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Unternehmensinterne und -übergreifende Wertketten

Erstellt am: 18.02.2015 | Stand des Wissens: 09.06.2023
Synthesebericht gehört zu:

Der Betrachtungsgegenstand des Supply Chain Management sind Wertketten [Port06, S. 271]. Diese stellen eine Menge von Aktivitäten und Prozessen dar, die mittels eines Managementkonzepts koordiniert werden. Das Supply Chain Management zielt darauf ab, Verbesserung an den Schnittstellen zwischen den Prozessen der Wertketten zu realisieren [Wern17, S. 5]. Es werden vor- und nachgelagerte Prozesse unterschieden, die miteinander verbunden eine Wertkette bilden [PoMi85, S. 150-155].

Das erste Konzept zum Management einer Wertkette wurde von Michael E. Porter im Jahre 1985 vorgestellt [PoMi85, S. 150-174; Port96]. Er konzentrierte sich dabei auf die Darstellung der unternehmensinternen Wertkette, deren Prozesse zur Erfüllung eines bestimmten Kundenwunsches dienen und somit für den Kunden einen gewissen Wert schaffen [PoMi85, S. 150]. Aus der Perspektive der unternehmensinternen Wertkette ist es folglich die Aufgabe eines Unternehmens, eine Ware bzw. eine Dienstleistung zu entwerfen, herzustellen, zu vertreiben und dem (End-)Kunden zur Verfügung zu stellen. Durch eine Kostenanalyse aller Aktivitäten innerhalb der Wertkette können Unternehmen diejenigen ermitteln, die einen hohen Anteil an den insgesamt anfallenden Kosten haben [Port01, S. 52-57]. Dafür werden die Aktivitäten in Primär- und Sekundäraktivitäten unterschieden. Zu den Primäraktivitäten zählen diejenigen Aktivitäten, die zur physischen Erstellung der Produkte notwendig sind [PoMi85, S. 150]. Dazu zählen die Eingangslogistik, die Produktion, die Ausgangslogistik, Marketing und Vertrieb sowie der Kundendienst [PoMi85, S. 150f.; Port01, S. 53f]. Die Sekundäraktivitäten unterstützen die Erfüllung der Primäraktivitäten. Sie schaffen keinen direkten Wert für den Kunden, sie dienen vielmehr der Steigerung der Gesamteffektivität des Unternehmens [Port96]. Zu den Sekundäraktivitäten zählen die Beschaffung, die Technologieentwicklung, das Personalmanagement und die Unterhaltung der Unternehmensinfrastruktur [PoMi85, S. 150f.; Port01, S.7; Bode10].

Die obere Hälfte der Abbildung 1 visualisiert den Zusammenhang der Primär- und Sekundäraktivitäten innerhalb der Wertkette eines Unternehmens. Die untere Hälfte der Abbildung 1 zeigt die unternehmensübergreifende Sichtweise von Wertketten. Diese Verknüpfung der im Materialfluss aufeinander folgenden Wertketten wird im Ergebnis als Supply Chain bezeichnet. Es können bei einer Supply Chain nicht nur die Wertketten der vorgelagerten Lieferanten und der nachgelagerten Abnehmer (Weiterverarbeiter, Vertrieb, End-/Kunden etc.) betrachtet werden, sondern ebenfalls das Zusammenspiel der einzelnen Wertketten in einem Gesamtsystem [MeDe01]. Die Aufgabe des Supply Chain Managements ist es folglich, alle Prozesse der Wertketten vom Lieferanten bis hin zum Kunden systematisch zu steuern und Kostensenkungs- und Nutzungssteigerungspotenziale zu erschließen [Schu05a]. Dabei entstehen in einem Netzwerk aus beteiligten Unternehmen Güter- bzw. Materialflüsse in Richtung des Endkunden sowie zugehörige Finanz- und Informationsflüsse [KiMa17, S. 9-12].


