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Rationalität für eine Beteiligung und Praxisbeispiel EU-Leitlinien

Erstellt am: 25.06.2015 | Stand des Wissens: 23.04.2020
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Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck

Sofern ein rein privatwirtschaftliches Angebot voraussichtlich nicht zu einem Angebot führt, welches den politischen Zielvorstellungen entspricht, kann die Beeinflussung des Angebots durch Aktivitäten der öffentlichen Hand zweckmäßig sein, vergleiche [EU 2013/C 25/01].
Nachfolgend werden einige Randbedingungen dargestellt, bei denen eine solche Beteiligung der öffentlichen Hand potentiell mit einer hohen Rationalität einhergeht. Die Darstellung erfolgt anhand einiger Voraussetzungen, die in den "Leitlinien der Europäischen Union (EU) für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau" [EU 2013/C 25/01] für die Genehmigung von Beihilfen aufgeführt sind:
  • Eine Beteiligung der öffentlichen Hand kommt in Frage, wenn sich ohne diese Beteiligung voraussichtlich ein "unzufriedenstellendes" Investitionsverhalten einstellen würde. Dies könnte beispielsweise vorliegen, wenn Investitionen durch private Anbieter nicht vorgenommen würden, auch wenn der wirtschaftliche Nutzen für die Gesellschaft, also unter Berücksichtigung externer Effekte, die Investitionskosten übersteigt. Dabei kann es sich auch um ein räumlich unerwünschtes Investitionsverhalten handeln, wenn private Anbieter nur in solchen Gebieten investieren, in denen sie ausreichende Erlöse erwarten ("Rosinenpicken").
     
  • Die alternativen Möglichkeiten für eine Beteiligung der öffentlichen Hand müssen gegeneinander abgewogen werden. Beispielsweise kommt in Fällen, in denen eine Regulierung in unterversorgten Gegenden (aufgrund fehlender einzelwirtschaftlicher Rentabilität) oder nachfrageseitige Breitbandfördermaßnahmen (wie zum Beispiel Gutscheine für Endnutzer) keine ausreichende Flächendeckung erwarten lassen, eine Gewährung staatlicher Förderung oder eine direkte Beteiligung der öffentlichen Hand am Angebot in Frage. Darüber hinaus könnten hier Beteiligungsoptionen eine besondere Bedeutung zukommen, die gar keine Zahlungen seitens der öffentlichen Hand erfordern. Hierbei kann es sich vor allem um Abdeckungsverpflichtungen im Kontext von Lizenzen für ein Gesamtgebiet handeln.

  • Konkrete Möglichkeiten für eine Beteiligung der öffentlichen Hand sollten aufeinander abgestimmt werden. Zum Beispiel ist es erforderlich, dass die Maßnahmen verschiedener Ebenen (zentralstaatliche, regionale oder kommunale Ebene) koordiniert werden. In diesem Kontext bieten sich nationale Rahmenprogramme wie die Digitale Agenda 2014-2017 [Bure14] an, da diese zum einen eine koordinierende Funktion haben und zum anderen den Transfer von (technischem, prozessualem und juristischem) Wissen zu den unteren Ebenen ermöglichen.
Im Hinblick auf die räumliche Abdeckung wären Aktivitäten der öffentlichen Hand nur auf Gebiete auszurichten, die bislang nicht in der erwünschten Qualität abgedeckt sind. In diesem Kontext unterscheidet die Europäische Kommission folgende Versorgungsstufen [EU 2013/C 25/01]:
  • "Weiße Flecken" sind Gebiete, in denen keine Breitbandinfrastruktur vorhanden ist und in denen voraussichtlich auch in naher Zukunft keine Breitbandinfrastruktur aufgebaut wird. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass das Angebot in diesen Gebieten auf jeden Fall durch eine Beteiligung der öffentlichen Hand erfolgen muss.

  • "Graue Flecken" sind Gebiete, in denen nur ein privater Netzbetreiber vertreten ist und in denen in naher Zukunft voraussichtlich kein weiteres Netz aufgebaut wird. In diesem Fall könnte das Angebot aufgrund der Marktmacht dieses Anbieters in einer zu geringen Qualität oder zu überhöhten Preisen erfolgen. Der Beihilfeleitfaden der EU schlägt in diesem Fall vor nachzuprüfen, ob eine Beteiligung am Angebot einer alternativen Infrastruktur (in Form einer Regulierung, der Leistung zweckgebundener Zahlungen oder eines unmittelbaren öffentlichen Angebots) eine geeignete Maßnahme sein könnte, um diesem entgegenzutreten.

  • "Schwarze Flecken" verfügen bereits über mindestens zwei Breitbandgrundversorgungsnetze unterschiedlicher Betreiber. Zwar stellt die Europäische Kommission fest, dass es aufgrund des Wettbewerbs "kaum Möglichkeiten [gibt], durch staatliches Handeln bessere Ergebnisse zu erzielen." Aus ökonomischer Sicht könnte diese Schlussfolgerung jedoch zu pauschal sein, da nicht unbedingt ausgeschlossen ist, dass bestimmte Teile eines Gesamtgebiets auch im Falle zweier konkurrierender privater Netzwerke aufgrund zu geringer Ertragsaussichten für diese Teile ("Leitung lohnt sich nicht") nicht im politisch erwünschten Ausmaß versorgt werden.
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Rechtsvorschriften
[EU 2013/C 25/01] Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau
(2013/C 25/01)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?452578

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 10:38:03