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Logistik in der Bauwirtschaft

Erstellt am: 14.04.2015 | Stand des Wissens: 14.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Nach Ruhl et al. [RuMoLu18, S. 7], ist Baulogistik, ausgehend von der Flussanalyse und -prognose der erforderlichen Transfers für den Produktionsprozess, die Initiierung, Planung, Integration sowie Ausführung der erforderlichen Leistungen für die Ver- und Entsorgung der Baustelle und gleichzeitig der Rahmen der Produktionsbedingungen (Baustellenlogistik). Dabei berücksichtigt die Baulogistik unter der Prämisse der Wertschöpfung in der Regel neben den Hauptattributen Transfer, Transport und Flächen weitere Attribute wie Flächen- und Containermanagement, Abfallbewirtschaftung, Medienversorgung, Sicherheit und Schutzleistungen und Baugeräte.

Es ist jedoch zu beachten, dass sich logistische Konzepte erst ab einer bestimmten Baustellengröße beziehungsweise Komplexität betriebswirtschaftlich lohnen, da auf Kleinbaustellen das Verhältnis von Nutzen und Aufwand zu gering ausfallen würde [GüKe06, S. 23f.]. Neuerdings gerät die übergreifende Koordination und das Management der Bau-Supply Chain weiter in den Fokus der Baulogistik [KlKr12, S. 42]. Die nachfolgende Abbildung 1 verdeutlich eine exemplarische Lieferkette in der Baulogistik und stellt die logistischen Wege dar.
 
Lieferketten in der Baulogistik_445827_.pngAbbildung 1: Lieferkette in der Bauindustrie (GüKe06, S. 24]) (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
In der Baulogistik existieren im Vergleich zu anderen Industrien, wie zum Beispiel die Waren produzierende Industrie, besondere Anforderungen und Restriktionen. Zum einen stellt (fast) jedes Bauprojekt ein individuelles Projekt dar [GüKe06, S. 25]. Weiterhin ist eine Vorproduktion nur begrenzt möglich. Daraus resultiert eine starke Abhängigkeit der Materialflussplanung von bautechnisch bedingten Wartezeiten zum Beispiel durch Trocknen und Aushärten der Baustoffe, die nicht beeinflusst werden können [GüKe06, S. 25f.]. Der Organisationstyp bei Bauprojekten beläuft sich auf die Baustellenfertigung, deren Hauptmerkmal ein ortsgebundenes Fertigungsobjekt ist. Arbeitsplätze und Betriebsmittel müssen daher an dem Objekt ausgerichtet sein [KlKr12, S. 43]. Im produzierenden Gewerbe hingegen sind die Arbeitsplätze ortsgebunden und Betriebsmittel (zum Beispiel Maschinen) fest installiert [KlKr08]. Eine weitere Anforderung stellt die Lagerhaltung dar. Aufgrund des begrenzten Platzangebots auf Baustellen wird der Großteil der Lieferungen direkt nach der Annahme verbaut. Besonderheiten im Transport ergeben sich vor allem aus der Diversität der Güter und aus der Schwierigkeit Schüttgut präzise einzuteilen. Systeme zur Optimierung von Touren sind daher nur begrenzt umsetzbar. Als letzte Anforderung wird die Umgebung der Produktionsstätten angesehen, da sie sich in den meisten Fällen unter freiem Himmel befinden und besondere Wettereinflüsse zu Beeinträchtigungen, bis hin zu kompletten Ausfällen auf der Baustelle führen können. Zudem werden Baustellen, je nach Lage, mitunter nur durch mobile Generatoren mit ausreichend Energie versorgt [HMKL09, S. 25-27; KlKr12, S. 43-46].

