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Weiteres standortbezogenes und zielgruppenspezifisches Mobilitätsmanagement

Erstellt am: 09.09.2014 | Stand des Wissens: 25.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Wird das Verkehrsaufkommen an Standorten unter Berücksichtigung unterschiedlicher Nutzergruppen betrachtet, wird auch von standortbezogenem Mobilitätsmanagement gesprochen [Lou13, S. 16]. Insbesondere werden dabei die Erreichbarkeit des Standortes mit verschiedenen Verkehrsmitteln sowie die Bedürfnisse der verschiedenen Nutzergruppen in die Maßnahmenentwicklung einbezogen.
Zum standortbezogenen Mobilitätsmanagement zählen unter anderem:
  • betriebliches Mobilitätsmanagement,
  • Mobilitätsmanagement für Universitäten,
  • wohnstandortbezogenes Mobilitätsmanagement,
  • Mobilitätsmanagement für Großeinrichtungen (Einkaufszentren, Krankenhäuser, Stadien).
Beim standortbezogenem Mobilitätsmanagement ist in der Regel nur die durchführende Institution alleiniger Träger der Maßnahmen. Betriebsübergreifende Initiativen werden eher selten realisiert, sind aber möglich, beispielsweise in Form von Pendlerportalen [PePo15]. Als Einnahmequellen können vor allem Mittel aus Parkraumbewirtschaftung, eingesparten Stellplätzen und Dienstreisekosten herangezogen werden [Baum01].
Es können Standorte mit folgenden Indikatoren bewertet werden:
  • Betriebsgrößen am Standort,
  • Tätigkeitsfelder der Betriebe am Standort,
  • Voraussetzungen für Mobilitätsmanagement aus der mittleren Entfernung zur nächsten Autobahnauffahrt,
  • Voraussetzungen für Mobilitätsmanagement aus Parkdruck,
  • Gehzeit zur nächsten Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) Haltestelle (inklusive Bus),
  • Anzahl der Abfahrten in der Hauptverkehrszeit (werktags sieben bis neun Uhr),
  • Anzahl der Abfahrten in der Schwachverkehrszeit (werktags 20 bis 22 Uhr),
  • Konkurrenzfähigkeit der standortbezogenen Erreichbarkeitspotenziale zwischen ÖPNV und motorisierten Individualverkehr (MIV),
  • Radpotenzial.
In der bayerischen Landeshauptstadt München wurde ein kommunales Förderprogramm für Betriebe initiiert, mit dem das Aufstellen von Mobilitätsplänen zu 50 Prozent gefördert werden kann.
Mobilitätsmanagement verfolgt das Ziel, Einstellungen und Verhaltensweisen von Verkehrsteilnehmern zugunsten eines nachhaltigen Verkehrs zu beeinflussen und damit zu ändern. Für die Akteure des Mobilitätsmanagements bedeutet das geeignete Zielgruppen zu identifizieren, sodass Mobilitätsmanagementmaßnahmen und der damit verbundene Mitteleinsatz effizient umgesetzt beziehungsweise eingesetzt werden [BMVBS09w]. Als Akteur spielen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer daher eine passive Rolle. Das zielgruppenspezifische Mobilitätsmanagement ist eng verbunden mit den kommunalen MM [ZNRW16].
Als Zielgruppe kann die Gesamtheit aller Personen bezeichnet werden, die von einer MM-Maßnahme angesprochen werden sollen. Diese Personen befinden sich oft in einer vergleichbaren Lage, beispielsweise SchülerInnen einer Jahrgangsstufe oder Beschäftigte eines Betriebes. Üblich im Zusammenhang mit dem zielgruppenspezifischem MM ist eine Abgrenzung von Zielgruppen anhand soziodemografischer Merkmale, unter anderem Alter, Geschlecht, Familienstand, Haushaltsgröße und Erwerbsstatus [Lou13] [ILS2012]. Räumliche und institutionelle Merkmale werden dabei ebenfalls berücksichtigt. Hinsichtlich der Ansätze zur Bildung von Zielgruppen im Mobilitätsbereich soll auf die Literatur verwiesen werden [HuHa12].
Im Zusammenhang mit Maßnahmen des Mobilitätsmanagements sind folgende Zielgruppen denkbar:
  • Neubürgerinnen und -bürger,
  • Touristen,
  • Mieter und Mieterinnen,
  • Beschäftigte eines Betriebes,
  • Schülerinnen und Schüler,
  • Studierende,
  • Seniorinnen und Senioren,
  • Kinder und Jugendliche,
  • Migrantinnen und Migranten und
  • Familien.
Ein entscheidender Bestandteil des zielgruppenspezifischen Mobilitätsmanagements ist ein individualisiertes Marketing, welches zum Beispiel für die Zielgruppe der Neubürgerinnen und -bürger beim Neubürgermarketing genutzt wird [Lou13].
Im Zusammenhang mit einem Umzug orientieren sich Menschen neu und sind eher offen für Veränderungen ihres Verkehrsverhaltens [Lang09; RWTH09]. Hier setzt das Neubürgermarketing an, ein zentrales Instrument des kommunalen Mobilitätsmanagement. Mit gezielten Kampagnen soll eine Veränderung des Verkehrsverhaltens angeregt werden. Bestandteile dieser Kampagnen sind zumeist
Neubürgerkampagnen wurden beispielsweise in Frankfurt/Main, Aachen, Stuttgart, Halle/Saale und München durchgeführt und versuchen die verkehrlichen Auswirkungen mittels Evaluation zu ermitteln [RWTH09; Lou13].
Das Mobilitätsmanagement für Touristen unterscheidet einerseits die Reise an sich und andererseits das Mobilitätsverhalten im Zielgebiet. Für die Reise tritt der Reiseveranstalter als Akteur in Erscheinung. Im Zielgebiet übernehmen dann die touristischen Einrichtungen, Verkehrsunternehmen und -verbünde sowie die Kommunen selbst [Lou13]. Das Ziel des Mobilitätsmanagement für Touristen besteht darin, verkehrliche und touristische Angebote zu koordinieren und effektiv zu vermarkten. Der Zugang zur Zielgruppe der Touristen ist einfach, da sie sich wie die Neubürger in einer nicht alltäglichen oder ungewohnten Situation befinden, die habitualisiertes Verkehrsverhalten aufbrechen lässt und damit öffnet für neue Ansätze. Als Maßnahmen zugunsten der Nutzung des ÖPNVs kommen beispielsweise Kombitickets oder ÖPNV-Touristenkarten in Frage.

