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Elektronische Dienste für den Personenverkehr

Erstellt am: 16.06.2015 | Stand des Wissens: 05.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Für den Personenverkehr existiert bereits heute eine Vielzahl elektronischer Dienste, die die jeweilige Nutzung des Individualverkehrs, des Öffentlichen Personenverkehrs und der kollaborativen Mobilitätsformen auf unterschiedliche Weise unterstützen. Neuartige Dienste werden zukünftig die Nutzung dieser einzelnen Mobilitätsformen effizienter und einfacher gestalten sowie die Vernetzung zwischen den Mobilitätsformen fördern.
Die elektronischen Dienste für den Individualverkehr sollen einerseits jedem Verkehrsteilnehmer individuell die beste Route aufzeigen und andererseits aus der Sicht des Verkehrsmanagements eine optimierte Nutzung der vorhandenen Infrastruktur für alle Interessengruppen gewährleisten. Heute erhalten Verkehrsteilnehmer flächendeckend sicherheitsrelevante Verkehrsinformationen durch den unentgeltlichen Informationsdienst Traffic Message Channel (TMC) der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten [IVSB11]. Darüber hinaus greift eine größer werdende Anzahl von Navigationsgeräten und Smartphones auf Floating Car Data (FCD) und Floating Phone Data (FPD) privater Anbieter zu, um für die Routenplanung beziehungsweise Navigation Echtzeitdaten zur aktuellen Verkehrssituation verwenden zu können. Zukünftig werden sich hybride Navigations- und Routingdienste durchsetzen, die sowohl öffentliche Verkehrsmanagementstrategien und öffentliche Daten zur Verkehrslage als auch Daten privater Anbieter berücksichtigen [IVSB11]. Heute gibt es eine wachsende Anzahl von hybride Navigations- und Routingdienste, die sowohl öffentliche Daten zur Verkehrslage als auch Daten privater Anbieter berücksichtigen. Als Beispiel, kann man die DB App anschauen oder auch Moovit oder Google Maps, die öffentliche Verkehrsmittel, wie auch Privatanbieter wie Fahrradverleihe in ihre Routenplanung einbeziehen können. Zudem werden durch den "Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM)" (vergleiche hierzu Synthesebericht: Datenplattformen des öffentlichen Verkehrs als Grundlage für Informations- und Kommunikationsdienste zur Unterstützung der individuellen Mobilität) dezentral erhobene Daten des Straßenverkehrs wie Verkehrslage, Baustellen, Umleitungen, Parkplatzbelegung und andere bundesweit auf einer Plattform bereitgestellt, auf deren Basis Datenlieferanten, Datenabnehmer und Datenveredler innovative Mobilitätsdienstleistungen abwickeln und anbieten können [VDE15].
Bei den Nutzern des Öffentlichen Personenverkehrs gewinnt analog zum Individualverkehr die Verfügbarkeit aktueller (Echtzeit-)Informationen sowohl vor als auch während einer Fahrt, in der sogenannten Pre- als auch On-Trip-Phase, zunehmend an Bedeutung. Zahlreiche Verkehrsunternehmen und -verbünde stellen den Nutzern bereits Informationen über aktuelle Verspätungen und Störungen über das Internet oder per Smartphone-Apps zur Verfügung. Zusätzlich positioniert sich der Öffentliche Personenverkehr verstärkt als ganzheitlicher Mobilitätsanbieter für Wege zwischen der Start- und Zielhaltestelle im Hauptlauf und für Wege im Vor- und Nachlauf einer Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. In diesem Zusammenhang werden vom Bundeswirtschaftsministerium in der Forschungsinitiative "Von Tür zu Tür - eine Mobilitätsinitiative für den Öffentlichen Personenverkehr der Zukunft" Projekte gefördert, deren Anwendungen dem einzelnen Fahrgast im Öffentlichen Personenverkehr "[] auf seiner Reise dynamisch personalisierte Reiseauskünfte über seine augenblickliche Verkehrsverbindung []" bereitstellen, siehe [IVSB11]. Neben der Information spielen elektronische Ticket-Dienste eine wichtige Rolle. Erste Anwendungen der automatischen Fahrpreisberechnung durch Check-In/Check-Out (CiCo) oder Be-In/Be-Out (BiBo) weisen ein großes Potenzial auf (siehe die Ausführungen in der Wissenslandkarte: Elektronisches Fahrgeldmanagement).