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird die Baulogistik in drei Abschnitte (Phasen) unterteilt. Abbildung 2 verdeutlicht diese Aufteilung der Baulogistik in Versorgungslogistik, Baustellenlogistik und Entsorgungslogistik.
Phasen der Baulogistik_445827.pngAbbildung 2: Phasen der Baulogistik ([HMKL09, S. 32]) (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Die Versorgungslogistik konzentriert sich vorwiegend auf die Bereitstellung der benötigten Materialien. Diese werden dann von der Baustellenlogistik auf der Baustelle gelagert, umgeschlagen und transportiert. Die Entsorgungslogistik befasst sich mit der Entsorgung von Bauabfällen und mit der Rückführung nicht benötigter Arbeitsmittel (Rückführungslogistik). Eine Schlüsselfunktion nimmt der Informationsaustausch ein, denn ohne funktionierende Informationslogistik können Güter- und Personenbewegungen nicht optimal koordiniert werden [HMKL09, S. 11].
Eine Studie aus dem Jahr 2015 bedient sich dem Begriff der Reverse Logistics. Dieser bezieht sich auf die Bewegung von Produkten und Materialien von geborgenen Gebäuden zu einer neuen Baustelle. Im Gegensatz zur herkömmlichen Logistik, die den Fluss von Produkten vom Hersteller zum Endverbraucher betrachtet, geht es bei der Reverse Logistics darum, Materialien und Produkte aus gebrauchten oder abgerissenen Gebäuden wieder- und weiterzuverwenden.
In der Bauindustrie ist die Anwendung von Reverse Logistics bisher begrenzt, obwohl die Branche für eine erhebliche Menge an Abfall verantwortlich ist. Der Bauindustrie fehlt gegenwärtig ein gut organisiertes Netzwerk zur Umsetzung von Reverse Logistics, das mit der herkömmlichen Vorwärtslogistik verbunden ist.
Barrieren für die Umsetzung von Reverse Logistics liegen unter anderem in der mangelnden Motivation der beteiligten Akteure, Materialien aus alten Gebäuden zu bergen. Zur Überwindung der Barrieren ist eine integrierte Herangehensweise unter Einbeziehung aller relevanten Akteure notwendig ist [LeChi15].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Branchenspezifische Logistik (Stand des Wissens: 01.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?286059
Literatur
[GüKe06] Günthner, W. A., Kessler, S., Sanladerer, S. Transportlogistik am Bau, 2006
[HMKL09] Helmus, H., Meins-Becker, A., Kelm, A., Laußat, L., RFID in der Baulogistik, Ausgabe/Auflage Auflage 1., Vieweg+Teubner, 2009
[KlKr08] Krieger, W., Klaus, Peter, Prof. Gabler Lexikon Logistik (4. Auflage), Ausgabe/Auflage 4. Auflage, Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden, 2008, ISBN/ISSN 978-3-8349-0149-1
[KlKr12] Klaus, P., Krieger, W., Krupp, M. (Hrsg.) Gabler Lexikon Logistik: Management logistischer Netzwerke und Flüsse, Ausgabe/Auflage 5. Auflage, Gabler, 2012, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-8349-7172-2, ISBN/ISSN 9783834971722
[LeChi15] M Reza Hosseini, , Raufdeen Rameezdeen, , Nicholas Chileshe, , Steffen Lehmann Reverse logistics in the construction industry, 2015/06/06, Online-Referenz doi:10.1177/0734242X15584842
[RuMoLu18] Fabian Ruhl, Christoph Motzko, Peter Lutz Baulogistikplanung, 2018/07
Glossar
Supply Chain Als Supply Chain (Liefer- oder Wertschöpfungskette) bezeichnet man ein organisationsübergreifendes Netzwerk, welches als Gesamtsystem Güter für einen bestimmten Markt hervorbringt. Die heutigen Supply Chains sind aufgrund der Vielzahl von beteiligten Zulieferern, Dienstleistern und Kunden - die wiederum an anderen Supply Chains beteiligt sein können - sehr komplexe, interdependente Gebilde. Treffender müsste daher eine Supply Chain, aufgrund der häufig vorkommenden netzwerkartigen Struktur der zusammenarbeitenden Unternehmen, als "Supply Network" bezeichnet werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?445827

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 05:56:20