Als Maßnahmen kommen zum Beispiel:
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Mobilitätsmanagement (Stand des Wissens: 25.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?20082
Literatur
[Baum01] Baum, Thomas Betriebliche Mobilitätskonzepte, veröffentlicht in Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage 1, Kirschbaum Verlag GmbH Siegfriedstraße 28 53179 Bonn, 2001, ISBN/ISSN ISSN 0039-2219
[BMVBS09w] TÜV Rheinland Consulting GmbH Urbane Mobilität - Verkehrsforschung des Bundes für die kommunale Praxis, veröffentlicht in direkt, Ausgabe/Auflage Heft 65, Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, 2009, ISBN/ISSN 978-3-8509-880-1
[ILS2012] Mechtild Stiewe, Ulrike Reutter (Hrsg.) Mobilitätsmanagement
Wissenschaftliche Grundlagen und Wirkungen in der Praxis, Ausgabe/Auflage 1. Auflage, Klartext Verlag, Essen, 2012/08, ISBN/ISSN 978-3-8375-0474-3
[Lang09] Armin Langweg ÖPNV-Marketing für Zuzügler, veröffentlicht in Bericht 51 Stadt Region Land, 2009, ISBN/ISSN 47833883541563
[Lou13] Conny Louen Wirkungsabschätzung von Mobilitätsmanagement
Ansatzpunkte zur Modellierung & Ableitung von Potentialen und Wirkungen am Beispiel des betrieblichen Mobilitätsmanagements, 2013/11, ISBN/ISSN 978-3-88354-166-2
[PePo15] Pendlerportal.de (Hrsg.) Zusammen zum Ziel! - Geld sparen, Umwelt schonen, Verantwortung zeigen, 2015/08/04
[RWTH09] Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr, RWTH Aachen, Sebastian Bamberg Dialogmarketing für Neubürger, 2009
[ZNRW16] Zukunftsnetz Mobilität NRW (Hrsg.) Kosteneffizienz durch Mobilitätsmanagement - Handbuch für die kommunale Praxis, 2016/10/05
Weiterführende Literatur
[HuHa12] Marcel Hunecke, Sonja Haustein Methoden der empirischen Sozialforschung zur Identifikation von Zielgruppen für umweltfreundliche Mobilitätsangebote, veröffentlicht in Mobilitätsmanagement. Wissenschaftliche Grundlagen und Wirkungen in der Praxis, Ausgabe/Auflage 1. Auflage 2012, Klartext-Verlag, 2012, ISBN/ISSN 9783837504743
[ivm13] Volker Blees, Jens Vogel, Greta Wieskotten Schulisches Mobilitätsmanagement
Sichere und nachhaltige Mobilität für Kinder und Jugendliche, veröffentlicht in Schriftenreihe der ivm, Ausgabe/Auflage 1. Auflage, 2013, ISBN/ISSN 978-3-9816181-0
Glossar
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?437197

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 18:49:11