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Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Güterverkehrs- und Logistikbranche

Erstellt am: 03.06.2015 | Stand des Wissens: 09.11.2022
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Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

"Nachhaltigkeitsberichterstattung bedeutet die Gewährleistung der Rechenschaft für Unternehmensaktivitäten unter der Perspektive der Nachhaltigkeit. [...] Vereinfacht gesagt ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine um ökologische, soziale und gesamtwirtschaftliche Aspekte erweiterte Geschäftsberichterstattung" [ÖBU08, S. 9]. Die heute übliche Nachhaltigkeitsberichterstattung hat sich aus der Umweltberichterstattung entwickelt [IfS20].

Die Zahl der Unternehmen, die über Nachhaltigkeit Bericht erstatten (in Form eines eigenständigen Nachhaltigkeitsberichts oder eines integrierten Unternehmensberichts), nimmt seit einigen Jahren deutlich zu. Der Anteil der Berichterstatter unter den 100 größten deutschen Unternehmen ist von 60 Prozent im Jahr 2015 auf nunmehr 62 Prozent im Jahr 2021 angestiegen. Von den 38 Top-100-Unternehmen, die keinen eigenständigen oder integrierten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, können 19 auf einen Bericht des (internationalen) Mutterkonzerns verweisen. Weitere Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsbericht legen eine nichtfinanzielle Erklärung vor oder stellen relevante Nachhaltigkeitsinformationen auf ihrer Website oder in themenbezogenen Broschüren zur Verfügung. Als Nichtberichterstatter gelten im Jahr 2021 nur fünf der Top-100-Unternehmen, deren Informationen zur Nachhaltigkeit im "Ranking der Nachhaltigkeitsberichte" als zu geringfügig bewertet wurden. Die Quote der Nichtberichterstatter sank damit von 27 Prozent im Jahr 2011 über 15 Prozent im Jahr 2015 auf nunmehr fünf Prozent. Die größte Gruppe der Nichtberichterstatter stellen Handelsunternehmen (unter anderem Amazon Deutschland, Globus-Handelshof-Gruppe und Lekkerland) dar [IÖW22].
Seit dem Geschäftsjahr 2017 sind bestimmte deutsche Großunternehmen dazu verpflichtet, Angaben über Arbeitnehmer-, Sozial-und Umweltbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Korruptionsbekämpfung in einer nichtfinanziellen Erklärung (NFE) offenzulegen, was unter anderem im Rahmen eines Nachhaltigkeitsberichts geschehen kann. Diese sogenannte Corporate Social Responsibility (CSR)-Berichtspflicht geht auf die EU-Richtlinie [2014/95/EU] zurück und ist seit dem Jahr 2017 mit dem [CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz] im deutschen Recht verankert. Die EU brachte die Richtlinie zur Offenlegung von nichtfinanziellen Informationen, die sogenannte CSR-Richtlinie [2014/95/EU], im Jahr 2014 mit dem Ziel auf den Weg, die Transparenz und Verantwortlichkeit von europäischen Unternehmen in Sozial- und Umweltfragen zu stärken und die Unternehmen so zu einem nachhaltigeren Handeln zu bewegen. Zudem soll die Richtlinie die unterschiedlichen Verfahrensweisen in der Berichterstattung europaweit vereinheitlichen und somit eine größere Vergleichbarkeit herstellen. In manchen Mitgliedsländern, wie in Frankreich und Dänemark, bestand bereits davor eine Veröffentlichungspflicht für bestimmte Aspekte der Nachhaltigkeit. In Deutschland wurde im Jahr 2017 mit der Umsetzung der Richtlinie in öffentliches Recht erstmals eine Berichtspflicht eingeführt. Betroffen von der CSR-Berichtspflicht sind große Unternehmen von öffentlichem Interesse, wobei entscheidende Kriterien hierfür die Mitarbeiteranzahl, der Umsatz sowie die Bilanzsumme sind. Im November 2018 gab es demnach 439 große Unternehmen von öffentlichem Interesse in Deutschland. Hierbei fielen 46 der 62 deutschen Großunternehmen mit eigenständigem Nachhaltigkeitsbericht unter die Berichtspflicht [IÖW22].

