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Kooperative vernetzte Systeme im Verkehr

Erstellt am: 03.06.2015 | Stand des Wissens: 05.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Die Kommunikation von Verkehrsteilnehmern untereinander ist mittels akustischer (Hupe) aber auch optischer Hilfsmittel (Blinker, Bremslicht) gängige Praxis. Mit dem Voranschreiten der Entwicklung in der Automatisierungstechnik und den Standards zur drahtlosen Kommunikation ergeben sich jedoch Möglichkeiten zur Kooperation zwischen Fahrzeugen beziehungsweise Fahrzeugführern in einer völlig neuen Qualität und über Entfernungen, die optische und akustische Systeme nicht gewährleisten können [WoHe10; Jesc12]. Dabei machen vor allem die anwachsende Mobilität der Bevölkerung (so nahm die Anzahl der angemeldeten Personenkraftwagen beispielsweise zwischen 2014 und 2021 um 9,1 Prozent auf 48.2 Millionen) einen automatisierten Ansatz kooperativere Systeme in Verkehr notwendig [DeST22v].
Das Ziel vernetzter Verkehrssysteme ist es unter anderem
  •     Unfälle zu vermeiden, die sich aufgrund einer überlasteten Infrastruktur ereignen, aber auch
  •     auf Störfälle schneller zu reagieren
und so dazu beizutragen, dass deren Folgen sowohl für die direkt Beteiligten als auch für die Gesellschaft verringert werden können. Die Systemstruktur dafür bildet das Intelligente Verkehrsmanagement mit verkehrsbegleitender Kommunikation, Automatisierung von Verkehrsprozessen sowie vernetzter und kooperativer Systeme [GöRe13].

Einen besonderen Stellenwert innerhalb der digital vernetzten Systeme nimmt dabei die Fahrzeugkommunikation ein. Diese Kommunikationsart wird allgemein als Car-to-X oder Wireless Local Area Network (WLANp)-Kommunikation bezeichnet. Unter diesen Begriffen werden Standards zusammengefasst, die eine Kommunikation der Fahrzeuge untereinander, aber auch eine Kommunikation zwischen Fahrzeug und ausgerüsteter Infrastruktur über die Luftschnittstelle ermöglichen. Die hierfür notwendige, dedizierte Hardware soll dabei auch sicherheitsrelevante Informationen, wie beispielsweise den Einsatz der automatischen Notbremsfunktion in einem in der Nähe befindlichen Fahrzeug, übertragen.

Für eine Car-to-X-Kommunikation existieren derzeit bereits länderübergreifende Standards. Allerdings findet in Europa, den Vereinigten Staaten (USA) und Japan die Entwicklung voneinander abweichender Standards statt. Darüber hinaus sind auch koreanische und chinesische Car-to-X-Standards in der Entwicklung, was die Sicherstellung der Interoperabilität zusätzlich erschweren wird.

Mit dem Cooperative Vehicle Infrastructure System (CVIS) [CVIS06] wurden in den Jahren 2006 bis 2010 Vorarbeiten zum Einsatz kooperativer Systeme im Verkehr durchgeführt. Weitere Forschungsprojekte [Schi14; Köst14] zeigten beziehungsweise zeigen den Nutzen kooperativ vernetzter Systeme auf Basis von Car-to-X im Verkehr. Mit dem Cooperative Intelligent Transportation Systems (ITS) Corridor [BMVI13d], einem Verbundprojekt zwischen Deutschland, Österreich und den Niederlanden, existiert aktuell auch ein internationales Testfeld für kooperative Infrastruktur auf Basis des europäischen Car-to-X-Standards [CoCo23].

Weiterhin wird angestrebt, den öffentlichen Personennahverkehr in die digitale Vernetzungsstruktur des Straßenverkehrsmanagements einzubinden. Dazu gehört beispielsweise die Realisierung der Vernetzungs- und Kommunikationsschnittstellen für die Bevorrechtigung von Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs an Lichtsignalanlagen im städtischen Verkehr oder verkehrssituationsadaptive und verbrauchsoptimierende Fahrerassistenz für Straßenbahnen [Krim14a].