Formen der kollaborativen Mobilität zeichnen sich durch die Nutzung von Mobilitätsdiensten ohne individuellen Fahrzeugbesitz aus und bringen Eigenschaften des öffentlichen und des Individualverkehrs zusammen. Beispiele hierfür sind Car-Sharing und -Pooling, Bike-Sharing sowie Ride-Sharing und -Selling. Der Erfolg dieser neuartigen Mobilitätsformen liegt neben dem Trend Teilen statt Besitzen (Sharing Economy) auch in der starken Integration elektronischer Dienste begründet, die die Inanspruchnahme vereinfachen und eine spontane Nutzung ermöglichen. Beispielsweise können in der Nähe des momentanen Standorts eines Nutzers verfügbare Car-Sharing-Fahrzeuge über Smartphone-Apps geortet, der Zustand des Fahrzeugs (Sauberkeitsgrad, Tankfüllstand) überprüft sowie das gewünschte Fahrzeug reserviert und geöffnet werden. Die Abrechnung erfolgt nach der Nutzung automatisiert über das hinterlegte Zahlungsverfahren [VDE15].
Neben den aufgeführten elektronischen Diensten für den Individualverkehr und den öffentlichen Verkehr treten verstärkt elektronische Dienste in den Fokus, die eine Vernetzung zwischen diesen Mobilitätsformen bewirken und damit den Nutzern attraktive Alternativen weg von der monomodalen Nutzung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) hin zur multimodalen Nutzung der Angebote im Mobilitätsverbund aufzeigen. Gegenwärtig ist bereits ist eine große Anzahl verschiedener multimodaler Reiseplaner verfügbar, die von unterschiedlichen Akteuren mit unterschiedlichem Funktionsumfang bereitgestellt werden [EuCo14]. Eine hohe Relevanz hat neben der reinen Beauskunftung die Implementierung der Transaktionsfunktionen in diese Systeme, wie zum Beispiel die Buchung mehrerer Verkehrsmittel über ein einziges Ticket [NIT13]. Wichtige zukünftige Anforderungen für die Entwicklung derartiger elektronischer Dienste sind [EuCo14, VDE15]:
  • die Verfügbarkeit der Mobilitätsdaten unterschiedlicher Art, die von allen Verkehrsbetreibern über vernetzte digitale Datenplattformen bereitgestellt werden,
  • der Austausch dieser Mobilitätsdaten über standardisierte Schnittstellen (Zugang über Open Data beziehungsweise Open Service Ansatz),
  • einheitliche Qualitätskriterien für Mobilitätsdaten sowie
  • die Kooperationsbereitschaft der öffentlichen und privatwirtschaftlichen Stakeholder.
Ein beispielhaftes Praxisprojekt für die Vernetzung zwischen den einzelnen Mobilitätsformen ist das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt "Mobility Broker". Kern des Projekts ist der Gedanke eines Marktplatzes, auf dem der Nutzer sich über alle öffentlich verfügbaren Mobilitätsangebote einer Region informieren und diese buchen kann. Er erhält eine einzige Mobilitätsrechnung für die in Anspruch genommenen Leistungen [MoBro15]. Ein derartiger Marktplatz bildet einen wichtigen Zwischenschritt zu einem vollintegrierten persönlichen Mobilitätsassistenten der Zukunft. Dieser elektronische Dienst unterstützt den Nutzer verkehrsträgerübergreifend entsprechend seiner individuellen Bedürfnisse in Echtzeit vor und während der Fahrt. Bei Verspätungen oder sonstigen Verzögerungen werden dem Nutzer die benötigten Informationen übermittelt, alternative Routen oder ein Verkehrsträgerwechsel vorgeschlagen und notwendige Umbuchungen automatisch vorgenommen. Neben den technologischen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen sind bei einem derartigen Dienst auch rechtliche Aspekte, insbesondere der Datenschutz zu beachten [Münc11].
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Digitale Infrastrukturen für verkehrsspezifische Anwendungen (Stand des Wissens: 05.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?451631
Literatur
[MoBro15] ASEAG Aachener Straßenbahn und Energieversorgungs-AG (Hrsg.) Mobilität inter- und intraregional gestalten, 2015
[VDE15] VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (Hrsg.) VDE-Studie Smart Cities, 2015
Glossar
Floating Car Data
Bei Floating Car Data (FCD) geht es um das Messen und Auswerten der Fahrzeugbewegungen anhand von Daten, die direkt aus dem Fahrzeug kommen. Grundlage ist Global Positioning System (GPS) für die Positionsbestimmung im Fahrzeug und Global System for Mobile Communication (GSM)-Kommunikation für die Übertragung von Informationen zwischen Fahrzeug und Zentrale. Damit entsteht im Fahrzeug eine mitschwimmende Messstation für Verkehrsdaten.
In der Zentrale werden die eingehenden anonymisierten Meldungen temporär zwischengespeichert und deren Integrität geprüft. Mit Hilfe von digitalen Karten kann damit der Fahrweg und das Fahrprofil rekonstruiert werden. Die aufbereiteten Daten fließen in ein Rechnersystem zur Zustandsmodellierung der Verkehrslage. Daraus lassen sich aktuelle Verkehrsmeldungen, Verkehrsprognosen und Umfahrungsempfehlungen ableiten.
