Entwicklungsdynamik des multimodalen Verkehrsverhaltens
Erstellt am: 19.05.2015 | Stand des Wissens: 06.06.2018
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TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Entwickelt sich das Verkehrsverhalten in Deutschland aktuell von einer primär autoorientierten Mobilität hin zu einer multimodalen? Das trifft nicht für alle Personengruppen zu (vgl. KIT11). Jedoch lässt sich dieser Trend bei jüngeren Personengruppen beobachten. Der Pkw-Besitz geht unter jungen Erwachsenen zurück (vgl. KuhBueh12, S.444). Diejenigen jungen Erwachsenen, die über ein Auto verfügen, entscheiden sich immer öfter, auch andere Verkehrsmittel zu nutzen [vgl. KuhBueh12, S. 446 f.; ifmo11a, S. 24]. Die nachfolgende Abbildung 1 veranschaulicht diesen Trend.

Die ÖV-Nutzung (mindestens einmal in der Woche genutzt) ist in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen zwischen 1996 und 2010 von 44 auf 60 Prozent gestiegen [KIT11, S. 59]. Mögliche Erklärungen hierfür bieten soziodemografische Entwicklungen unter jungen Erwachsenen. "Der Anteil junger Erwachsener zwischen 18 und 34, die in Einpersonenhaushalten leben, hat zwischen 1998 und 2008 von 31 Prozent auf 41 Prozent zugenommen" [ifmo11a, S. 19]. Im gleichen Zeitraum ist das mittlere reale Bruttomonatseinkommen von jungen Einpersonenhaushalten um 150 Euro auf 1.800 Euro gesunken (vgl. ifmo11a, S. 19). Die starke Korrelation zwischen Einkommen und Pkw-Besitz, gekoppelt mit einem generell niedrigeren Pkw-Besitz bei Einpersonenhaushalten, könnte die Ursache für den rückläufigen Pkw-Besitz sein [vgl. KuhBueh12, S. 448].
Ergänzend dazu hat sich zwischen den Jahren 1997 und 2007 der Anteil an Studierenden in der Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen von 80 auf 100 Studierende pro 1.000 Personen erhöht [vgl. KuhBueh12, S. 448]. Dementsprechend ist zwischen 1998 und 2008 der Anteil an jungen Erwachsenen zwischen 20 und 34 Jahren, die im städtischen Raum leben, um drei Prozentpunkte auf 27 Prozent gestiegen, da Universitäten oft in Städten angesiedelt sind [KuhBueh12, S. 448]. Ferner ist der Anteil an Studierenden, die Ausgaben für ein Auto tätigen, zwischen 1991 und 2009 von 54 Prozent auf 34 Prozent gesunken [vgl. ifmo11a, S. 19]. Außerdem hat die Einführung von Semestertickets dazu beigetragen, dass der Besitz von Zeitkarten für den Öffentlichen Verkehr (ÖV) bei 20- bis 29-Jährigen zwischen 1996 und 2008 von 25 Prozent auf 52 Prozent gestiegen ist [vgl. KuhBueh12, S. 449].
Der erhöhte Studierendenanteil führt dazu, dass das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt des Berufseintritts steigt. Dies verschiebt möglicherweise gleichzeitig den durchschnittlichen Zeitpunkt einer Familiengründung um einige Jahre nach hinten. Als Folge befinden sich immer mehr junge Menschen in einer Lebensphase, in der die Wahrscheinlichkeit, einen Pkw zu besitzen, relativ gering ist [KuhBueh12, S. 448; ifmo11a, S. 22].
Andere externe Einflussfaktoren, die zu einer erhöhten Multimodalität unter jungen Erwachsenen führen, sind zum Beispiel die Einführung von Parkraumbewirtschaftung und die Gestaltung von fußgängerfreundlichen Bereichen in Innenstädten, erhöhte Benzinpreise und Anschaffungskosten eines Autos sowie eine Verbesserung des Angebotes und der Verknüpfungsmöglichkeiten im ÖV [KuhBueh12, S. 449; ifmo11a, S. 58]. Auch Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) haben zu einem steigenden multimodalen Verkehrsverhalten beigetragen [vgl. KuhBueh12, S. 449, Witt14]. Nähere Informationen dazu bietet der FIS-Synthesebericht Treiber und Verknüpfungsmöglichkeiten für mehr Multimodalität.