Erste Untersuchungen hinsichtlich der Auswirkungen der Berichtspflicht zeigen, dass die Qualität der Berichte von berichtspflichtigen Unternehmen in bestimmten Bereichen besser ist (vor allem im Bereich Unternehmensführung) und klarere Fokussetzungen verfolgt werden. Zudem ist zu beobachten, dass die Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichte weiter zunimmt. Um die Transparenz und Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsberichten zu erhöhen und eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Standards entwickelt, die Form und Inhalt dieser Berichte vorgeben. Der am weitesten verbreitete Standard ist die von der Global Reporting Initiative (GRI) entwickelte Richtlinie. Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 von der Coalition for Environmentally Responsible Economies (CERES) und dem United Nations Environment Programme (UNEP) gegründet. Bis Mitte 2002 war die GRI mit der UN in Form eines UNEP Collaborating Centres verbunden, heute ist sie eine unabhängige Non-Governmental Organization (NGO) mit Sitz in Amsterdam [GRI07]. Das Ziel der Gründung der GRI war die Angleichung der Nachhaltigkeitsberichtserstattung an das Niveau des Finanzberichtswesens [GRI11].
Das Kernelement des GRI-Systems ist der Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung, dessen erster Entwurf bereits im Jahr 1999 vorlag. Der Leitfaden und die erarbeiteten Indikatoren wurden kontinuierlich in den Standardversionen G2 bis G4 weiterentwickelt [GRI18]. Im Oktober 2016 hat die GRI unter dem Namen GRI Sustainability Reporting Standards eine aktualisierte Version der Leitlinien veröffentlicht, welche die G4 Leitlinien im Juli 2018 offiziell ablösten. Mit den neuen Standards fand eine umfassende Re-Strukturierung des Leitfadens statt. So wurden die nun modularen Leitlinien in drei universelle Standards und 33 themenspezifische Standards, die spezifische Hinweise zur Berichterstattung in dem jeweiligen (ökonomischen, ökologischen oder sozialen) Themenbereich geben, untergliedert. Diese Struktur sowie eine Vereinfachung der Sprache soll Unternehmen größere Flexibilität in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung bieten [GRI16].
Bei den deutschen Großunternehmen folgen beinahe alle 69 Berichterstatter (mit Ausnahme von vier) den Standards der GRI. Das Ranking der Nachhaltigkeitsberichte des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung betont hierbei zwar, dass sich die Indikatoren der GRI zum nahezu obligatorischen Berichtsstandard entwickelt hätten, stellt jedoch bei der Erfüllung der Indikatoren deutliche Unterschiede bezüglich Informationsumfang und -tiefe fest [IÖW19, S.15].

Die nach eigenen Angaben weltweit größte Initiative im Bereich Corporate Citizenship und Nachhaltigkeit ist der United Nations Global Compact. Seit Gründung der Initiative haben sich bis zum Jahr 2017 rund 9.500 Unternehmen sowie über 4.000 Arbeitnehmer-, Menschenrechts-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen dazu verpflichtet, die Prinzipien des Global Compacts einzuhalten [SzEg15; UNGC17]. Beispiele für Unternehmen aus der Güterverkehrs- und Logistikbranche, die sich dem Global Compact angeschlossen haben, sind die Deutsche Bahn, Lufthansa, Deutsche Post World und Fraport [DGCN20]. Der United Nations Global Compact ist eine strategische und politische Initiative zwischen Unternehmen und den Vereinten Nationen, die mit dem Ziel geschlossen wurde, die fortschreitende Globalisierung ökologisch und sozial nachhaltiger zu gestalten. Der Global Compact, der im Juli 2000 verabschiedet wurde, ist kein klassisches regulierendes Instrument der Umweltpolitik, sondern vielmehr eine freiwillige Initiative von Unternehmen und Organisationen, die ihre Aktivitäten nachhaltig gestalten möchten [UNGC11, S. 2]. Der United Nations Global Compact umfasst zehn Kernprinzipien, die den Kategorien Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung zugeordnet sind [DGCN20a].

