Forschungsinformationssystem des BMVI

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Geodateninfrastruktur

Erstellt am: 09.06.2015 | Stand des Wissens: 15.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Als Geodaten werden digitale Informationen zur Beschreibung der örtlichen Gegebenheiten beziehungsweise räumlichen Lage auf der Erdoberfläche bezeichnet. Sie werden innerhalb eines Geoinformationssystems (GIS) bereitgestellt. Dazu existieren
  • kommerzielle GIS-Softwarelösungen, wie zum Beispiel Autodesk mit Map3D oder ESRI mit ArcGIS,
  • Open-Source-Softwarelösungen, wie GRASS GIS, die auf Rechnern zu installieren sind und mit denen dann prinzipiell auch ohne Internetverbindung gearbeitet werden kann, oder
  • Online-GIS-Softwarelösungen, wie Google Maps mit Google Earth oder OpenStreetMap, die eine Internetverbindung benötigen.
Im Rahmen der strategischen Planung von Angeboten des öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) bieten Geoinformationssysteme beispielsweise zahlreiche Planungs- und Verwaltungswerkzeuge. Auf einem integrierten Geodatenbestand können alle verkehrlichen und betrieblichen Daten raumbezogen erfasst, verwaltet und mit weiteren planungsrelevanten Daten, wie zum Beispiel demoskopischen Daten, kombiniert werden.
Der Aufbau und Betrieb einer Geodateninfrastruktur (GDI) realisiert und vereinfacht die Verknüpfung von Geodaten für Internetapplikationen, Smartphone-Apps oder Anwendungen in Navigationsgeräten, aber auch für Entscheidungen und Prozesse mit Raumbezug in Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Nach der INfrastructure for SPatial InfoRmation in Europe (INSPIRE)-Richtlinie  der Europäischen Union (EU) vom 14. März 2007 [2007/2/EG] werden der Zugang und die Verfügbarkeit von Geodaten in Europa sichergestellt. Entsprechend der verfassungsrechtlich festgelegten Aufgabenteilung haben sowohl der Bund als auch die Länder die INSPIRE-Richtlinie in eigenen Gesetzen umgesetzt. Am 10.02.2009 ist das Geodatenzugangsgesetz des Bundes [GeoZG] in Kraft getreten. Auf Ebene der Bundesländer wurden entsprechende Gesetze neu erlassen oder novelliert.
Verschiedene Behörden, Institutionen, Organisationen und Gremien, wie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), das Bundesamt für Kartographie (BKG), die nationale Koordinierungsstelle Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE), die Kommission für Geoinformationswirtschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (GIW-Kommission), die Informationstechnik-Koordinierung der Bund/Länder-Fachinformationssysteme (IT-KO) mit ihren Fachgruppen, aber auch Institutionen wie die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), sind für Aktivitäten und Initiativen zur Gestaltung einer abgestimmten Geodateninfrastruktur verantwortlich. Dabei werden insbesondere folgende Ziele verfolgt:
  • Geodaten sind in offenen Strukturen und für ein breites Anwendungsspektrum vorzuhalten.
  • Geodaten sind einem großen Nutzerkreis zugänglich zu machen.
  • Die technische Integration von Geodaten anderer Stellen in eigene Applikationen ist sicherzustellen und zu vereinfachen.
  • Datenbestände sind über Staats- und Verwaltungsgrenzen hinaus zur Verfügung zu stellen.
  • Homogene Zugangs- und Nutzungsbedingungen (beispielsweise GeoView.nrw [Esrt04]) sind für eine volkswirtschaftlich sinnvolle Nachnutzung der Daten zu schaffen [Baie13a].
Aus verkehrsspezifischer Sicht umfasst die INSPIRE-Richtlinie Geodaten zu Verkehrsnetzen und zugehörigen Infrastruktureinrichtungen, welche primär die kartographischen Lageinformationen der Verkehrsinfrastruktur betreffen, die für die Verkehrsinformation und -steuerung sowie das Verkehrsmanagement genutzt werden. In der Praxis findet sich eine Vielzahl verkehrsspezifischer Anwendung georeferenzierter Daten, wie beispielsweise
  • die effizientere Disposition von Rettungs- und Winterdienstfahrzeugen,
  • auf globale Satellitennavigationssysteme (GNSS) gestützte rechnerbasierte Betriebsleitsysteme (ITCS) im ÖPNV,
  • die Landeunterstützung bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) oder
  • Global Navigation Satellite System (GNSS)-Airbag-Systeme mit Notruf-Funktionalität, der sogenannte emergency call (eCall) [Jank11].
