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Schnittstellen im Supply Chain Management

Erstellt am: 18.02.2015 | Stand des Wissens: 19.03.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. T. Blecker
Technische Universität Hamburg - Institut für Logistik und Unternehmensführung

Um die Ziele des SCM zu erreichen, ist es von großer Bedeutung ein durchgängiges und beherrschbares Prozessgeflecht zu schaffen. In diesem Rahmen muss der Integrationsgrad innerbetrieblicher und unternehmensübergreifender Wertschöpfungsprozesse gesteigert werden. Hierbei wird zwischen der Integration von Schnittstellen einzelner Mitglieder der Versorgungskette und Schnittstellen in Unternehmensnetzwerken unterschieden, wobei die Verbesserungspotentiale bei der Optimierung der gesamten Supply Chain insbesondere bei ersteren liegen.

Integration von Schnittstellen bedeutet zum einen, dass Kernprozesse homogenisiert und eine gemeinsame Planung, Steuerung und Kontrolle der Prozesse ermöglicht werden. Mithilfe eines effektiven interorganisatorischen Informationsaustauschs soll es ermöglicht werden, über Betriebsgrenzen hinweg Aktivitäten zu planen und zu steuern. Zum anderen zielt die Integration insgesamt auf eine Reduzierung von Schnittstellen ab.

Neben Schnittstellen, bei denen der Informationsaustausch im Vordergrund steht, existieren physische Schnittstellen, welche ebenfalls Optimierungspotentiale aufweisen. Als ein Beispiel kann die Schnittstelle Laderampe dienen; hier kann die Be- und Entladung effizienter ablaufen, wenn ein standardisiertes Medium wie Europaletten verwendet wird. In Hinblick auf die gesamte Supply Chain ist eine entsprechende Abstimmung der Unternehmen anzustreben.

Die organisatorische Integration von Schnittstellen einzelner Mitglieder der Supply Chain erfordert es, die einzelnen Funktionsbereiche im Unternehmen optimal zu koordinieren. Dies kann durch den Einsatz von Prozessmanagern oder Cross-Functional Teams erreicht werden. Eine geringere Anzahl von beteiligten Akteuren erleichtert die Umsetzung, jedoch sind Schwierigkeiten in der Regel nicht auszuschließen.

Integrierte Supply Chains können verschiedene organisatorische Strukturen aufweisen. Zum einen wird zwischen hierarchisch und heterarchisch koordinierten Supply Chains unterschieden. Bei ersteren wird die Supply Chain durch ein dominantes Unternehmen geführt, die anderen sind direkt oder indirekt von diesem abhängig. Die Leistungserstellung der abhängigen Unternehmen orientiert sich an dem Zielsystem des dominanten Unternehmens. Bei heterarchisch koordinierten Supply Chains sind die einzelnen Unternehmen gleichberechtigt. Temporär kann ein Unternehmen jedoch eine dominante Rolle einnehmen. Die Herausforderung bei diesem Konzept liegt darin, den einzelnen Unternehmen genügend Handelsspielraum zu lassen, jedoch gleichzeitig die Optimierung der gesamten Supply Chain zu verfolgen; es ist deshalb ein größerer Kommunikations- und Abstimmungsbedarf notwendig. In der Praxis treten häufig Mischformen auf; beispielsweise werden übergeordnete Koordinationsaufgaben global festgelegt, während die Feinplanung den einzelnen Unternehmen lokal obliegt.

Aufgaben der Supply Chain-Koordination und Integration können an Dienstleister fremdvergeben werden. Entsprechende Anbieter werden als Fourth Party Logistics Provider (4PL) bezeichnet. Diese übernehmen als Dienstleister die Planung, Steuerung und Überwachung von unternehmensinternen oder -übergreifenden Logistikprozessen.

Im Rahmen von SCM und dessen Optimierung ist eine kontinuierliche Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den SCM-Partnern notwendig; soziale Aspekte spielen für den Erfolg des SCM deshalb eine große Rolle. Vor allen Dingen wird gegenseitiges Vertrauen und Offenheit verlangt. Dadurch verbessern sich der Informations- und Kommunikationsfluss sowie die Konfliktlösung. Dies erleichtert die Planung, Steuerung und Kontrolle und verringert die internen und externen Transaktionskosten. Es ist Aufgabe des Managements, Regeln für die innerbetriebliche und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit zu entwickeln und durchzusetzen sowie gemeinsame Werte und Normen und eine Kooperationskultur für alle am Leistungserstellungsprozess Beteiligten zu pflegen [BuGr01, S. 139-145].