App
Ist eine Abkürzung für den Fachbegriff Applikation (App) und bezeichnet eine Anwendungssoftware, die für mobile Endgeräte, wie Smartphone oder Tablet-PC entwickelt wurde. Apps können als Zusatzsoftware auf mobilen Endgeräten installiert werden und erweitern dadurch deren Funktionsumfang. Je nach Betriebssystem kann der Nutzer auf eine Vielzahl von mobilen Applikationen auf dem vom Betriebssystem bereitgestellten Marktplatz kostenpflichtig oder kostenlos zugreifen.
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Stakeholder Stakeholders sind alle internen und externen Personengruppen, die von den unternehmerischen Tätigkeiten gegenwärtig oder in Zukunft direkt oder indirekt betroffen sind. Gemäß Stakeholder-Ansatz wird ihnen - zusätzlich zu den Eigentümern (Shareholders) - das Recht zugesprochen, ihre Interessen gegenüber der Unternehmung geltend zu machen. Eine erfolgreiche Unternehmungsführung muss die Interessen aller Anspruchsgruppen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Be-In/Be-Out
Der Ansatz „Be-In/Be-Out (BiBo)“ ist eine Erscheinungsform in Systemen mit automatischer Fahrpreisberechnung, die bisher nur in einzelnen Pilotprojekten getestet wird. Bei diesem Ansatz wird die Anwesenheit des elektronischen Trägermediums des Fahrausweises im Fahrzeug berührungslos automatisch registriert. Eine Interaktion des Nutzers bei Fahrtantritt und –ende ist nicht erforderlich. Für diesen Vorgang reichen jedoch die kleinen, passiven Transponder in Chipkarten in der Regel nicht aus. Stattdessen sind aktive Transponder mit eigener Energieversorgung erforderlich.
Einen alternativen Ansatz zu BiBo stellt das Check-In/Check-Out-Prinzip (CiCo) dar.
Check-In/Check-Out
Der Ansatz "Check-In/Check-Out (CiCo)" ist eine Erscheinungsform in Systemen mit Zugangsberechtigung und/oder automatischer Fahrpreisberechnung, die bei vielen Verkehrssystemen weltweit eingesetzt wird. Bei diesem Ansatz muss der Fahrgast beim Eintritt in das Fahrzeug oder den geschlossenen Bereich eines Schnellbahnsystems sein E-Ticket-Trägermedium an ein Terminal zum "Check-In" und beim Austritt aus dem System erneut zum "Check-Out" halten. Dieser Vorgang ist sowohl mit Chipkarten als auch über die Nahbereichskommunikation (Near Field Communication (NFC)) von bestimmten mobilen Endgeräten möglich und erfolgt quasi in Echtzeit.
Einen alternativen Ansatz zu CiCo stellt das Be-In/Be-Out-Prinzip (BiBo) dar.
Traffic Message Channel Traffic Message Channel (TMC) ist ein Verkehrsinformationsdienst, welcher auf Radio Data System (RDS) beruht, das mehrere Kanäle für Zusatzinformationen zu den jeweiligen Radioprogrammen zur Verfügung stellt. TMC überträgt nach einem spezifischen Protokoll digital codierte Verkehrsinformationen, die im Radiodisplay angezeigt werden. Die Nutzung von TMC ist sprachunabhängig, das heißt die Informationen werden unabhängig vom augenblicklichen Aufenthaltsort in der Sprache des jeweiligen Benutzers dargestellt.
FPD
Floating Phone Data (FPD) beschreibt die anbieterseitige Positions- und Bewegungsermittlung von Mobilfunkgeräten im Fahrzeuginnenraum, die über Einbuchungsvorgänge in den Mobilfunkzellen erfolgt. FPD eigent sich im Straßenverkehr besonders für die Gewinnung von  Verkehrsdaten, bei der die momentane Position des Autofahrers über sein Mobiltelefon geortet werden kann. Ziel ist es den Pkw-Verkehr flächendeckend zu überwachen und somit eine zeitnahe Erkennung von Verkehrsstörungen zu ermöglichen.
Open Data
Unter Open Data werden zu Deutsch offene Daten, die  durch jedermann und für jegliche Zwecke genutzt, weiterverarbeitet und weiterverbreitet werden können. Im Verkehrsbereich wird das Open Data Konzept angewandt, um hochwertige aktuelle Informationen möglichst allen Verkehrsteilnehmern jederzeit zur Verfügung stellen. Beispielsweise werden Marktteilnehmern Baustelleninformationen über den Mobilitäts Daten Marktplatz zur Verfügung gestellt.
MDM Der MDM: Mobilitäts Daten Marktplatz ist ein zentrales Online-Portal, das Verkehrsdaten bereitgestellt, um damit durch den vereinfachten Datenaustausch mit Dritten sowie durch den Zugang für private Dienstleistungsanbieter neue Möglichkeiten im Bereich des Verkehrsmanagements und Serviceangebote zu ermöglichen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen ist im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums für den Betrieb dieser Austauschplattform zuständig.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?451343

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 00:06:14