Aktuelle Aspekte zum Potential kooperativ vernetzter Systeme stehen in engem Zusammenhang mit Themenfeldern der Elektromobilität. So ist es für Fahrer von Elektrofahrzeugen oft nur schwer abzuschätzen, inwieweit sich Faktoren wie die aktuelle Verkehrslage auf die erzielbare Reichweite des Elektrofahrzeugs auswirken. Die Car-to-X-Technologie kann hierfür in Kombination mit dem flächendeckenden Mobilfunk sowie dem integrierten Verkehrsmanagementsystem die Zielführung eines Elektrofahrzeuges in urbanen Regionen entlang der energieeffizientesten Route bestimmen, um somit die effektive Reichweite zu vergrößern [Bäke15].
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Digitale Infrastrukturen für verkehrsspezifische Anwendungen (Stand des Wissens: 05.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?451631
Literatur
[BMVI14h] Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Verkehr in Zahlen 2014/15, Ausgabe/Auflage 43. Jahrgang, DVV Media Group GmbH / Hamburg, 2014, ISBN/ISSN 978-3-87154-493-4
[CoCo23] CAR 2 CAR Communication Consortium (Hrsg.) C-ITS: Cooperative Intelligent Transport Systems and Services, 2023/08/25
[CVIS06] Cooperative Vehicle-Infrastructure Systems, 2006
[DeST22v] Statistisches Bundesamt (DeSTATIS) (Hrsg.) Pkw-Dichte im Jahr 2021 auf Rekordhoch, 2022/09/15
[GöRe13] Götze, U., Rehme, M. Intelligente Verkehrssysteme in der Neuen Mobilität: Formen, Entwicklungstrends und Wertschöpfungsnetze, Ausgabe/Auflage 1. Auflage, GUC-Verlag Gesellschaft für Unternehmensrechnung und Controlling, 2013/09/04, ISBN/ISSN 978-3863670245
[Krim14a] Krimmling, J. Verbesserung der Verkehrssteuerung auf der Nord-Süd-Verbindung in der Landeshauptstadt Dresden - Umsetzungsstufe, 2014/11/18
[Schi14] Schimandl, F., Baur, M., Busch, F. Ermittlung von Wirkungen kooperativer Assistenzsysteme im motorisierten Individualverkehr mittels mikroskopischer Verkehrsflusssimulation
Methodik und Ergebnisse aus dem Projekt simTD, 2014
Glossar
WLAN
Als Wireless Local Area Network (WLAN, deutsch: drahtloses lokales Netzwerk) wird ein lokales Funknetz und dessen verschiedene Techniken und Standards bezeichnet.
Car-to-X zusammenfassender Begriff für Technologien, die Fahrzeug-zu-Fahrzeug- (Car-to-Car) und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation (Car-to-Infrastructure) ermöglichen.
ITS Intelligent Transportation Systems (ITS) ist der Oberbegriff für Transportsysteme, die Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung des Betriebes einsetzen. ITS-Funktionen unterstützen den Fahrer eines Transportmittels, sie sind damit deutlich von automatischen Transportsystemen zu differenzieren, die auf einen fahrerlosen Betrieb abstellen. Die wichtigsten neuen und zum Teil noch in Entwicklung befindlichen Anwendungsfelder zielen auf (1) Verkehrs- und Transportmanagement (Verkehrsinformationen, Verkehrslenkung, Verkehrs- und Parkleitsysteme, automatische Unfallmeldungen, Meldesysteme zum Gefahrgutmonitoring); (2) Elektronische Systeme zur Gebührenerhebung; (3) Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (dynamische Fahrgastinformationen, Reservierung, spezifische Informationssysteme für Fahrradfahrer und Fußgänger, Steuerung individueller öffentlicher Verkehrsmittel); (4) Systeme zur Unterstützung der Fahrzeugsicherheit (Kollisionsdetektoren, Sektorisierung von Verkehrswegen).
WLANp
Wireless Local Area Network bezeichnet ein international standardisiertes drahtloses Funknetzwerk, welche hier mit dem Zusatz p speziell für eine Kommunikation zwischen Fahrzeugen sowie zwischen Fahrzeugen und einer Infrastruktur entwickelt wurde.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?449231

Gedruckt am Dienstag, 19. März 2024 06:07:05