Aufgrund von Machtdifferenzen und Eigeninteressen der einzelnen Unternehmensteile oder Wertschöpfungspartner kommt es jedoch häufig zur ungleichmäßigen Verteilung des Supply Chain Mehrwerts, welche unter rechtlichen Aspekten abgewägt werden müssen. Als vertrauensbildende Maßnahme und zur Fixierung der gemeinsamen Vorhaben werden zwischen den Partnern in der Regel Kooperationsverträge geschlossen. Dabei ist es problematisch, dass die Ausgestaltung von Kooperationsverträgen oftmals bei dem dominanten Unternehmen der Supply Chain liegt, sodass die Einflussnahme der abhängigen Unternehmen nur sehr gering ist [Proc01, S. 50-51]. Bei der Integration von Netzwerken ist zu bedenken, dass diese nur Erfolg haben können, wenn sie auf bereits effektiven internen Prozessen aufbaut [Zeie02, S.1-3].
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Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. T. Blecker
Technische Universität Hamburg - Institut für Logistik und Unternehmensführung
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Grundlagen des Supply Chain Management (Stand des Wissens: 09.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?439336
Literatur
[BuGr01] Bund, Martina , Granthien, Marc Ganzheitliches Beziehungsmanagement in der Supply Chain - Konzeption und Gestaltungsfelder, veröffentlicht in Supply Chain Management. Neue Instrumente zur kundenorientierten Gestaltung integrierter Lieferketten, Ausgabe/Auflage 1. Auflage, Frankfurter Allgemeine Zeitung / Frankfurt am Main, 2001, ISBN/ISSN 3-89843-009-X
[Proc01] Prockl, G. Supply Chain Management als Gestaltung überbetrieblicher Versorgungsnetzwerke - Eine Verdichtung von Prinzipien zur "Strukturation" von Versorgungsnetzen und Ansätze zur theoretischen Hinterfragung, Ausgabe/Auflage Edition Logistik, Band 2, Deutscher Verkehrs-Verlag, Hamburg, 2001, ISBN/ISSN 3-87154-268-7
[Zeie02] Zeier, Alexander Abschlussbericht des FORWIN-Projekts: Identifikation und Analyse branchenspezifischer Faktoren für den Einsatz von Supply-Chain-Management-Software. Anwendungsbeispiele, Würzburg, 2002
Glossar
Supply Chain Management Supply Chain Management lässt sich vereinfacht als Abfolge oder Kette von Aktivitäten beschreiben, um Kunden und/oder Märkte erfolgreich zu bedienen - also effizienter und effektiver zu arbeiten. Zu diesem Zweck werden die Ketten in einem - und zwischen Unternehmen ganzheitlich betrachtet. Durch diesen Überblick sollen sich die "Supply Chains" aktiv, durchschaubar und über verschiedene Unternehmensbereiche hinweg, gestalten lassen. Als Supply Chains zählen einerseits die Verflechtung des Materialflusses innerhalb eines Unternehmens (z.B.: Produktion, Lagerung, Transport) sowie zwischen Unternehmen (z.B.: Milchbauer, Großhändler, Joghurthersteller, Einzelhandel, Kunde). Weitere Supply Chains im Sinne des SCM sind Informationsflüsse und Geldströme.
Zielsystem
In einem Zielsystem werden Ziele in einem hierarchischen Gefüge dargestellt. Ausgehend von einem Oberziel werden Leitlinien definiert. Zur Erfüllung dieser Leitlinien werden Handlungsfelder aufgespannt, welche wiederrum mit Handlungszielen versehen werden.
Supply Chain Als Supply Chain (Liefer- oder Wertschöpfungskette) bezeichnet man ein organisationsübergreifendes Netzwerk, welches als Gesamtsystem Güter für einen bestimmten Markt hervorbringt. Die heutigen Supply Chains sind aufgrund der Vielzahl von beteiligten Zulieferern, Dienstleistern und Kunden - die wiederum an anderen Supply Chains beteiligt sein können - sehr komplexe, interdependente Gebilde. Treffender müsste daher eine Supply Chain, aufgrund der häufig vorkommenden netzwerkartigen Struktur der zusammenarbeitenden Unternehmen, als "Supply Network" bezeichnet werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?443519

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 14:11:32