Neben dem United Nations Global Compact existiert das Carbon Disclosure Project (CDP). Das CDP ist eine unabhängige, international tätige Non-Profit-Organisation. Sie wurde im Jahr 2000 in London mit dem Ziel gegründet, "qualitativ hochwertige klimabezogene Unternehmensdaten zu sammeln und Investoren, Unternehmen und Regierungen dazu zu motivieren, auf Grundlage dieser Daten aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen" [CDP20, S. 1]. Das CDP umfasst die Bereiche Climate Change, Supply Chain, Cities, Water, Forest und Carbon Action. Die jährlich veröffentlichten Berichte zu diesen Bereichen sowie die von den Unternehmen freigegebenen Daten sind auf der CDP-Internetseite für Interessenten frei verfügbar [CDP13a].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ökologische Nachhaltigkeit in Güterverkehr und Logistik (Stand des Wissens: 09.11.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?351313
Literatur
[CDP13a] Carbon Disclosure Project Annual CDP program reports, 2013
[CDP20] Carbon Disclosure Project Das Carbon Disclosure Project (CDP) - Kurzporträt, 2020
[DGCN20] Deutsches Global Compact Netzwerk (Hrsg.) Deutsches Global Compact Netzwerk - Teilnehmer, 2020
[DGCN20a] Deutsches Global Compact Netzwerk (Hrsg.) Deutsches Global Compact Netzwerk - Factsheet, 2020
[GRI07] Global Reporting Initiative Sustainability Reporting 10 Years On - Briefing Paper, 2007/10/18
[GRI11] Global Reporting Initiative About the GRI Reporting Framework, 2011
[GRI16] Global Reporting Initiative (GRI) (Hrsg.) GRI's History, 2016
[GRI18] Global Reporting Initiative Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, 2018/07/01
[IfS20] Institute for Sustainability (Hrsg.) Hintergrund: Entwicklung Nachhaltigkeitsberichterstattung, 2020
[IÖW19] Dietsche, Christian, Lautermann, Christian, Westermann, Udo CSR-Reporting von Großunternehmen und KMU in Deutschland - Ranking der Nachhaltigkeitsberichte 2018, 2019/02
[IÖW22] Hoffmann, Esther , Lautermann, Christian , Schöpflin, Patrick , CSR-REPORTING IN DEUTSCHLAND 2021, 2022/04
[ÖBU08] öbu - works for sustainability Werte schaffen mit Nachhaltigkeitsreporting - Best Practices in der Schweiz, 2008/01/15
[SzEg15] Schweizerische Eidgenossenschaft (Hrsg.) Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen, 2015/04/01
[UNGC11] United Nations Global Compact Corporate Sustainability in The World Economy - United Nations Global Compact, 2011/02
[UNGC17] United Nations Global Compact (Hrsg.) Update on UN Global Compact Participation: 2017 Midyear Status, 2017/07/12
Rechtsvorschriften
[2014/95/EU] CSR-Richtlinie zur Offenlegung von nichtfinanziellen und die Diversität betreffenden Informationen
[CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz] Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten
Glossar
Supply Chain Als Supply Chain (Liefer- oder Wertschöpfungskette) bezeichnet man ein organisationsübergreifendes Netzwerk, welches als Gesamtsystem Güter für einen bestimmten Markt hervorbringt. Die heutigen Supply Chains sind aufgrund der Vielzahl von beteiligten Zulieferern, Dienstleistern und Kunden - die wiederum an anderen Supply Chains beteiligt sein können - sehr komplexe, interdependente Gebilde. Treffender müsste daher eine Supply Chain, aufgrund der häufig vorkommenden netzwerkartigen Struktur der zusammenarbeitenden Unternehmen, als "Supply Network" bezeichnet werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?449350

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 02:38:35