Unternehmensinterne und -übergreifende WertkettenAbb. 1: Unternehmensinterne und -übergreifende Wertketten (in Anlehnung an PoMi85, S. 150-154; Port01, S. 52; KMOW06) (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Zunehmend reicht es für fokale Unternehmen heutzutage nicht mehr aus, die Supply Chain vom Rohstofflieferanten bis zum Verbraucher des Produkts unter Kostengesichtspunkten zu betrachten, da auch ökologische Aspekte beachtet werden müssen. So ist beispielsweise ein Automobilproduzent verpflichtet, alle Altfahrzeuge seiner Marke vom Letzthalter zurückzunehmen (§ 3, Satz 1 der Verordnung über die Überlassung, Rücknahme und umweltverträgliche Entsorgung von Altfahrzeugen). Aufgrund dieser Ökologieorientierung gewinnt die Idee der Kreislaufwirtschaft immer mehr an Bedeutung. Daher müssen die Primäraktivitäten der Wertkette nach Porter heutzutage in vielen Branchen durch die "Entsorgung" erweitert werden [Günt08, S. 172]. In dieser weiterentwickelten Sichtweise einer Supply Chain, die auch als Closed-Loop Supply Chain bezeichnet wird, müssen sich auch die Sekundäraktivitäten aus ökologischer Sicht neu orientieren, um so die (zum Teil gesetzlich vorgeschriebenen) ökologischen Ziele zu verfolgen und dabei auch langfristig ökonomisch erfolgreich zu sein [Günt08, S. 172f.].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Grundlagen des Supply Chain Management (Stand des Wissens: 09.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?439336
Literatur
[Bode10] Bode, Philipp Markenmanagement in Medienunternehmen - Ansatzpunkte zur Professionalisierung der strategischen Führung von Medienmarken , Ausgabe/Auflage 1, Gabler / Wiesbaden, 2010, ISBN/ISSN 9783834984982
[Günt08] Günther, E. Ökologieorientiertes Management: Um(weltorientiert)-denken in der BWL, Ausgabe/Auflage Auflage 1., UTB, Stuttgart, 2008, ISBN/ISSN 3825283836
[KiMa17] Kiener, S., Maier-Scheubeck, N, Obermaier, R., Weiß, M. Produktionsmanagement, Ausgabe/Auflage 11, De Gruyter Oldenbourg, 2017/12, ISBN/ISSN 978-3-11-044342-4
[KMOW06] Kiener, S., Maier-Scheubeck, N, Obermaier, R., Weiß, M. Produktions-Management. Grundlagen der Produktionsplanung und -steuerung, Ausgabe/Auflage Auflage 8., Oldenbourg, 2006, ISBN/ISSN 3486580590
[MeDe01] Mentzer, J. T., DeWitt, W., Keebler, J. S., Min, S,, Nix, N. W., Smith, C. D., Zacharia, Z. G. Defining Supply Chain Management , veröffentlicht in JOURNAL OF BUSINESS LOGISTICS, Ausgabe/Auflage 2, 2001
[PoMi85] Porter, Michael E., Millor, Victor E. How Information Gives You Competitive Advantage, veröffentlicht in Harvard Business Review, Ausgabe/Auflage 4, 1985
[Port01] Porter, Michael The value chain and competitive advantage, veröffentlicht in Understanding Business Processes, Routledge, 2001, ISBN/ISSN 9780415238625
[Port06] Porter, M. E. Creating Tomorrow`s Advantages, veröffentlicht in Strategische Unternehmungsplanung - Strategische Unternehmungsführung, Springer-Verlag Berlin Heidelberg , 2006, Online-Referenz doi:10.1007/3-540-30763-X_13, ISBN/ISSN 978-3-540-30763-1
[Port96] Porter, M. E. Wettbewerbsvorteile (Competitive Advantage) - Spitzenleistungen erreichen und behaupten, Campus Fachbuch, 1996, ISBN/ISSN 3593361787
[Schu05a] Schulte, C. Logistik - Wege zur Optimierung der Supply Chain, Ausgabe/Auflage Auflage 4., Vahlen, München, 2005
[Wern17] Werner, Hartmut Supply Chain Management Grundlagen, Strategien, Instrumente und Controlling, Ausgabe/Auflage 6.Auflage, Springer Fachmedien Wiesbaden , 2017, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-658-18384-4, ISBN/ISSN 978-3-658-18383-7
Glossar
Supply Chain Management Supply Chain Management lässt sich vereinfacht als Abfolge oder Kette von Aktivitäten beschreiben, um Kunden und/oder Märkte erfolgreich zu bedienen - also effizienter und effektiver zu arbeiten. Zu diesem Zweck werden die Ketten in einem - und zwischen Unternehmen ganzheitlich betrachtet. Durch diesen Überblick sollen sich die "Supply Chains" aktiv, durchschaubar und über verschiedene Unternehmensbereiche hinweg, gestalten lassen. Als Supply Chains zählen einerseits die Verflechtung des Materialflusses innerhalb eines Unternehmens (z.B.: Produktion, Lagerung, Transport) sowie zwischen Unternehmen (z.B.: Milchbauer, Großhändler, Joghurthersteller, Einzelhandel, Kunde). Weitere Supply Chains im Sinne des SCM sind Informationsflüsse und Geldströme.
Supply Chain Als Supply Chain (Liefer- oder Wertschöpfungskette) bezeichnet man ein organisationsübergreifendes Netzwerk, welches als Gesamtsystem Güter für einen bestimmten Markt hervorbringt. Die heutigen Supply Chains sind aufgrund der Vielzahl von beteiligten Zulieferern, Dienstleistern und Kunden - die wiederum an anderen Supply Chains beteiligt sein können - sehr komplexe, interdependente Gebilde. Treffender müsste daher eine Supply Chain, aufgrund der häufig vorkommenden netzwerkartigen Struktur der zusammenarbeitenden Unternehmen, als "Supply Network" bezeichnet werden.
fokale Unternehmen In bestimmten Typen von Netzwerken übernimmt ein bzw. übernehmen mehrere Unternehmen eine führende Rolle. Dieses ist ein prägendes Merkmal eines strategischen Netzwerkes, die man als eine moderne Form von Unternehmenszusammenschlüssen (zu interorganisatorischen Netzwerken) ansehen kann. In solchen strategischen Netzwerken übernimmt mindestens ein Unternehmen, das fokale Unternehmen, die strategische Führung, die jedoch nicht auf Kapital- oder Finanzverflechtungen beruht.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?443425

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 14:25:06