kapazitäten abrufbar sein, damit die Züge dort auch fahren können.
VerknuepfungvonStrassenundEisenbahn.jpgAbb. 1: Baureihe 450 im Bahnhof Mosbach (Baden), mit der sowohl in einer Innenstadt als auch auf einer Eisenbahnstrecke gefahren werden kann (Foto: A. Morast)


Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Größere Fahrzeuge im ÖPNV (Stand des Wissens: 22.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?266847
Literatur
[Hein11c] Reinhard W. Heinemann 20 Jahre ÖPNV im Land Sachsen, veröffentlicht in Der Nahverkehr, alba-Verlag Köln, 2011
[Hon11] Harry Hondius Karlsruher Modell macht Schule-nun auch in Frankreich, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 4/2011, alba-Verlag Köln, 2011
[Lud15] Dieter Ludwig, Heiko Ziegler, Georg Nowak-Hertweck Ausbau der Karlsruher Stadtbahn ins Umland geht Zug um Zug weiter, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 5/2003, alba-Verlag Köln, 2003
Glossar
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit bedeutet, dass bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Tram-Train Tram-Train bezeichnet eine Form des Mehrsystembetriebs im schienengebundenen Verkehr, bei der zweisystemfähige Fahrzeuge sowohl im städtischen Straßenbahnnetz als auch im konventionellen Vollbahnnetz verkehren. Der Antrieb wird hierbei entweder ausschließlich in der Elektrotraktion, jedoch mit zwei unterschiedlichen Bahnstromsystemen, oder durch eine Kombination von Elektro- und Dieseltraktion (Hybridantrieb) realisiert.
Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) ist eine Verordnung für den Bau und Betrieb regelspuriger Eisenbahnen in Deutschland. Sie gilt nicht für den Bau, den Betrieb oder die Benutzung der Bahnanlagen eines nichtöffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmens.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
AC
Wechselstrom
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.
BOStrab
Die Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen Kurztitel Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) regelt in der Bundesrepublik Deutschland den Bau und Betrieb von Straßenbahnen sowie weiteren ober- und unterirdischen Bahnen, die nicht von der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung gedeckt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?467245

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 03:20:36