Unter Zuhilfenahme von Geodaten in Form von Dateninhalten georeferenzierter Teilstrecken, Haltestellen und Meldepunkten für die Bevorrechtigung an Lichtsignalanlagen können besonders im ÖPNV bei Beeinträchtigungen im Betriebsablauf (Unfälle, Hindernisse oder technische Probleme) routenflexible sowie bedarfsgerechte Bedienformen optimiert werden. Zudem werden Beschleunigungsmaßnahmen zur Optimierung des Verkehrsflusses im ÖPNV (beispielsweise verkehrsabhängige Ampelschaltungen), zur Optimierung von Fahrzeugbeständen sowie von Fahrgastzählungen ermöglicht. Auch bei der Deutsche Bahn AG werden mittelfristig Balisen durch hochverfügbare und -integre GNSS-Signale zur Bestimmung ortsabhängiger Steuerungsfunktionen, zum Beispiel für Antriebs- sowie Neigetechnik, ersetzt [Forn10]. Die sich hieraus ergebenden Funktionsverbesserungen und -erweiterungen konnten im Rahmen des Forschungsprojektes "Regionale Unternehmensübergreifende Dynamisierung der Fahrplaninformation, Buchung und Betrieb im ÖPNV und Taxigewerbe (RUDY)" erfolgreich nachgewiesen werden [WiSc06]. Die gesammelten Geodaten sollten darüber hinaus auch Bestandteil des "Mobilitäts Daten Marktplatzes (MDM)" sein, um die Interoperabilität für die Nutzergruppen, die Datenanbieter, Datenveredler und Datenabnehmer, zu gewährleisten [GöRe13].
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Digitale Infrastrukturen für verkehrsspezifische Anwendungen (Stand des Wissens: 05.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?451631
Literatur
[Baie13a] Baier, C., Heß, D, Schleyer, A. Geodateninfrastruktur - verstehen und anwenden, veröffentlicht in Mitteilungen DVW Landesverein Baden-Württemberg e.V., Ausgabe/Auflage Heft 1/2013, 60. Jahrgang, 2013, ISBN/ISSN 0940-2942
[Esrt04] Erstling, R., Eckart, W., Kirschfink, H. GeoView.nrw - Integrierte Verkehrsinformationen in einer verteilten Geodateninfrastruktur, 2004
[GöRe13] Götze, U., Rehme, M. Intelligente Verkehrssysteme in der Neuen Mobilität: Formen, Entwicklungstrends und Wertschöpfungsnetze, Ausgabe/Auflage 1. Auflage, GUC-Verlag Gesellschaft für Unternehmensrechnung und Controlling, 2013/09/04, ISBN/ISSN 978-3863670245
[WiSc06] Wiltschko, T. , Schollmeyer, R. Potenzial von Geodaten bei Planung und Betrieb von öffentlichem Personennahverkehr, veröffentlicht in Newstix, 2006
Rechtsvorschriften
[GeoZG] Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten
(Geodatenzugangsgesetz - GeoZG)
Glossar
GIS Geographical Information System (GIS); geographisches Informationssystem. GIS sind IT-Anwendungen, die sich aus Computerkartographie, raumbezogenen Datenbanken und mathematischen Modellen zusammensetzen. Hierdurch wird es möglich, unterschiedliche raumbezogene Informationen zu überlagern, gemeinsam auszuwerten und darzustellen (z. B. Bevölkerungsdichte und Verkehrsinfrastruktur). Wesentliche Anwendungsfelder liegen in der Standortplanung, Einzugsbereichsanalyse, Routenfindung, Fahrweg- und Tourenplanung sowie Fahrzeugortung und Fahrzeugführung.
eCall
eCall (Kurzform von "emergency call") beinhaltet ein Notrufsignal, dass sowohl manuell als auch automatisch ausgelöst werden kann. Es sendet einen minimalen Datensatz (MSD) mit allen relevanten Informationen (u. a. den Standortdaten) an die zuständige Notrufzentrale. Diese kann einen Audiokanal zum Fahrzeug herstellen und erforderliche Notfallhilfsmaßnahmen einleiten.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
GNSS Globale Navigationssatellitensysteme (englisch Global Navigation Satellite System) oder GNSS dienen der weltweiten Positionsbestimmung, sowie der Koordinaten- und Zeitübermittlung.
BMUV
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (bis 12/2013 BMU, bis 03/2018 BMUB und bis 12/2021 BMU)
ITCS
Intermodal Transport Control System (ITCS) ist ein Rechnerverbund-System im ÖPNV, welches über einen zentralen Server alle anfallenden Betriebsdaten sammelt und mit den ursprünglichen Planungsdaten vergleicht. In gewissen Grenzen kann es daraufhin selbstständig auf die jeweilige Betriebssituation reagieren.
Im Jahr 2005 ersetzte der Begriff ITCS die Bezeichnung rechnergestütztes Betriebsleitsystem (RBL), worauf sich VDV und Industrie aufgrund von überholter Funktionalität einigten.
MDM Der MDM: Mobilitäts Daten Marktplatz ist ein zentrales Online-Portal, das Verkehrsdaten bereitgestellt, um damit durch den vereinfachten Datenaustausch mit Dritten sowie durch den Zugang für private Dienstleistungsanbieter neue Möglichkeiten im Bereich des Verkehrsmanagements und Serviceangebote zu ermöglichen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen ist im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums für den Betrieb dieser Austauschplattform zuständig.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?450117

Gedruckt am Dienstag, 23. April 2024 23:01:42