Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Rolle der öffentliche Hand beim Angebot digitaler Dienste und Infrastrukturen

Erstellt am: 25.06.2015 | Stand des Wissens: 23.04.2020
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck

Organisationsmodelle, welche jeweils ein spezifisches Set an Anbietern sowie an auf sie einwirkenden gesetzlichen Regelungen beinhalten, wirken unterschiedlich auf das Angebot von digitalen Diensten und Infrastrukturen und damit auf die Erreichung politischer Ziele (zum Beispiel hinsichtlich Qualitäten, räumlicher Abdeckung, Schnittstellen oder Preisen), vergleiche [BeGiJa12]. Beispielsweise können entweder Kommunen oder alternativ private monopolistische Unternehmen (die zudem bestimmten regulatorischen Vorgaben unterliegen können) mit dem Angebot von digitalen Übertragungsinfrastrukturen betraut sein. Diese Alternativen dürften mit sehr unterschiedlich ausgestalteten Angeboten einhergehen, beispielsweise im Hinblick auf die räumliche Abdeckung, vergleiche [BMVI14r].
Eine zentrale Aufgabe des Staates ist (wie auch in anderen Sektoren) die "Beeinflussung" solcher Organisationsmodelle: Mithilfe vielfältiger Beeinflussungsmechanismen kann den zahlreichen Herausforderungen begegnet werden, die im Kontext des Angebots digitaler Dienste und Infrastrukturen auftreten können. Eine Beeinflussung kann in ganz unterschiedlichen Aktivitäten zum Ausdruck kommen:
  • Es kann eine Regulierung erfolgen mit dem Ziel, die Entscheidungen privater Anbieter in eine bestimmte Richtung, beispielsweise bezüglich Investitionsverhalten oder Preissetzung, zu leiten.
  • Es können Lizenzen vergeben werden. Hiermit kann (1.) auf die Eigenschaften der Anbieter Einfluss genommen werden (zum Beispiel durch Anforderungen im Hinblick auf technisches Knowhow), (2.) die Anzahl an parallelen Anbietern (Anzahl der Lizenzen) kann festgelegt werden und es können (3.) konkrete Eigenschaften des Angebots formuliert werden, die durch die Anbieter zu erfüllen sind (zum Beispiel durch Lizenzbedingungen im Hinblick auf die zeitlich-räumliche Abdeckung von Infrastrukturen).
  • Die öffentliche Hand kann sich selber am Angebot beteiligen und in diesem Kontext spezifische Infrastrukturinvestitionen vornehmen (zum Beispiel in passive Infrastrukturen wie Kabelkanäle, Leerrohre, Funkmasten oder Glasfaser im unbeschalteten Zustand).
  • Zudem kann sich die öffentliche Hand an der Schaffung und der Verteilung von technischem und ökonomischem Wissen beteiligen oder moderierende Aufgaben (zum Beispiel im Rahmen der Normsetzung) wahrnehmen.
Gewählt werden sollten Aktivitäten der öffentlichen Hand in Abhängigkeit davon, ob sie zur Erreichung der politischen Ziele in einem konkreten Sektor beziehungsweise System erforderlich sind. Die Beurteilung dieser Frage setzt voraus, dass die Eigenschaften und Wirkungen alternativer Organisationsmodelle hinreichend beurteilt werden können. Bei einer solchen Beurteilung können unter anderem folgende Eigenschaften alternativer Organisationsmodelle einbezogen werden:
  • Die Eigenschaften der am Angebot beteiligten Akteure determinieren maßgeblich, welche Eigenschaften das Angebot aufweist. Diese Eigenschaften betreffen vor allem das Zielsystem der Anbieter (zum Beispiel Orientierung an der Rentabilität des Angebotes versus Orientierung an sozial motivierten Abdeckungszielen), ihre Ressourcen (zum Beispiel bereits vorhandene Assets sowie ortsbezogenes Wissen, beispielsweise im Hinblick auf eine Mitverlegung, oder ortsunabhängiges, technologisch-systemisches Wissen) sowie ihre Finanzierungsoptionen (zum Beispiel direkte Nutzerzahlungen (Preise) versus allgemeine Steuern). Außerdem kann beispielsweise der Risikoeinstellung ein großer Stellenwert zukommen, da diese die Höhe einer möglicherweise erforderlichen Risikokompensation determiniert.
  • Die Anzahl der Akteure pro Rolle (zum Beispiel Monopol versus Wettbewerb) sowie das integrierte beziehungsweise desintegrierte Angebot komplementärer Güter (zum Beispiel integriertes Angebot von Hardware und Software versus offene Schnittstellen) wirkt auf die Entscheidungen der Anbieter im Hinblick auf die Ausgestaltung "ihres" Angebots und somit auf das verfügbare Gesamtsystem.
  • Zudem wirkt der Regelrahmen maßgeblich auf das Angebot. Dieser umfasst sowohl Regelungen zwischen Anbietern (zum Beispiel bei Kooperationen im Hinblick auf Datenformate) als auch Regeln, die durch Dritte formuliert werden (zum Beispiel in Form einer staatlichen Entgeltregulierung). Neben den intendierten Wirkungen einer Regel sind auch ihre Kosten zu berücksichtigen. Dies betrifft zum Beispiel die Kosten einer Regulierung, welche für den Aufbau von Wissen seitens des Regulierers (dessen Umfang maßgeblich durch den Gegenstand und die Art der Regulierung determiniert ist) und für das Monitoring der Regeleinhaltung anfallen.
Die Eignung konkreter Organisationsmodelle für die Erreichung politischer beziehungsweise gesellschaftlicher Ziele ist maßgeblich abhängig von den betrachteten Informations- und Kommunikationstechnologien -Komponenten. So kann die Gewinnerzielungsabsicht privater Unternehmen in Verbindung mit einem ausreichenden Wettbewerbsdruck in bestimmten Umgebungen mit einer effizienten Leistungserstellung (zum Beispiel durch Prozessinnovationen) und hochwertigen Angeboten (durch Produktinnovationen) einhergehen. In anderen Bereichen, die zum Beispiel durch umfängliche Koordinationserfordernisse und hohe Unsicherheiten gekennzeichnet sind, kann eine Beteiligung der öffentlichen Hand, die in größerem Ausmaß an gesellschaftlichen Zielen orientiert ist, zu einer besseren Erreichung politischer Ziele führen.
In den nachgelagerten Syntheseberichten werden einige zentrale Themen dargestellt, die im Kontext von Organisationsmodellen für das Angebot digitaler Dienste und digitaler Infrastrukturen derzeit diskutiert werden. Hierzu erfolgt für jedes Thema eine kurze inhaltliche Vorstellung, und es werden außerdem jeweils aktuelle Praxisbeispiele vorgestellt.
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Literatur
[BeGiJa12] Beckers, T., Gizzi, F., Jäkel, K. Ein Untersuchungsansatz für Systemgüter. Einordnung, Darstellung, Vorgehen bei der Anwendung, TU Berlin WIP Working Paper No. 2012-01, 2012/05
[BMVI14r] Ullrich, Marc, Schaff, Elmar, Freund, Matthias, Tippelt, Tobias, Laible, Oliver Erfolgreiche bzw. Erfolg versprechende Investitionsprojekte in Hochleistungsnetze in suburbanen und ländlichen Gebieten, 2014
Glossar
Zielsystem
In einem Zielsystem werden Ziele in einem hierarchischen Gefüge dargestellt. Ausgehend von einem Oberziel werden Leitlinien definiert. Zur Erfüllung dieser Leitlinien werden Handlungsfelder aufgespannt, welche wiederrum mit Handlungszielen versehen werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?452570

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 22:49:56