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Ökonomische Besonderheiten von Breitbandinfrastruktur

Erstellt am: 09.06.2015 | Stand des Wissens: 17.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck

Der Telekommunikationssektor ist als Netzsektor durch eine spezifische Marktstruktur gekennzeichnet, indem auf der Ebene der Teilnehmeranschlussnetze ein einziges Unternehmen den Markt kostengünstiger bedienen kann als mehrere Unternehmen.
Der Aufbau von Telekommunikationsnetzen erfordert hohe anfängliche Investitionen, die versunkene Kosten darstellen, da Telekommunikationsnetze nicht anderweitig verwendet werden können. Zudem existieren beim Netzaufbau Verbund- (economies of scope) und Größenvorteile (economies of scale). Diese führen dazu, dass die Durchschnittskosten für die Netzbereitstellung mit steigender Produktionsmenge sinken. Es liegt somit auf Ebene der leitungsgebundenen Teilnehmeranschlussnetze ein natürliches Monopol vor: Die Gesamtkosten für die Bereitstellung von Teilnehmeranschlüssen sind geringer, wenn ein Unternehmen allein und nicht mehrere Unternehmen in Konkurrenz den Markt versorgen [HeUn10, S. 13]. Es ist somit volkswirtschaftlich effizient, wenn nur ein einzelnes Unternehmen Investitionen zur Erschließung von Endkunden tätigt (etwa Verlegung von Kabeln zu den Haushalten), als wenn mehrere Anbieter parallel eigene Teilnehmeranschlussnetze aufbauen und die Netzinfrastruktur somit dupliziert wird.
Allerdings verfügt ein Monopolunternehmen, das alleine den Markt bedient über Marktmacht: Es kann von potentiellen Konkurrenten, die Zugang zu dieser Infrastruktur benötigen, um selber Telekommunikationsdienstleistungen auf einem nachgelagertem Markt anzubieten, überhöhte Preise verlangen oder den Zugang ganz verwehren [vergleiche CrEi13]. Das Monopolunternehmen ist somit im Besitz einer wesentlichen Einrichtung, die für Konkurrenten aufgrund versunkener Kosten mit angemessenen Mitteln nicht duplizierbar ist. Diese Bereiche werden auch als monopolistische Engpassbereiche (bottlenecks) bezeichnet [Knie11a]. Hierzu zählt insbesondere die Teilnehmeranschlussleitung (TAL) innerhalb eines Telekommunikationsnetzes. Diese "letzte Meile" stellt die Verbindung zwischen der Ortsvermittlungsstelle (Hauptverteiler) des Netzbetreibers und dem Netzabschluss des Endkunden dar (vergleiche Abbildung 1). Im Regelfall handelt es sich in Deutschland hierbei um Kupferkabel und seit dem Ausbau des Telefonnetzes der neuen Bundesländer auch aus reiner Glasfaser und Kombinationen von Kupfer- und Glasfaserleitungen, die zum überwiegenden Teil zur Bereitstellung von Breitbandanschlüssen durch die Telekommunikationsnetzbetreiber genutzt werden.
Monopolistischer BootleneckAbb. 1: Monopolistischer Bootleneck im Telekommunikationssektor [Eigene Darstellung](Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Aus diesem Grund unterliegt der Bottleneck der Telekommunikationsinfrastruktur in Deutschland einer sektorspezifischen, staatlichen Regulierung: Zugangsbedingungen und Entgelte werden durch eine Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur, festgelegt. Das Ziel ist dabei, netzspezifische Marktmacht zu disziplinieren, so dass sie nicht missbräuchlich eingesetzt werden kann, um einen Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Produktionsstufen zu ermöglichen [Knie07].
Aufgrund der unterschiedlichen technischen Eigenschaften unterscheidet sich der Ansatz der Regulierung im Bereich des mobilen Breitbandnetzes stark von dem der kabelgebundenen Technik. Im Gegensatz zur Teilnehmeranschlussleitung im kabelgebundenen Bereich ist im mobilen Bereich die Koexistenz mehrerer Infrastrukturen ökonomisch möglich, da von einem Sendemast sehr viele Kunden gleichzeitig erreicht werden können und somit den Investitionskosten auch hohe potentielle Erlöse gegenüberstehen. Mobilfunknetze stellen grundsätzlich keine monopolistischen Bottlenecks dar [Knie00]. Somit kann sich ein Wettbewerb mehrerer Netzbetreiber entwickeln und es ist keine Bottleneck-Regulierung der Netzzugänge im herkömmlichen Sinne nötig.
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Begründung der Regulierung von Breitbandinfrastruktur (Stand des Wissens: 17.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?451234
Literatur
[CrEi13] Crandall, R., Eisenach, J., Ingraham, A. The long run effects of copper-loop unbundling and the implications for fiber, veröffentlicht in Telecommunications Policy, Ausgabe/Auflage 37 (2013), 2013
[HeUn10] Henseler-Unger, I. Die Regulierung von Netzindustrien in Europa - am Beispiel der Telekommunikation, veröffentlicht in Wirtschaftsdienst, Ausgabe/Auflage Jahrgang 90 (2010) Sonderheft, 2010
[Knie00] Knieps, G. Wettbewerb auf dem Mobilfunkmarkt, veröffentlicht in MultiMedia und Recht (MMR), Ausgabe/Auflage Beilage 2/2000, 2000
[Knie07] Knieps, G. Disaggregierte Regulierung in Netzsektoren: Normative und positive Theorie, veröffentlicht in Zeitschrift für Energiewirtschaft, Ausgabe/Auflage 31/3 (2007), 2007/08
[Knie11a] Knieps, G. Regulatory Unbundling in Telecommunications, veröffentlicht in Competition and Regulation in Network Industries, Ausgabe/Auflage 12/4 (2011), 2011
Glossar
Letzte Meile
Im Bereich der Telekommunikation bezeichnet die "letzte Meile", auch Teilnehmeranschlussleitung genannt, die Netzstrecke zwischen dem lokalen Verteilerkasten des entsprechenden Kommunikations-Unternehmens und dem Hausanschluss des Endkunden.
In der Logistik steht der Begriff für die Belieferung des Endkunden im Liefer- und Abholverkehr, also dem letzten notwendigen Transportvorgang.
Flaschenhals Als Flaschenhals bezeichnet man diejenige Anlage, Funktion, Abteilung oder Ressource, die in einer betrachteten Periode und einem festgelegten Prozess die höchste Auslastung in der gesamten Prozesskette hat und damit der Durchfluss begrenzt wird. Der Flaschenhals wirkt somit als Kapazitätsgrenze für das Gesamtsystem.
Economies of Scale Economies of Scale treten auf, wenn die Produktionskosten pro hergestellter Einheit mit zunehmender Produktionsmenge abnehmen.
Economies of Scope
Economies of Scope sind Verbundeffekte beziehungsweise Synergieeffekte, die entstehen, wenn die Kosten für die gemeinsame Betreuung zweier zusammengeführter Segmente in einem Unternehmen niedriger ist als die zweier voneinander isolierter Segmente.
Economies of Scale
Economies of Scale sind Skalenerträge beziehungsweise Größenvorteile, die auftreten, wenn die Produktionskosten pro hergestellte Einheit mit zunehmender Produktionsmenge abnehmen. Wichtigste Ursache ist die Fixkostendegression, das heißt, dass bei höherer Kapazitätsauslastung die Fixkosten auf eine größere Produktionsmenge aufgeteilt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?450049

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 01:08:12